DEM: Abdullah Öcalan bereitet „historischen Aufruf“ vor

Abdullah Öcalan plant nach Angaben der DEM-Partei „einen historischen Aufruf“ zur Lösung der kurdischen Frage. Schon in den kommenden Tagen wolle der PKK-Begründer einen entsprechenden Appell starten.

Zur Lösung der kurdischen Frage

Abdullah Öcalan plant nach Angaben der DEM-Partei „einen historischen Aufruf“ zur Lösung der Kurdistan-Frage. Der auf der Gefängnisinsel Imrali inhaftierte PKK-Begründer bereite sich darauf vor, „in den kommenden Tagen einen historischen Aufruf für eine tiefgreifende und dauerhafte Lösung der kurdischen Frage und den Aufbau einer demokratischen Türkei“ zu starten, sagte Tuncer Bakırhan, Ko-Vorsitzender der DEM, bei der wöchentlichen Fraktionssitzung seiner Partei am Dienstag im türkischen Parlament.

Die DEM sei bereit für eine beständige Lösung und messe dem geplanten Aufruf Öcalans „große Bedeutung“ bei, sagte Bakırhan und sprach dem 75-Jährigen „vollstes Vertrauen“ aus. Die Regierung forderte der Politiker zu vertrauensbildenden Maßnahmen synchron zu den Schritten der kurdischen Seite auf und dazu, „die Grundlagen zu stärken, die der Ernsthaftigkeit dieses Aufrufs angemessen sind“. 

Alles nun in Erdoğans Händen

Millionen Menschen sehnten sich nach Demokratie, Gerechtigkeit und Freiheit. Alles sei nun „in den Händen“ des türkischen Präsidenten Recep Tayyip Erdoğan, fügte Bakırhan hinzu. „Es ist Ihre Chance, in die Geschichte einzugehen, Herr Erdoğan. Zeigen Sie Mut“, sagte er.  Zum Inhalt des Aufrufs Öcalans konnte Bakırhan auf Nachfrage hin allerdings nichts sagen. Auch die Frage, ob dieser eine Aufforderung zum Niederlegen der Waffen beinhalten solle, beantwortete der DEM-Vorsitzende nicht. „Den Inhalt kenne ich nicht“, sagte er nach der Fraktionssitzung zu Presseleuten.

Tuncer Bakırhan auf der heutigen Fraktionssitzung © DEM/MA

Weg von der Grundlage des Konflikts

Im Herbst hatte ausgerechnet der Chef der ultranationalistischen MHP und Bündnispartner Erdoğans, Devlet Bahçeli, dem seit 1999 in politischer Geiselhaft gehaltenen Abdullah Öcalan überraschend vorgeschlagen, im Parlament zu sprechen und die PKK aufzufordern, die Waffen niederzulegen. Einen Tag später erhielt Öcalan zum ersten Mal seit 2020 wieder Besuch von einem Familienangehörigen. Über seinen Neffen Ömer Öcalan übermittelte er die Botschaft: „Die Isolation geht weiter. Wenn die Bedingungen entstehen, habe ich die theoretische und praktische Kraft, diese Phase von der Grundlage des Konflikts und der Gewalt auf eine rechtliche und politische Grundlage zu lenken.“

Paradigma für Frieden und Demokratie

Kurz vor dem Jahreswechsel bekamen dann die DEM-Abgeordneten Pervin Buldan und Sırrı Süreyya Önder vom Justizministerium die Erlaubnis, Öcalan auf Imrali zu sehen. Es war der erste Besuch von Parlamentsabgeordneten seit fast zehn Jahren, bei dem ein Gespräch über eine dauerhafte Lösung der Kurdistan-Frage geführt wurde. Öcalan sprach sich dabei für eine erneute Stärkung der türkisch-kurdischen Geschwisterlichkeit aus und erklärte seine grundsätzliche Bereitschaft, an einem „neuen Paradigma“ für Frieden und Demokratie mitzuwirken. Denn die Ereignisse in Gaza und Syrien hätten gezeigt, dass die Lösung eines Problems, das durch Interventionen von außen verschlimmert werde, nicht länger aufgeschoben werden könne. Einer der wichtigsten Orte für einen Lösungsprozess sei das Parlament der Türkei.

Waffenniederlegung nur ein Thema der Diskussionen

Inzwischen fand auch ein zweiter Besuch der Imrali-Delegation bei Öcalan statt. Bei dem Treffen sei auch die Frage eines möglichen Aufrufs des PKK-Begründers zur Waffenniederlegung angesprochen worden, hatte ein DEM-Vertreter mitgeteilt. Laut der Delegation sei Öcalan um eine gewaltfreie Lösung der kurdischen Frage und die Aufhebung der Ursachen bemüht. Zur Debatte über die Niederlegung der Waffen sagte der Vertreter allerdings: „Es ist sehr wichtig, die Ursachen des Problems zu beseitigen. Sonst endet ein Problem und ein anderes beginnt. Bei der aktuellen Diskussion auf Imrali geht es nicht nur darum. Ja, es gibt diese Diskussion, aber sie ist nicht der einzige Schwerpunkt. Die Regierung versucht, mit dieser Frage ihre eigene Position zu unterstreichen.“