Nachruf auf Avînar Merîvan und Rûken Sipêrtî

Die Guerillakämpferinnen Avînar Merîvan und Rûken Sipêrtî sind vor sechs Jahren in Xakurke gefallen. Die HPG würdigen sie als mutige Revolutionärinnen des kurdischen Volkes und selbstlose Verteidigerinnen eines freien Lebens.

Bei Angriff auf Xakurke gefallen

Der Guerillakämpferinnen Avînar Merîvan und Rûken Sipêrtî sind 2018 bei einem türkischen Angriff auf Xakurke ums Leben gekommen. Die Volksverteidigungskräfte (HPG) würdigen sie in einem Nachruf als mutige Revolutionärinnen ihres Volkes und selbstlose Verteidigerinnen eines freien Lebens. Den Familien der Gefallenen und dem kurdischen Volk sprechen die HPG ihr Mitgefühl aus.

                               

Codename: Avînar Merîvan

Vor- und Nachname: Rozan Vildan Kızmaz

Geburtsort: Amed

Name von Mutter und Vater: Zozan – Cuma

Todestag und -ort: 6. April 2018 / Xakurke

 

 

Codename: Rûken Sipêrtî

Vor- und Nachname: Fatma Koyuncu

Geburtsort: Şirnex

Name von Mutter und Vater: Xezal – Mahmut

Todestag und -ort: 6. April 2018 / Xakurke

 

Avînar Merîvan

Avînar Merîvan wurde in Amed (tr. Diyarbakır) als Tochter einer dem kurdischen Befreiungskampf nahestehenden Familie geboren. Bereits früh im patriotischen Elternhaus politisiert, wurde sie schon als Schülerin mit der staatsideologisch legitimierten repressiven Leugnung- und Assimilationspolitik in Kurdistan und der vom System forcierten Degeneration der Jugend konfrontiert. Deshalb engagierte sie sich in der kurdischen Jugendbewegung. Diesen Aktivismus setzte sie auch als Studentin in Amed fort.


Während ihrer Zeit an der Universität geriet Avînar Merîvan immer wieder ins Visier des Staates und wurde mehrfach festgenommen. Diese Erfahrungen, gepaart mit einer intensiven Lektüre der Ideologie der kurdischen Befreiungsbewegung – ihr Bruder Mervan Amed war 2009 zur Guerilla gegangen – prägten ihre Ansichten über die Realität, dass jede Generation der Kurd:innen seit einem Jahrhundert unter Kriegsrecht, Ausnahmezustand oder im Krieg aufwuchs. Sie fasste den Entschluss, sich dem System zu entziehen und in die Berge zu gehen. 2012, die Revolution von Rojava war gerade im Anmarsch, schloss sie sich in Amed der Guerilla an.


Ihre militärische Ausbildung erhielt Avînar Merîvan im südkurdischen Metîna, danach ging sie nach Gare. Im Jahr 2013 fiel ihr Bruder im Zuge des revolutionären Volkskrieges in Geliyê Tiyarê. Sein Verlust war ausschlaggebend für ihren Wunsch, an den Fronten des heißen Krieges zu kämpfen. Als Mitglied der Verbände freier Frauen (YJA Star) wechselte sie im selben Jahr nach Xakurke. Die HPG beschreiben Avînar Merîvan als beharrliche Militante, die selbst unter den schwierigsten Bedingungen von den Grundsätzen der apoistischen Philosophie nicht abwich.


„Hevala Avînar war eine Persönlichkeit, die mit ihrer enthusiastischen und begeisterten Teilnahme Entschlossenheit und Kampfeswillen bei allen Freundinnen und Weggefährten weckte und ihnen Mut machte. Sie wusste sich mit dieser Eigenschaft einen Platz in den Herzen aller zu sichern. Mit ihrer eindeutigen Haltung auf der Linie der Frauenbefreiung, ihrem unerschütterlichen Einsatz für Rêber Apo und unsere freiheitlichen Werte und einer unerschütterlichen Freundschaft hat sie Spuren hinterlassen, die sich nicht mehr verwischen lassen.“

Rûken Sipêrtî

Rûken Sipêrtî wurde in Silopiya in der Provinz Şirnex (Şırnak) geboren. Ihre Familie, die aus Tradition im Widerstand ist, gehört dem in Botan angesiedelten Stamm der Sipêrtî an. Durch diese familiären Verquickungen und ein politisches Umfeld lernte sie die kurdische Befreiungsbewegung bereits früh kennen. Dies hing jedoch auch mit der allgegenwärtigen Unterdrückung der kurdischen Bevölkerung und den Erfahrungen aus der Politik der verbrannten Erde zusammen, die in den 1990er Jahren mehr als 3.000 Dörfer in Kurdistan in Asche verwandelte.


Zunächst eine Zeitlang im politischen Bereich aktiv, entschloss sich Rûken Sipêrtî 2012, Teil des bewaffneten Kampfes gegen die auf einen Vernichtungskrieg ausgelegte Politik des türkischen Staates zu werden. Der Weg zur Guerilla führte sie ins Cûdî-Gebirge. Hier durchlief sie eine militärische Grundausbildung, danach ging sie in die Herekol-Region. Als Abdullah Öcalan, der seit 1999 in der Türkei inhaftierte Vordenker und Begründer der PKK, im März 2013 im Zuge des später einseitig von Ankara abgebrochenen Dialogprozesses mit dem türkischen Staat einen historischen Waffenstillstand und den Rückzug der Guerilla aus Nordkurdistan verkündete, der den Weg freimachen sollte zu einer demokratischen Lösung der kurdischen Frage, ging sie in die Medya-Verteidigungsgebiete.

In Heftanîn absolvierte Rûken Sipêrtî eine vertiefte Militärausbildung und erwarb spezielle Fähigkeiten und Fertigkeiten für verschiedene Bereiche des Guerillakampfes. Ideologisch setzte sie sich intensiv mit dem Paradigma des Frauenbefreiungskampfes und der YJA Star auseinander. 2014 ging sie im Rahmen einer Mobilmachung nach Rojava, um sich am Widerstand gegen die Terrororganisation „Islamischer Staat“ (IS) zu beteiligen. Bei einem Einsatz in Dschaza (Jazaa) im Grenzgebiet zum Irak wurde sie im Zuge eines Gefechts am Kopf verletzt. Sie konnte sich schnell erholen und an die Front zurückkehren. Diesmal ging sie nach Kobanê, wo sie am großen Widerstand in der damals vom IS eingekesselten Stadt teilnahm und eine weitere Verletzung erlitt.

Insgesamt zwei Jahre verbrachte Rûken Sipêrtî in Rojava, ehe sie in ihre Geburtsstadt Silopiya wechselte, wo 2016 der von den Zivilen Selbstverteidigungseinheiten (YPS) angeführte Widerstand für Selbstverwaltung in Kurdistan aufkam. Nach einer Weile ging sie zurück in die Medya-Verteidigungsgebiete, wo sie bis zu ihrem Tod in Xakurke kämpfte. Die HPG beschreiben sie als „mutige Genossin“, die mit ihrem Anspruch, die Identität der freien Frau zu vertreten, von allen Seiten respektiert und geschätzt wurde.