HPG veröffentlichen Identität von in Nisêbîn gefallener Kämpferin

„Solange es so tapfere, kämpferische, rebellische und von einem freien Geist beseelte Frauen in unserem Volk gibt, wird die Hoffnung auf ein freies Leben lebendig bleiben“, erklären die HPG zum Tod der Guerillakämpferin Destan Botan in Nisêbîn.

Bei der im Juli im Zentrum der Kreisstadt Nisêbîn (tr. Nusaybin, Provinz Mêrdîn/Mardin) gefallenen Guerillakämpferin handelt es sich um Destan Botan. Das gab das Pressezentrum der Volksverteidigungskräfte (HPG) heute in Behdînan bekannt. Destan Botan habe sich für eine Aufgabe in Nisêbîn aufgehalten und sei am 25. Juli als opferbereite Militante der kurdischen Freiheitsbewegung und mutige Kämpferin der Verbände Freier Frauen (YJA Star) gefallen. Ihr Aufenthaltsort sei von Hunderten Sicherheitskräften umstellt worden, gegen die sie stundenlang alleine gekämpft habe. Um nicht in Gefangenschaft zu geraten, habe sie bis zum letzten Moment gekämpft und sich opferbereit der Karawane der Gefallenen angeschlossen, so die HPG. Damit habe sie die Würde freier Frauen und die apoistische Militanz repräsentiert und die Haltung der YJA Star, sich unter keinen Umständen zu ergeben, unter Beweis gestellt.

„Destan“ bedeutet „Legende“. Die HPG erklären, dass Destan Botans Kampf ebenso wie ihr Name legendär gewesen sei, und betonen ihre mutige Haltung und ihre vorbehaltlose Beteiligung. „Solange es so tapfere, furchtlose, kämpferische, rebellische und von einem freien Geist beseelte Frauen und Vorreiterinnen in unserem Volk gibt, wird die Hoffnung auf ein freies Leben lebendig bleiben“, heißt es in der Erklärung. Die HPG sprechen den Angehörigen, der Bevölkerung von Cizîra Botan und dem Volk Kurdistans ihr Mitgefühl aus.

                               

Codename: Destan Botan
Vor- und Nachname: Kader Acar
Geburtsort: Şirnex
Namen von Mutter und Vater: Leyla–Mehmet
Todestag und -ort: 25. Juli 2023 / Nisêbîn


Destan Botan ist in Cizîr (Cizre, Provinz Şirnex/Şirnak) in der Botan-Region geboren. Aus dieser Region in Nordkurdistan sind bereits mehrere Generationen Freiheitskämpfer:innen hervorgegangen. Die kurdische Befreiungsbewegung ist in Botan fest verankert, bei vielen Kleinkindern gehört die Parole „Bijî Serok Apo“ (Es lebe der Vorsitzende Apo) zu den ersten erlernten Wörtern. Destan wuchs in einem entsprechenden Umfeld auf. Ihr Onkel Abdullah Acar kam als Milizionär der Freiheitsbewegung ums Leben, als sie noch jung war. Sie ging zehn Jahre lang in staatliche Schulen und brach ihre Schullaufbahn ab, weil sie diese als Instrument der Assimilierung erkannte. 2014 ging sie in die Berge und schloss sich der Guerilla an.


Das Guerillaleben war ein lang gehegter Traum, den Destan Botan wahrmachte und in vollen Zügen genoss. Als junge Frau ließ sie die gesellschaftlichen Zwänge zurück und tauchte mit großer Begeisterung in die kollektive Atmosphäre ein, die sie als Raum für unbegrenzte Entwicklungsmöglichkeiten und Freiheit empfand. Sie erkannte, dass die Guerilla nicht nur eine bewaffnet kämpfende Armee ist, sondern gleichzeitig den Prototyp für ein freies Leben darstellt, eine Gemeinschaft, in der individualistische und konsumorientierte Gewohnheiten überwunden werden.


Nach ihrer Grundausbildung in Heftanîn ging Destan Botan in die Praxis. Während sie erste Erfahrungen im Guerillaleben sammelte, bildete sie sich in Eigeninitiative weiter. Sie las viel und beschäftigte sich mit der von Abdullah Öcalan vorgelegten Frauenbefreiungsideologie und der Geschichte Kurdistans. Die HPG beschreiben Destan Botan als aufgeweckte, fleißige und intelligente Frau, die das, was sie lernte und für richtig befand, konsequent im Leben umsetzte.

Als der selbsternannte „Islamische Staat“ (IS) im August 2014 in Şengal einfiel, war Destan unter den mutigen Kämpfer:innen, die aus den Bergen in die Region kamen, um die ezidische Bevölkerung gegen den Völkermord zu verteidigen. „Sie nahm an verschiedenen Arbeiten in Şengal teil, kämpfte atemlos und zeigte großen Einsatz für die Freiheit unseres ezidischen Volkes. Während sie hohe Werte für eine freie Zukunft der Ezid:innen erschuf, lernte sie viel von der Bevölkerung. Hevala Destan gewann an Erfahrung und kam zurück in die Medya-Verteidigungsgebiete, als die HPG sich 2018 für den vollständigen Abzug aus Şengal entschieden“, schreiben die HPG in ihrem Nachruf.

Zurück in den Bergen nahm Destan Botan an einem Lehrgang an einer Militärakademie teil und wurde zur Scharfschützin ausgebildet. Sie hatte eine schnelle Auffassungsgabe und konnte ihre im ideologischen und militärischen Bereich gewonnenen Erkenntnisse zielgerecht anwenden. Nach dem Abschluss ihrer Ausbildung bildete sie in den folgenden zwei Jahren selbst Kämpfer:innen aus. In dieser Zeit lernte sie, was eine Kommandantin ausmacht. Sie entwickelte ihre Persönlichkeit und übernahm in führender Position Verantwortung.

Als freie Frau und Militante der PKK und PAJK handelte Destan im Bewusstsein ihrer historischen Aufgabe und wollte nach ihrer Zeit als Ausbilderin praktische Aufgaben übernehmen. Ihre Sehnsucht galt Nordkurdistan und vor allem Botan. Sie war von ganzem Herzen davon überzeugt, dass Frauen eine Führungsmission zufällt, und sie sah sich dazu in der Lage. Das zeigte sie in allen Momenten des Lebens. Sie gab sich nicht mit dem Bestehenden zufrieden und wollte ständig Neues, Schönes und Besseres erschaffen. Dabei zeigte sie sich dynamisch und war immer auf der Suche. Sie konzentrierte sich auf die Aufgaben, die Frauen und der Jugend in der Strategie des revolutionären Volkskriegs zufallen, und nahm an der Arbeit der YPS (Yekîneyên Parastina Sîvîl / Zivile Verteidigungseinheiten) teil, um neue Kampfmethoden zu entwerfen.

„Hevala Destan wusste, dass Freiheit ohne einen Preis nicht möglich ist. Sie widmete sich selbstlos der Erschaffung freier Lebensmöglichkeiten, die der Feind uns vollständig genommen hatte“, schreiben die HPG. Ein besonderes Anliegen war für sie der Kampf gegen Verrat. Sie war wütend auf die Verräter, Agenten und Kollaborateure aus ihrem eigenen Volk und sagte, dass Verrat eine ständige Gefahr für eine freie Zukunft sei. Die HPG würdigen Destan Botan als Heldin und Repräsentantin des Widerstandstradition von Botan, die sich nicht ergeben hat und in die Kampfgeschichte des kurdischen Volkes eingegangen ist.