Mêrdîn: Kurdische Politiker zu Haftstrafen verurteilt

In Mêrdîn sind zehn kurdische Politiker*innen und kommunale Beschäftigte, darunter die früheren Ko-Bürgermeister*innen von Dêrika Çîyayê Mazî, Sabahat Çetinkaya und Abdülkerim Erdem, zu langjährigen Haftstrafen verurteilt worden.

Im langwierigen Prozess gegen insgesamt 22 kurdische Politiker*innen und ehemalige Angestellte der Kommunalverwaltung in Dêrika Çîyayê Mazî (türk. Derik) hat der 4. Strafgerichtshof in Mêrdîn (Mardin) zehn Angeklagte wegen dubioser Vorwürfe im Zusammenhang mit dem Selbstverwaltungswiderstand in Nordkurdistan zu Freiheitsstrafen verurteilt. Für jeweils sechs Jahre und drei Monate ins Gefängnis wegen des Vorwurfs der „Mitgliedschaft in einer Terrororganisation” sollen die früheren Ko-Bürgermeister*innen der Kreisstadt, Sabahat Çetinkaya und Abdülkerim Erdem, sowie die ehemaligen Mitarbeiter der Stadtverwaltung Cihan Akar, Abdullah Ecer und Mazlum Erek. Etwas mehr, nämlich sieben Jahre und achteinhalb Monate Haft kassierte Murat Özüçalışır. 25 Monate Freiheitsstrafe wegen desselben Vorwurfs verhängte das Gericht gegen Tacettin Aslan und Halit Efe. Sie alle werden der Unterstützung einer Terrororganisation beschuldigt.

Die Stadtangestellten Mürsel Inan und Hüseyin Aydın wurden wegen dem Vorwurf des Umsturzversuches (Zerstörung der verfassungsrechtlichen Ordnung) zu einer erschwerten lebenslänglichen Freiheitsstrafe plus weiteren 18 beziehungsweise zwölf Jahren Haft verurteilt. Diese Art der Freiheitsstrafe ersetzt die seit dem Jahr 2002 in der Türkei abgeschaffte Todesstrafe und dauert nach gültiger Rechtsprechung bis zum physischen Tod. Zwei weitere Personen – Kadri Güneş und Fırat Çelik – wurden freigesprochen, das Verfahren gegen zehn weitere Angeklagte wurde abgetrennt.

Hintergrund des Verfahrens

Im Februar 2016 waren bei provinzweiten polizeilichen Razzien insgesamt 33 Personen wegen fadenscheinigen Terrorismusvorwürfen festgenommen worden, gegen 22 erging Haftbefehl. Parallel wurden die Bürgermeister*innen von Dêrika Çîyayê Mazî abgesetzt und durch einen vom Innenministerium ernannten Zwangsverwalter ersetzt. Da es knapp zwei Jahre dauerte, bis die Generalstaatsanwaltschaft Mardin eine Anklageschrift präsentierte und die Ermittlungsakte als Verschlusssache eingestuft wurde, war lange nicht bekannt, auf welcher Grundlage den Betroffenen der Prozess gemacht werden sollte. Relativ spät wurde erst bekannt, dass den Angeklagten vorgeworfen wird, den Selbstverwaltungswiderstand in Nordkurdistan materiell unterstützt zu haben. So sollen die Bürgermeister*innen sowie Angestellte der Stadtverwaltung Arbeitsgeräte und Kommunalfahrzeuge für den Bau von Schützengräben zur Verfügung gestellt haben. Sabahat Çetinkaya wurde im Dezember 2017 aus der Untersuchungshaft entlassen. Abdülkerim Erdem kam sogar erst im Juni 2019 aus dem Gefängnis.