Internationalist:innen aus vielen Ländern der Welt kämpfen zur Verteidigung der Revolution von Rojava oder wirken an ihrem Aufbau mit. Einer von ihnen ist der aus Polen stammende Internationalist Heval Agit (Jozef Krol). Agit ist 33 Jahre alt und hatte sich 2018 den Reihen von YPG-International angeschlossen. Er berichtet gegenüber der Tageszeitung Yeni Özgür Politika, er sei zum ersten Mal mit dem kurdischen Freiheitskampf während des Krieges um Kobanê konfrontiert gewesen. Als Efrîn dann angegriffen wurde, habe er sich entschlossen, an der Verteidigung der Region teilzunehmen. „Die Kriegsverbrechen, die der türkische Staat begangen hat, und das Schweigen der Weltöffentlichkeit dazu, sind unerträglich“, stellt Agit angesichts der Besetzung Efrîns fest und kritisiert die Unterstützung der Invasion durch die EU, Russlands und der UN durch ihre Billigung und ihr Schweigen.
„Eine Revolution des gesamten Nahen Ostens“
Agit unterstreicht die wichtige Rolle des Internationalismus in der Revolution von Rojava und fährt fort: „Internationalist:innen waren während des Kobanê-Kriegs intensiv an der Revolution beteiligt. Viele von ihnen sind für die Revolution gefallen. Internationalist:innen lernen von den kurdischen Kämpfer:innen und umgekehrt. Obwohl die Beteiligung aus dem Westen sehr ausgeprägt ist, gibt es auch eine sehr bedeutende Beteiligung aus dem Nahen Osten und anderen Teilen der Welt. Wir haben viele Freund:innen hier aus Iran, Irak, Armenien, den arabischen Ländern und Aserbaidschan. Es gibt hier auch viele revolutionäre Freund:innen aus der Türkei. Unsere Priorität ist es, einen neuen Völkermord zu verhindern und dagegen vorzugehen. Dies ist nicht nur die Revolution des kurdischen Volkes, sondern die Revolution des gesamten Nahen Ostens."
„Im Kapitalismus ist Konsum wertvoller als das Leben“
Der Kapitalismus sei die Quelle aller globalen Probleme, und auch wenn die Menschheit untergehen werde, sollte dazu keine Alternative geschaffen werden, sagt Agit: „Globale Erwärmung, Hunger, Krieg, ökologische Zerstörung sind direkt mit dem Kapitalismus verbunden.“ Er erklärt, dass der Kapitalismus die Kultur des Konsums für wertvoller hält als das Leben: „Während der Kapitalismus das Individuum, das konsumiert und nur an sich selbst denkt, fördert, schließt er diejenigen aus, die sich mit der Gesellschaft verbinden, ein kollektives Leben aufbauen und für die Gesellschaften, Völker und Werte als Prinzipien eintreten. Man versucht, sie durch den Tod zu disziplinieren.“
„Die Alternative lebt in Rojava“
Der Internationalist betont, in Rojava sei eine Alternative zum Kapitalismus aufgebaut worden, der demokratische Konföderalismus. Die Revolution basiere auf einer kooperativen und kommunalen egalitären Gesellschaft, auf Ökologie, der Freiheit der Frauen und einer kooperativen Ökonomie. Agit hebt jedoch auch hervor: „Wir alle wissen, dass nichts getan werden kann, ohne die Mentalität zu ändern.“ Daher sei die Rojava-Revolution auch eine Revolution des Bewusstseins.
„Kurdische Kultur wurde vor der Vernichtung bewahrt“
Er weist auch auf die Bedeutung der Revolution für die zuvor von der Auslöschung bedrohten kurdischen Identität hin und sagt: „Die Rechte des kurdischen Volkes wurden vor der Revolution nicht anerkannt, sie wurden nicht einmal als Bürger:innen zweiter Klasse betrachtet. Zu Beginn der Revolution waren die Kurd:innen von einem kulturellen und physischen Völkermord durch die Besatzer und den IS bedroht. Die Revolution hat dies verhindert. Kurdisch ist nicht länger eine verbotene Sprache. Es wurden neue Universitäten eröffnet, und Kurd:innen studieren dort in ihrer Muttersprache. Dies ist an sich schon eine große revolutionäre Leistung. Die kurdische Kultur, die von kultureller Assimilierung bedroht war, hat sich im Nahen Osten erhalten.“
„Frauen stehen heute in vorderster Reihe der Revolution“
Die Errungenschaften des Frauenkampfes betrachtet Agit als entscheidenden Punkt der Revolution: „Frauen, die vor der Revolution von vielen Lebensbereichen ferngehalten und versklavt wurden, stehen heute in der vordersten Reihe der Revolution. Die Frauen haben hier größere Schritte in der Revolution gemacht als unsere Genoss:innen im Westen. Denn sie haben ihre eigene Selbstverteidigung geschaffen. Die YPJ sind das wichtigste Beispiel dafür. Was die Freiheit betrifft, so ist die Situation der Frauen hier der im Westen weit voraus. Sie haben Autonomie, und der wirkliche Kampf der Frauen ist hier organisiert worden.“
„Der türkische Staat will alles vernichten“
Eine weitere Errungenschaft sei die kommunale Ökonomie, die trotz all der Angriffsdrohungen aufgebaut werde, betont Agit und warnt hinsichtlich der Drohungen des türkischen Staates und seiner Kollaborateure: „Es gibt Angriffsdrohungen seitens des türkischen Staates und des Regimes und diese Invasionsdrohungen werden von der PDK unterstützt. Rojava wäre wirtschaftlich viel weiter fortgeschritten, wenn es nicht ständig Druck, Angriffen und Embargos ausgesetzt wäre.“ Die türkische Aggression sei jedoch nichts Neues: „Innerhalb von 100 Jahren wurden Armenier:innen, Kurd:innen, Assyrer:innen, Chaldäer:innen, Griech:innen und Ezid:innen mit Genoziden überzogen.“ Erdoğans Hauptziel sei die Vernichtung der kurdischen Freiheitsbewegung und der kurdischen Identität.
„Erdoğans System ist am Ende“
„Man muss die jüngsten Invasionsdrohungen des türkischen Staates im Zusammenhang mit der Innenpolitik in der Türkei sehen. Die türkische Wirtschaft steht wegen Erdoğans Politik vor dem Zusammenbruch. Infolge der Wirtschaftskrise scheint es für Erdoğan schwierig zu sein, wiedergewählt zu werden. Die einzige Möglichkeit, die Probleme im Inneren zu verbergen, ist ein neuer Krieg. Er braucht einen neuen politischen Diskurs auf der Grundlage, dass die Ursache der Wirtschaftskrise der Krieg mit militaristischen Diskursen und Besatzung ist. So will er einen neuen politischen Diskurs auf der Grundlage von Nationalismus und Expansionismus erzeugen.“
„Tretet für die Revolution ein“
Der Internationalist schließt mit dem Aufruf an alle Revolutionär:innen, ihre Pflicht zur Verteidigung der Revolution von Rojava zu erfüllen und auf der ganzen Welt für die Revolution einzutreten.