Proteste nach Massenfestnahmen gewaltsam unterdrückt

Nach den Massenfestnahmen im Zuge der „Kobanê-Ermittlungen“ in der Türkei werden Proteste gewaltsam unterdrückt. In Istanbul kam es zu Auseinandersetzungen, die HDP-Politikerin Ilknur Birol erklärte, ihre Partei lasse sich nicht einschüchtern.

Nach der Festnahmeoperation im Zuge der sogenannten „Kobanê-Ermittlungen“ in 13 Provinzen in der Türkei versucht die Polizei, Proteste gegen die Repression brutal zu unterdrücken. In Istanbul kam es bei einer Protestaktion zu mehreren Festnahmen. Der HDP-Kreisverband in Kadiköy wurde mit Gittern abgesperrt, die protestierende Menschenmenge, darunter die HDP-Abgeordneten Musa Piroğlu, Zeynel Özen und Ali Kenanoğlu sowie die Istanbuler HDP-Vorsitzenden Ilknur Birol und Ferhat Encü, wurden von der Polizei angegriffen. Piroğlu stürzte bei dem Angriff aus seinem Rollstuhl. Journalist:innen wurden mit Gewalt abgedrängt.

Ilknur Birol erklärte bei dem Protest, dass die Regierung mit den erneuten Massenfestnahmen verhindern will, dass der Schauprozess im laufenden Kobanê-Verfahren platzt. Alle Anklagepunkte seien im Laufe der Verhandlungen widerlegt worden, darüber hinaus seien die Mafia-Verbindungen des vorsitzenden Richters bekannt geworden. „Weder das Verbotsverfahren gegen die HDP und der Kobanê-Prozess noch die nächtlichen Massenfestnahmen werden uns einschüchtern können, denn wir sind im Recht. Millionen Menschen stehen hinter der HDP und wir werden unseren aufrechten Gang fortsetzen“, so die Istanbuler HDP-Vorsitzende Ilknur Birol.

Bisher 46 Festnahmen

Die erneuten Massenfestnahmen erfolgten auf Anordnung der Staatsanwaltschaft Ankara wegen angeblicher „Beteiligung an der Finanzstruktur hinter den Kobanê-Auseinandersetzungen und materieller Hilfe für die Familien von verletzten oder verstorbenen PKK-Mitgliedern“. Bisher sind 46 Personen in ihren Wohnungen in Mersin, Wan, Adana, Istanbul, Amed und Riha (tr. Urfa) festgenommen worden. Unter den 91 Beschuldigten befinden sich ehemalige Bürgermeister:innen und zahlreiche weitere HDP-Mitglieder. In dem Verfahren wurden eine Geheimhaltungsverfügung und ein Anwaltsverbot verhängt.

Aussagen eines „anonymen Zeugen“

Die Ermittlungen basieren auf den Aussagen eines anonymen Zeugen, der im Kobanê-Prozess bereits unter dem Namen „Ulaş“ aufgetreten ist. Auf der Fahndungsliste stehen unter anderem die ehemaligen DBP-Vorsitzenden Sebahat Tuncel, Emine Ayna und Kamuran Yüksek. Die kurdische Politikerin Sebahat Tuncel ist seit Jahren im Gefängnis und bereits im laufenden Kobanê-Prozess angeklagt. Emine Ayna ist im selben Verfahren nach längerer Untersuchungshaft freigelassen worden. 21 Personen, die zur Fahndung ausgeschrieben sind, befinden sich im Ausland.

Namen von 34 Festgenommenen

Bisher sind nicht alle Namen auf der Fahndungsliste bekannt. Bei 34 der 46 Festgenommenen handelt es sich um Fazıl Türk, Hasan Çat, Selami Turan, Ülfiye Özcan, Rechtsanwalt Metin Kılavuz, Zeki Çelik, Mustafa Bilgiç, Şefik Özbey, Şahin Eroğlu, Ilyas Tekin, Selçuk Tazgel, Nihat Gezici, Mehmet Akın, Hafize Ipek, Gülüm Bayram, Mehmet Koyuncu, Burhan Bedüş, Osman Kaya, Fecri Tayfur,  Necmettin Aslan, Mehmet Sarih Zümrüt, Eyüp Öcal, Erdal Avcı, Suna Avcı, Fesih Yalçın, Halis Bilen, Atalay Bayrak, Hakim Güneş, Süphi Güneş, Ümit Güneş, Nizamettin Onar, Mustafa Demir, Nihat Salmış und Murat Kaçar. Sie sollen nach Ankara überführt werden.

Zudem sind einige weitere Namen auf der Fahndungsliste bekannt geworden: Dindar Mercan, Ümit Aydın, Ramazan Morkoç,  Emrullah Çelik,  Ferit Çelik, Seydoş Danış, Gülşen Duran, İlyas Tekin,  Nejat Parıldar, Ferhat Alkan.