HPG-Kommandant Agir Tilezer im Zap-Widerstand gefallen

Agir Tilezer war Ezide und Überlebender des IS-Genozids in Şengal. Im Juni ist er bei einem türkischen Angriff in der Zap-Region gefallen. Die HPG würdigen ihn als einen der führenden Kommandierenden im Widerstand gegen die Besatzung Südkurdistans.

Der Guerillakämpfer Agir Tilezer ist am 11. Juni bei einem Angriff der türkischen Armee in der südkurdischen Region Zap gefallen. Das teilt das Pressezentrum der Volksverteidigungskräfte (HPG) mit. Agir Tilezer war Ezide und stammte aus Şengal. Die HPG würdigen ihn als unsterblichen Kommandanten und Pionier der Guerillaoffensive „Bazên Zagrosê“ und erklären: „Wir begreifen es als unsere Pflicht, die von Hevalê Agir an uns übergebene Kampffahne in den Sieg zu tragen. Hevalê Agir trug sie mit dem hohen Bewusstsein, den Werxelê-Gefallenen würdig zu sein. So wie er uns bereits zu Lebzeiten den Weg des Widerstands ebnete, gilt er auch nach seinem Anschluss an die Karawane der Gefallenen als bedeutender Schrittmacher. Unsere Verbundenheit gilt den Spuren, die er uns hinterlassen hat. Wir sprechen der wertvollen Familie unseres Weggefährten Agir und der gesamten Bevölkerung von Şengal unser Mitgefühl aus.“

                               

Codename: Agir Tilezer

Vor- und Nachname: Xalid Qasim

Geburtsort: Şengal

Namen von Mutter und Vater: Zîn – Qasim

Todestag und -ort: 11. Juni 2022 / Zap

 

Agir Tilezer wurde als Kind einer dem kurdischen Widerstand verbundenen Familie im ezidischen Dorf Dugurê geboren. Es handelt sich um ein sogenanntes „Modelldorf“ nördlich des Çiyayê Şengalê, das erst Ende der 60er Jahre gegründet wurde. Für die Ansiedlung der Ezidinnen und Eziden waren damals andere ezidische Dörfer entvölkert worden. 1965 hatte das irakische Baath-Regime im Zuge seiner rassistischen Arabisierungspolitik entschieden, die ezidischen Dörfer des Çiyayê Şengalê zu zerstören und die Bewohnenden zur Umsiedlung zu zwingen.

Im August 2014 wurde Dugurê von der Terrororganisation „Islamischer Staat“ (IS) überfallen und besetzt. Agir Tilezer wurde Zeuge des Genozids und Femizids, den die Dschihadistenmiliz an der ezidischen Bevölkerung verübte. Er befand sich unter jenen Menschen, denen nur die Flucht ins Gebirge blieb, um für ihr Überleben angesichts mordender IS-Banden zu kämpfen. Er überlebte und schloss sich später den Widerstandseinheiten Şengals (YBŞ) an, die unter dem Eindruck des Völkermords gegründet worden waren, um die Selbstverteidigung der ezidischen Gesellschaft zu sichern.


Als Mitglied der YBŞ beteiligte Agir Tilezer sich an diversen Offensiven gegen den IS, auch in der „heißen Phase“ des Widerstands gegen den Terror. Hier lernte er auch die Guerilla der PKK kennen, die 2014 nach Şengal geeilt war, um die ezidische Bevölkerung gegen den IS-Genozid zu verteidigen. Rund drei Jahre hielten sich die Kämpferinnen und Kämpfer der HPG und YJA Star in der Region auf und leisteten Unterstützung bei der Ausbildung, Verteidigung und Organisierungsarbeit. Im Frühjahr 2018, nach getaner Arbeit, zog sich die Guerilla aus Şengal zurück. Agir Tilezer schloss sich ihrem Weg an und ging in die Berge Kurdistans. „Er tat dies, weil er sich verantwortlich fühlte für die Befreiung des gesamten kurdischen Volkes“, so die HPG.

„Angekommen in den Medya-Verteidigungsgebieten, hat Agir Tilezer sich selbst die Mission auferlegt, in die Tiefen der Realität von Rêber Apo abzutauchen.“ Er studierte die Philosophie Abdullah Öcalans und griff dessen Ideen einer moralisch-politischen Gesellschaft auf, die bei dem kurdischen Vordenker die Grundlage einer gesunden und im Einklang mit der Natur existierenden Menschheit ist. In diesem Sinne fügte Agir Tilezer sich schnell in das Leben in den Bergen ein. „Besonders angetan hatte ihn die Schönheit der Natur in Avaşîn“, schreiben die HPG in ihrem Nachruf auf Agir Tilezer. Hier vertiefte er auch seine Kenntnisse in Sachen Taktik und Kriegsführung im Kampf gegen die türkische Besatzung. Er kämpfte im Widerstand von Werxelê, nachdem die türkische Armee im April ihre bis heute andauernde Invasion in Südkurdistans einleitete, und war maßgeblich daran beteiligt, die mobilen Guerillaeinheiten zu organisieren, deren Rolle im Krieg entscheidend ist. Zuletzt war Agir Tilezer im Rahmen der „revolutionären Guerillaoffensive Bazên Zagrosê“ in der Zap-Region im Einsatz. Auch dort trug er wesentlich dazu bei, dass den türkischen Besatzungstruppen massive Schläge versetzt wurden. Vor allem im sogenannten Tunnelkrieg war seine Rolle bedeutend.

„Als HPG versprechen wir, den Traum von Hevalê Agir Tilezer und aller anderen gefallenen Freundinnen und Freunde unserer Reihen zu erfüllen und das Ideal der Freiheit zu verwirklichen.“