Menschenmassen strömen zur Newrozfeier in Amed
Hunderttausende Menschen strömen in der nordkurdischen Metropole Amed unter Parolen wie „Jin Jiyan Azadî“ und „Bijî Serok Apo“ zur zentralen Newrozkundgebung.
Hunderttausende Menschen strömen in der nordkurdischen Metropole Amed unter Parolen wie „Jin Jiyan Azadî“ und „Bijî Serok Apo“ zur zentralen Newrozkundgebung.
Das kurdische Widerstandsfest Newroz erreicht mit der zentralen Newrozkundgebung in Amed (tr. Diyarbakır) am 21. März seinen Höhepunkt. Der Abschluss der Newrozfeiern unter dem Motto „Mit dem Newrozfeuer zur Freiheit“ und „Überall Newroz, immer für die Freiheit“ ist den Opfern der Erdbeben vom 6. Februar gewidmet und wird im Newroz-Park in Amed-Rêzan begangen. Schon seit den ersten Sonnenstrahlen strömen die Menschen, allen voran die Jugend und die Frauenbewegung, unter lauten Parolenrufen zum Newrozgelände. Vor den Polizeiabsperrungen bildeten sich schon früh große Menschenmengen. Nach den Kontrollen an den sechs Eingängen zum Gelände beginnen sich die Menschen auf dem Gelände zu versammeln. Journalist:innen müssen drei Kontrollpunkte passieren, um auf das Gelände zu gelangen. Trotz der Polizeipräsenz ließen sich die Menschen nicht einschüchtern und passierten die Kontrollen in ihren kurdischen Trachten. Wie jedes Jahr kamen die jungen Menschen von den Hängen des Qerejdax mit ihren Pferden nach Amed.
Die Menschen trotzen dem Regime der Angst
Auffällig viele Frauen und Jugendliche trugen Schals von Amedspor und gelb-grün-rote Fahnen. Der Fußballverein Amedspor war erst vor kurzem in Bursa zum Ziel faschistischer Angriffe geworden. Tausende rufen „Bijî Serok Apo“ und „Jin Jiyan Azadî“. Diese Entschlossenheit zeigt, dass sich die Menschen nicht einschüchtern lassen, denn jede dieser Parolen und selbst das Zeigen der Farben kann vom AKP/MHP-Regime mit jahrelanger Haft bestraft werden.
Der HDP-Jugendrat und die Demokratischen Studierendenräte (DÖM) marschierten mit einem Transparent mit der Aufschrift „Bi rihê nûjen Kawa, Bi rihê, Kemal Kurkut, ciwanên azad dimeşin“ („Im Geiste des neuen Kawa, im Geiste von Kemal Kurkut marschiert die freie Jugend“) unter „Bijî Serok Apo“-Rufen auf den Festplatz. Als „neuer Kawa“ wird in Anlehnung an die Newroz-Legende der PKK-Gründungskader Mazlum Doğan bezeichnet. Mazlum Doğan opferte sich an Newroz 1982 im Gefängniswiderstand selbst und trug so das Newroz-Feuer in die vom Putsch mundtot gemachte Gesellschaft. Der 23-jährige Kemal Kurkut war am 21. März 2017 in Amed am Rande der Newroz-Feierlichkeiten von einem Polizisten in den Rücken geschossen und getötet worden.
Polizeiprovokationen und kreativer Widerstand
Hunderte von Polizisten werden vor der Bühne eingesetzt. Polizeibeamte, die am Tonmischpult stehen, greifen jedes Mal ein, wenn eine Parole vom Platz gerufen wird. Die HDP-Abgeordnete Feleknas Uca wartete neben der abgesperrten Tonanlage. Die Polizei errichtete eine doppelte Reihe von Absperrungen zwischen der Bühne und dem Platz und baute einen fünf Meter hohen Stacheldrahtzaun auf. Eine große Anzahl von Aufstandsbekämpfungseinheiten wurde vor dem Zaun postiert. Jugendliche kletterten mit Transparenten und Fahnen auf den Zaun und protestierten mit Parolen gegen die Polizei. Die Polizei versuchte einzugreifen, konnte aber die Jugendlichen auf dem hohen Zaun nicht erreichen.
„Freiheit für Öcalan“
Die Menschen auf dem Platz ließen sich nicht einschüchtern und riefen laut weiter „Bijî Serok Apo“ und „Bê Serok jiyan nabe“. Das Bühnenprogramm begann nach einer Schweigeminute für die Gefallenen mit der Forderung nach Freiheit für Abdullah Öcalan. Anschließend wurde unter großem Jubel und Parolen das Newrozfeuer entzündet. Gülistan Atasoy, Ko-Vorsitzende des Provinzverbands der HDP von Amed und Vorsitzende des Organisationskomitees, begrüßte die Menschen auf dem Platz in den kurdischen Dialekten Kurmancî und Kirmançkî und sagte: „Frohes Newroz, Genoss:innen von Deniz Poyraz und Nagihan Akarsel.“ Deniz Poyraz war im Sommer 2021 bei einem Angriff eines türkischen Faschisten auf die HDP-Zentrale in Izmir ermordet worden, die Frauenaktivistin Nagihan Akarsel wurde im Oktober 2022 in der südkurdischen Stadt Silêmanî vom türkischen Geheimdienst MIT ermordet.