„Kobanê-Ermittlungen“: Vermögenswerte von Beschuldigten eingefroren

Im Zusammenhang mit den sogenannten „Kobanê-Ermittlungen“ sind die Vermögenswerte von mehr als neunzig Personen eingefroren worden. Die Begründung des Gerichts lautet: Beteiligung an der Finanzstruktur hinter den Kobanê-Protesten von 2014.

Im Zusammenhang mit den sogenannten „Kobanê-Ermittlungen“ sind die Vermögenswerte von mehr als neunzig Personen eingefroren worden. Die Maßnahme wurde am bereits am Freitag auf Anordnung eines Gerichts in Ankara getroffen. Bei den insgesamt 91 Betroffenen handelt es sich um Aktive und in der Politik tätige Personen aus dem Umfeld der Demokratischen Partei der Völker (HDP), gegen die eine Festnahmeanordnung vorliegt. Mehr als die Hälfte von ihnen war am Dienstag bereits bei einer großangelegten Polizeioperation in dreizehn Städten des Landes festgenommen worden.

Die Massenfestnahmen erfolgten auf Anordnung der Staatsanwaltschaft Ankara wegen angeblicher „Beteiligung an der Finanzstruktur hinter den Kobanê-Auseinandersetzungen und materieller Hilfe für die Familien von verletzten oder verstorbenen PKK-Mitgliedern“. Bisher sind 48 Personen in Städten wie Mersin, Wan, Adana, Istanbul, Amed (tr. Diyarbakir) und Riha (Urfa) festgenommen und nach Ankara gebracht worden. Unter den Beschuldigten befinden sich auch frühere Bürgermeister:innen und ehemalige Angestellte zwangsverwalteter Kommunen, die zuvor von der HDP geführt wurden. Die Sperrung von Bankkonten und anderen finanziellen Vermögenswerten wurde gleichermaßen mit dem Etikett „Terrorismusfinanzierung“ begründet.

Ebenfalls am Freitag ist die Dauer der in Polizeihaft sitzenden Personen auf Antrag des ermittelnden Staatsanwalts um vier Tage verlängert worden. In dem Verfahren wurde außerdem eine Geheimhaltungsverfügung verhängt. Bisher bekannt ist, dass die Ermittlungen auf den Aussagen eines anonymen Zeugen basieren, der im laufenden „Kobanê-Prozess“ mit 108 Angeklagten aus Politik, Zivilgesellschaft und der kurdischen Befreiungsbewegung bereits unter dem Namen „Ulaş“ aufgetreten ist. Auf der Fahndungsliste stehen unter anderem die ehemaligen DBP-Vorsitzenden Sebahat Tuncel, Emine Ayna und Kamuran Yüksek. Die kurdische Politikerin Sebahat Tuncel ist seit 2016 im Gefängnis und bereits Kobanê-Prozess angeklagt. Emine Ayna ist im selben Verfahren nach längerer Untersuchungshaft freigelassen worden. 21 Personen, die zur Fahndung ausgeschrieben sind, befinden sich im Ausland. Die HDP glaubt, dass die türkische Regierung mit den erneuten Massenfestnahmen verhindern will, dass der Schauprozess im laufenden Kobanê-Verfahren platzt.

„Kobanê-Auseinandersetzungen“

Mit „Kobanê-Auseinandersetzungen“ sind die Proteste vom Herbst 2014 gemeint. Als es am Abend des 6. Oktober jenes Jahres der Terrormiliz „Islamischer Staat“ (IS) nach 21 Tagen Widerstand der Verteidigungseinheiten YPG/YPJ sowie der Bevölkerung von Kobanê gelungen war, ins Zentrum der westkurdischen Stadt einzudringen, hatte die HDP angesichts der kritischen Situation die Öffentlichkeit zu einem unbefristeten Protest gegen die türkische Regierung aufgerufen, da diese ihre Unterstützung für den IS nicht beendete. Im Zuge dessen kam es in vielen Städten zu regelrechten Straßenschlachten zwischen Sicherheitskräften und Demonstrierenden. . Dabei wurden Dutzende Menschen (die Zahlen schwanken zwischen 37 laut Regierung und 46 laut IHD), größtenteils HDP-Mitglieder, getötet. Über 600 Teilnehmende der Proteste wurden verletzt, mehr als 300 landeten binnen weniger Tage in Untersuchungshaft. Die meisten Todesopfer gab es in Amed. Neben Polizei und Armee eröffneten dort auch Anhänger der radikalislamistischen türkisch-kurdischen Hizbullah und der ihr nahestehenden Partei Hüda Par das Feuer auf Demonstrierende. Ein Großteil der Getöteten starb bei Angriffen dieser offen mit dem IS sympathisierenden Organisationen beziehungsweise bei nachfolgenden Auseinandersetzungen von Aktivisten mit Islamisten. Hüda-Par-Anhänger sollen Protestierende sogar verschleppt, gefoltert und dann der Polizei zur Festnahme übergeben haben.

Namen von 47 Festgenommenen

Bisher sind nicht alle Namen auf der Fahndungsliste bekannt. Bei 47 der 48 in Gewahrsam in Ankara befindlichen Personen handelt es sich um: Zeki Çelik, Mehmet Akın, Hafize İpek, Gülüm Bayram, Mehmet Koyuncu, Burhanettin Bedüş, Metin Kılavuz, Fazıl Türk, Selami Turhan, Hasan Uğur Çat, Ülfiye Özcan, Osman Kaya, Navaf Ok, Hüseyin Daş, Fecri Tayfur, Sevim Soylu, Mehmet Mustafa Bilgiç, Şefik Özbey, Necmettin Aslan, Mehmet Sarih Zümrüt, Eyüphan Öcal, Erdal Avcı, Sonay Avcı, Fesih Yalçın, Halis Bilen, Atalay Bayrak, Hakim Güneş, Suphi Güneş, Ümit Güneş, Nizamettin Onar, Mustafa Demir, Nihat Salmış, Nihat Gezici, Murat Kaçar, Halil Aslanlı,Hüseyin Vural, Berat Anlı, Abdullah Bozkoyunlu, Kemal Ünver, Seydoş Danış, Gülşen Duran, Zana Döner, Selçuk Tazgel, Rasim Çelik, Ayşe Kaçar, Murat Demirkıran und İlyas Tekin.