Hatimoğulları: Erwarten Öcalans Botschaft in den nächsten Tagen

Die Kurd:innen in der Türkei erwarten einen Friedensprozess – und erleben eine neue Drehung an der Repressionsschraube. Die DEM-Vorsitzende Tülay Hatimoğulları kritisiert die ambivalente Taktik der Regierung und fordert eine klare Position.

Ko-Vorsitzende der DEM-Partei

Seit der Ankündigung der DEM-Partei Anfang Februar, der auf Imrali inhaftierte PKK-Begründer Abdullah Öcalan bereite einen historischen Aufruf zur Lösung der Kurdistan-Frage vor, sind weit mehr Augen auf die Gefängnisinsel im Marmarameer gerichtet als sonst. War zuvor noch spekuliert worden, der Vordenker der kurdischen Befreiungsbewegung könnte ausgerechnet am Jahrestag seiner Verschleppung in die Türkei am 15. Februar 1999 eine entscheidende Erklärung abgeben, verdichten sich aktuell die Anzeichen, dass die Botschaft Öcalans für die kommenden Tage, spätestens für Anfang März erwartet wird. Die Ko-Vorsitzende der DEM-Partei, Tülay Hatimoğulları, bekräftigte in einem Interview mit dem türkischen Dienst von ANF Forderungen ihrer Partei, dass das neue Kapitel im türkisch-kurdischen Verhältnis nicht länger hinausgezögert werden dürfe.

Historischer Friedensprozess

Hatimoğulları betonte, dass die Türkei sich in einem historischen Moment befinde, in dem die Lösung der kurdischen Frage diskutiert wird. Die Gespräche zwischen der DEM-Partei, Abdullah Öcalan und der türkischen Regierung seien von großer Bedeutung. Öcalan habe in den Gesprächen mit der DEM-Delegation auf Imrali, die in den beiden zurückliegenden Monaten stattgefunden hatten, umfassende Botschaften übermittelt, die eine friedliche und demokratische Lösung der kurdischen Frage sowie die Demokratisierung der Türkei insgesamt zum Ziel haben. „Es stehen große Hoffnungen im Raum“, so Hatimoğulları.

Repressionen trotz Dialog

Doch trotz der laufenden Gespräche setzt die türkische Regierung ihre Repressionen gegen kurdische Politiker:innen und Aktivist:innen fort. Staatspräsident Recep Tayyip Erdoğan spricht von Aussichten auf einen Frieden mit der PKK, lässt den Motor seiner anti-kurdischen Repressionsmaschine aber weiterlaufen. In den letzten Wochen folgte eine Festnahmeoperation auf die nächste, es geht eine Säuberungswelle durch demokratische Opposition und Zivilgesellschaft. Hauptsächlich betroffen sind der DEM nahestehende Kreise sowie Mitgliedsparteien, die sich ebenfalls für eine Lösung der Kurdistan-Frage einsetzen.


Erdoğans ambivalente Taktik

Hatimoğulları kritisierte die „ambivalente Taktik“ Erdoğans - insbesondere das Vorgehen gegen den HDK, das sie als „Zersetzungsangriff“ gegen die Solidarität mit dem kurdischen Volk bezeichnete, die Einsetzung weiterer Zwangsverwalter in DEM-regierten Gemeinden und die Eskalation der türkischen Kriegshandlungen gegen die Autonomieregion Nord- und Ostsyrien. Diese Maßnahmen stünden im Widerspruch zu den Friedensbemühungen und würden das Vertrauen in den Dialogprozess untergraben, sagte sie.

Rolle der DEM-Partei

In dem Gespräch äußerte sich die Politikerin auch zu den Herausforderungen ihrer Partei bei der Weiterentwicklung der Friedensagenda. Die DEM sieht sich als Vermittlerin zwischen Öcalan, der PKK-Führung und dem türkischen Staat. Hatimoğulları betonte, dass ihre Partei bereit sei, alle notwendigen Schritte zu unternehmen, um den Friedensprozess voranzutreiben. Sie forderte die türkische Regierung auf, ihre repressive Politik zu beenden und sich konstruktiv an den Gesprächen zu beteiligen.

Verzögerungen durch Südkurdistan-Reise

Die DEM-Partei erwartet, dass Öcalans bevorstehende Botschaft einen historischen Wendepunkt im Friedensprozess darstellen wird. Sie rechnet damit, dass Öcalan erneut die Notwendigkeit betonen werde, die kurdische Frage von einer militärischen auf eine politische und rechtliche Ebene zu verlagern. Diese Botschaft werde nicht nur bei der kurdischen Bevölkerung, sondern auch bei anderen gesellschaftlichen Gruppen in der Türkei auf große Resonanz stoßen. Zum Zeitplan für Öcalans Erklärung ergänzte Hatimoğulları jedoch, dass die Verzögerungen auch mit der Reise der Imrali-Delegation nach Südkurdistan zusammenhingen. Die Ergebnisse der mit den dortigen politischen Parteien geführten Gespräche hätten Öcalan noch nicht erreicht.

Regierung hat keine klare Position

Hatimoğulları wies jedoch darauf hin, dass die türkische Regierung bisher keine klare Position zum Friedensprozess eingenommen habe. Sie forderte die Regierung auf, ihre Pläne und Absichten transparent zu machen und sich aktiv an den Gesprächen zu beteiligen. Zudem verlangte die DEM-Vorsitzende erneut die Aufhebung von Öcalans Isolationshaft und die Schaffung eines rechtlichen Rahmens für die weiteren Gespräche. Ihre Partei werde sich in der Zwischenzeit auf den Ausbau gesellschaftlicher Bündnisse konzentrieren und die Gespräche mit gesellschaftlichen und institutionellen Gruppen fortsetzen, um den Friedensprozess zu unterstützen und die Demokratisierung der Türkei voranzutreiben.

Gesellschaftliche Mobilisierung für Friedensprozess nötig

„Eine besondere Bedeutung in dieser Phase kommt der Solidarität aller demokratischen Kräfte in der Türkei, einschließlich der Arbeiterbewegung, Frauenrechtsgruppen, Jugendorganisationen und anderer Minderheiten zu. Nur durch eine breite gesellschaftliche Mobilisierung kann der Friedensprozess erfolgreich sein und das Land demokratisiert werden“, sagte Hatimoğulları.