HPG gedenken 2018 in Avaşîn gefallener Kämpfer

Die HPG haben die Namen von vier Kämpfern veröffentlicht, die 2018 bei Angriffen auf Avaşîn gefallen sind: Umut Jirkî, Serhed Partîzan, Xeyrî Azad und Egîd Zaza. Letzterer ging aus Deutschland zur Guerilla und floh zweimal aus dem türkischen Gefängnis.

Die Volksverteidigungskräfte (HPG) haben die Namen von vier ihrer Mitglieder veröffentlicht, die 2018 bei Luftangriffen des türkischen Staates in Avaşîn ums Leben gekommen sind. Die Angriffe damals waren in Reaktion auf effektive Aktionen der Gefallenen gegen Besatzungstruppen in der südkurdischen Region erfolgt, erklären die HPG. Bei den Gefallenen handelt es sich um den Guerillakommandanten Egîd Zaza und die Kämpfer Agir Umut Jirkî, Serhed Partîzan und Xeyrî Azad. Die HPG sprechen ihren Angehörigen und dem kurdischen Volk ihr Mitgefühl aus.

                              

Codename: Egîd Zaza

Vor- und Nachname: Osman Kılıç

Geburtsort: Çewlîg

Namen von Mutter und Vater: Saime – Abdullah

Todestag und -ort: 11. August 2018 / Avaşîn

 

 

Codename: Agir Umut Jirkî

Vor- und Nachname: Islam Özdemir

Geburtsort: Burdur

Namen von Mutter und Vater: Sürme – Hadi

Todestag und -ort: 11. August 2018 / Avaşîn

 

 

Codename: Serhed Partîzan

Vor- und Nachname: Abdurrahman Yaşa

Geburtsort: Amed

Namen von Mutter und Vater: Zaliha – Mehmet

Todestag und -ort: 11. August 2018 / Avaşîn

 

 

Codename: Xeyrî Azad

Vor- und Nachname: Doğan Yüzgüleç

Geburtsort: Wan

Namen von Mutter und Vater: Makbule – Hasan

Todestag und -ort: 11. August 2018 / Avaşîn

 

Egîd Zaza

Egîd Zaza wurde in Çewlîg (tr. Bingöl) geboren. Er wuchs in einem der kurdischen Befreiungsbewegung nahestehenden familiären Umfeld auf und erlangte bedingt durch die Kriegsrealität in Kurdistan und Unterdrückung des kurdischen Volkes bereits früh ein Bewusstsein für Gerechtigkeit, Frieden und Bewahrung der Würde. Als Heranwachsender wurde er bei der kurdischen Jugendbewegung aktiv und setzte dieses Engagement auch in Deutschland fort, wo er einige Jahre lebte. 2003 entzog er sich dem System der kapitalistischen Moderne und ging in die Berge. Er kehrte zurück nach Nordkurdistan und beteiligte sich zunächst an der Guerillaoffensive vom 1. Juni 2004, bevor er vier Jahre lang an den Fronten von Erzîrom (Erzurum) im Einsatz war und sich federführend an diversen Aktionen gegen die türkische Armee beteiligte. Ende 2009 entschieden Egîd Zaza und seine Einheit, sich nicht wie gewöhnlich ins Winterquartier zurückzuziehen und stattdessen den bewaffneten Kampf fortzusetzen. „Doch weil sie keine geeigneten Ziele fanden, gingen sie nach Istanbul“, schreiben die HPG in ihrem Nachruf auf Egîd Zaza. Die Gruppe wollte den Feind in dessen Herzen treffen. Unglückliche Umstände führten jedoch zur Verhaftung des Kämpfers.

YJA-Star-Kämpferin Avesta Sîpan über Egîd Zaza

Zweimal aus dem türkischen Gefängnis ausgebrochen

Egîd Zaza kam in ein türkisches Hochsicherheitsgefängnis in seiner Geburtsstadt Çewlîg. In diesem Knast war er federführend daran beteiligt, als 18 PKK-Gefangene 2013 den längsten je von Inhaftierten gegrabenen Tunnel in der Geschichte der Türkei bauten und flüchteten. Zwar wurden 17 von ihnen bald darauf wieder gefasst, doch schon drei Jahre später setzte Egîd Zaza gemeinsam mit weiteren Genossen einen weiteren spektakulären Fluchtplan – diesmal im Gefängnis von Diyarbakır (ku. Amed) – in die Tat um, an dessen Ende sie auf abenteuerlichem Weg zurück in die Berge gelangten. Nach einem kurzen Zwischenstopp im Gebirge von Amed erreichte Egîd Zaza das Zagros-Massiv. Die Jahre im Gefängnis hatten seine Fähigkeiten im Guerillakampf nicht geschwächt, so die HPG, sodass er sich mühelos zu einem Frontkommandanten entwickelte. Als solcher wechselte er an die Front von Avaşîn, wo er praktisch alle Aktionen gegen die Invasion Südkurdistans anführte. „Hevalê Egîd und alle anderen Gefallenen unseres Kampfes sind eine Fackel, die unseren weiteren Weg beleuchten. Sie sind unsere Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft und immer und überall unsere Hauptkraftquelle“, erklären die HPG.

Agir Umut Jirkî

Agir Umut Jirkî wurde als Sohn einer dem Jirkî-Stamm angehörenden kurdischen Familie in der Provinz Burdur im Südwesten der Türkei geboren. Seine ursprünglich aus der Botan-Region stammenden Eltern waren politisch aktiv und standen der kurdischen Bewegung nahe, entsprechend erzogen sie ihre insgesamt neun Kinder. 2007, die Familie war zwischenzeitlich nach Adana gezogen, wurde Jirkîs Vater Hadi Özdemir extralegal hingerichtet. Laut den Archiven von Menschenrechtsorganisationen hatte der 64-Jährige, der immer wieder von der türkischen Polizei bedroht wurde, am 2. April 2007 das Haus verlassen, um zur Bank zu gehen. Seine gefolterte Leiche wurde mehr als eine Woche später von Spaziergängern im Fluss Ceyhan entdeckt. Die Familie geht davon aus, dass Hadi Özdemir Opfer eines Staatsmordes wurde. Der Fall wurde nie aufgeklärt.

