Hatimoğulları: Frieden ist das Anliegen aller

Die DEM-Vorsitzende Tülay Hatimoğulları rief bei einem Parteitag in Êlih zur Umsetzung konkreter Friedensschritte auf und forderte die türkische Regierung wie auch die Opposition auf, ihre Verantwortung für 86 Millionen Menschen ernst zu nehmen.

„Nicht nur die Kurd:innen – 86 Millionen Menschen brauchen Frieden“

Auf einem Parteitag des Verbands der Partei der Völker für Gleichheit und Demokratie (DEM) in der kurdischen Provinz Êlih (tr. Batman) hat die Ko-Vorsitzende Tülay Hatimoğulları die türkische Regierung eindringlich dazu aufgerufen, auf die jüngsten Friedenssignale der kurdischen Bewegung zu reagieren. Die Zeit für eine demokratische und gerechte Lösung sei gekommen, so Hatimoğulları – nicht nur im Interesse der Kurd:innen, sondern aller Menschen in der Türkei.

„Frieden braucht mehr als Symbolik“

Die Veranstaltung, die mit tausenden Teilnehmer:innen in einem großen Hochzeitssaal in Êlih stattfand, stand unter dem Motto „Wir organisieren uns für Frieden und eine demokratische Gesellschaft“. Hatimoğulları würdigte in ihrer Rede zunächst verstorbene Weggefährt:innen ihrer Partei sowie Gefallene der kurdischen Bewegung, darunter Sırrı Süreyya Önder und Mustafa Mesut Tekik. Sie nahm insbesondere Bezug auf Abdullah Öcalans „Aufruf für Frieden und eine demokratische Gesellschaft“ und die daraufhin von der PKK eingeleiteten strukturellen Veränderungen. Das sei ein historischer Moment, erklärte sie, und eine Gelegenheit, die nicht ungenutzt bleiben dürfe.

„Nicht nur das kurdische Volk, sondern alle 86 Millionen Menschen in diesem Land brauchen Frieden“, sagte Hatimoğulları. „Das ist keine Frage der Identität, sondern der Zukunft unserer Gesellschaft.“ Sie zitierte mehrere kurdische Mütter, deren Kinder in bewaffneten Auseinandersetzungen ums Leben kamen, und die dennoch zum Dialog aufrufen. „Diese Stimmen stehen für ein ganzes Volk, das trotz aller Verluste Frieden fordert“, so Hatimoğulları.

„Die Türkei muss sich entscheiden“

Hatimoğulları forderte die Regierung in Ankara auf, klare Schritte einzuleiten: „Die Frage ist, was für ein Land die Türkei sein will. Ein Ort des demokratischen Miteinanders oder ein Staat, der weiterhin mit Sicherheitsapparat und Justizdruck regiert?“

Frieden könne nicht entstehen, wenn gleichzeitig oppositionelle Kommunalverwaltungen unter Zwangsverwaltung gestellt oder kritische Stimmen kriminalisiert würden, sagte sie mit Blick auf die Eingriffe in DEM-geführte Kommunen nach der Kommunalwahl im vergangenen Jahr. „Wenn lokale Selbstverwaltung untergraben wird, kann keine Rede von Demokratie sein. Der Ausnahmezustand darf nicht zum Dauerzustand werden“, warnte sie.

Frieden beginnt bei den Kommunen

Hatimoğulları hob die Bedeutung der Kommunalpolitik für demokratische Teilhabe hervor und kritisierte die Zwangsverwaltungen scharf. Selbst Städte wie Êlih, in denen die DEM-Partei bei den Kommunalwahlen überwältigende Mehrheiten erreicht habe, seien nicht vor Repression sicher. „Demokratie beginnt lokal. Wer lokale Strukturen ausschaltet, schwächt das demokratische Fundament des ganzen Landes.“

Recht als Vertrauensbasis

Als konkrete vertrauensbildende Maßnahme forderte Hatimoğulları ein „Justizpaket“ mit umfassenden rechtlichen Reformen. Darin müssten auch Regelungen zur vorzeitigen Entlassung kranker Gefangener sowie Verbesserungen der Haftbedingungen enthalten sein. „Ein solcher Schritt noch vor dem kommenden Feiertag wäre ein starkes Signal. Ein doppelter Festtag für unser Volk – und ein Schritt in Richtung Entspannung.“

Appell an die Opposition: „Frieden ist kein parteipolitisches Projekt“

Am Ende ihrer Rede wandte sich Hatimoğulları auch an die parlamentarische und außerparlamentarische Opposition: „Frieden ist nicht das Projekt einer Partei – es ist ein Jahrhundertwunsch aller Menschen in diesem Land. Deshalb müssen sich alle, unabhängig von Parteigrenzen, diesem Prozess anschließen.“

Sie forderte die Freilassung politischer Gefangener und bessere Bedingungen für Abdullah Öcalan, um einen Dialogprozess ernsthaft zu ermöglichen. Öcalans jüngster Appell für einen „neuen Gesellschaftsvertrag“ sei als Aufruf zur Neugestaltung gesellschaftlicher Verhältnisse zu verstehen – mit Partizipation, Gleichstellung und sozialer Gerechtigkeit als Leitprinzipien.