Der Verlust des Vaters prägte Agir Umut Jirkî. Er verließ die Universität und nahm verschiedene Jobs an, um zum Unterhalt der Familie beizutragen. Gleichzeitig war er politisch aktiv. Diesen Aktivismus steigerte er 2014 im Zuge des Genozids und Femizids der Terrororganisation „Islamischer Staat“ (IS) in der ezidischen Şengal-Region und dem darauf mit Rückendeckung der Führung in Ankara folgenden Großangriff auf Kobanê in Rojava. 2015 fasste er den Entschluss, in die Berge zu gehen. „Nur auf diese Weise, dachte Hevalê Agir, sei es möglich, dem Feind zu dessen gerechter Antwort zu verhelfen“, schreiben die HPG. „Er wollte Rache für das Unrecht, das unserem Volk angetan wurde.“


Deshalb ging Agir Umut Jirkî 2015 zunächst nach Şengal. Tief beeindruckt von dem selbstlosen Widerstand der Guerilla für den Schutz der Ezidinnen und Eziden in deren Hauptsiedlungsgebiet wechselte er später nach Avaşîn. Er erlernte an der Militärakademie Şehîd Mehmet Goyî die Künste der Kriegsführung und galt früh als Experte auf dem Gebiet der modernen Guerillataktik. Auch auf ideologischer Ebene vertiefte er sein Wissen. Nach HPG-Angaben war er an nahezu allen Offensiven in Avaşîn gegen die Besatzung beteiligt.

Serhed Partîzan

Serhed Partîzan wurde in Sûr, dem Altstadtbezirk der kurdischen Widerstandshochburg Amed, geboren. Er wuchs in einem Elternhaus auf, das eine tiefe Verbundenheit zur Befreiungsbewegung Kurdistans verspürte, und lernte die PKK bereits als Kind kennen. Gleichzeitig wurde er früh Zeuge und auch Betroffener der Realität des Feindes, der in Kurdistan besonders in den 2000er Jahren wieder intensiv auf Methoden des weißen Genozids setzte. Dieser Begriff wird häufig im Zusammenhang nicht-physischer Formen von Ethnozid und Völkermord wie Vertreibung, Assimilation, Vernichtung des kulturellen Erbes und der Geschichte usw. im Kontext mit Gräueltaten an Kurd:innen, aber auch Armenier:innen, Suryoye und Ezid:innen verwendet.


Als der IS im Herbst 2014 Kobanê umzingelte, beteiligte sich Serhed Partîtan, der kurz zuvor die Schule nach der elften Klasse abgebrochen hatte, an den Protesten am 6. und 7. Oktober. Diese richteten sich im Wesentlichen gegen die türkische Schützenhilfe für die Terrorgruppe, die in Kobanê Massaker an der Zivilbevölkerung verübte. 2015 schloss sich Serhed Partîzan in Amed der Guerilla an. Er blieb eine Weile in den Bergen seiner Geburtsstadt, bevor er in die Medya-Verteidigungsgebiete wechselte und ideologische wie militärische Ausbildungsprogramme durchlief. Anschließend kämpfte er in Gare, bevor er zuletzt nach Avaşîn ging.

Xeyrî Azad

Xeyrî Azad wurde in Westan (Gevaş) bei Wan geboren. Auch er wuchs in einem von der kurdischen Widerstandstradition geprägten Umfeld auf und lernte die Befreiungsbewegung schon früh kennen. Als Heranwachsender galt sein Interesse der 2012 in Rojava aufkommenden Revolution. Er verfolgte jeden Schritt dieser Entwicklung, die als eine der wichtigsten in der Geschichte des kurdischen Volkes überhaupt gilt, und unterstützte auf verschiedene Weise den Aufbau des alternativen Gesellschaftsmodells in Rojava. Der Guerilla schloss er sich 2015 in Reaktion auf die Angriffe der Türkei und des IS gegen das Projekt Rojava an. Er ging von Wan aus in die Berge und zog weiter nach Heftanîn in Südkurdistan, wo er rund zwei Jahre lang blieb, sein ideologisches Wissen vertiefte und militärische Fähigkeiten erlernte. Bevor er an die Front von Avaşîn ging, eignete Xeyrî Azad sich technische Fertigkeiten und Fachwissen rund um den Einsatz von verschiedenen Kriegswaffen an. Diese Expertise gab er in Avaşîn an andere weiter und setzte sie in Projekten für den Aufbau einer neuen Guerillainfrastruktur ein.


„Von dem Moment an, als sich Egîd Zaza, Agir Umut Jirkî, Serhed Partîzan und Xeyrî Azad in die Reihen des Kampfes eingliederten, bis zu ihrem Gefallenentod waren unsere Freunde aufrichtige und ehrenwerte Menschen, die mit einer selbstlosen und unerschütterlichen Haltung die apoistische Philosophie zur Grundlage ihres Lebens machten. Sie sind Helden und haben sich dem Freiheitskampf eines Volkes verschrieben, das Subjekt eines Genozids werden soll. Nun sind Egîd, Agir Umut, Serhed und Xeyrî Teil der Karawane der Unsterblichen. Wir gedenken ihrer mit Liebe, Respekt und Dankbarkeit“, erklären die HPG.