Festnahmen in Sine wegen Teilnahme an Generalstreik

In Sine wurden sechs Kurden von iranischen Sicherheitskräften festgenommen und an einen unbekannten Ort verschleppt. Hintergrund ist offenbar ihre Teilnahme an einem Generalstreik gegen die drohende Hinrichtung von Pakhshan Azizi und Varisheh Moradi.

Sechs Kurden von iranischen Kräften verschleppt

In der ostkurdischen Stadt Sine (Sanandadsch) sind offenbar mehrere Gewerbetreibende und Arbeiter von iranischen Sicherheitskräften festgenommen und an einen unbekannten Ort verschleppt worden. Wie das Netzwerk für Menschenrechte in Kurdistan (KHRN) mitteilte, handelt es sich um sechs Männer, deren Aufenthaltsort seit ihrer Festnahme am Mittwoch unbekannt sei. Das KHRN geht davon aus, dass der Vorgang im Zusammenhang mit der Teilnahme der Betroffenen an einem Protest gegen die Todesstrafe in Iran steht. Bei ihrer Festnahme durch Polizisten in Zivil seien die Männer misshandelt worden.

Am Mittwoch fand in Ostkurdistan (Westiran) ein Generalstreik gegen die Verurteilung und die bevorstehende Hinrichtung der zwei kurdischen politischen Gefangenen Pakhshan Azizi und Varisheh Moradi statt. Es war der größte Protest gegen die Todesstrafe in der Geschichte des Landes. Zahlreiche Bilder und Videos aus den Städten Rojhilats zeigten Straßen und Basare mit überall geschlossenen Läden und Geschäften.

Die Sozialarbeiterin Pakhshan Azizi wurde im Sommer 2023 in Teheran festgenommen. Nach vier Monaten Einzelhaft verurteilte ein örtliches Revolutionsgericht sie wegen „bewaffneten Aufstands gegen das System“ zum Tode sowie zu vier Jahren Haft. Varisheh Moradi, Aktivistin der Gemeinschaft freier Frauen Ostkurdistans (KJAR) wurde etwa zeitgleich in Sine verhaftet und wegen ähnlicher Anklagen ebenfalls zum Tode verurteilt. Beide Todesurteile wurden kürzlich vom Obersten Gerichtshof bestätigt.

Zu dem Ausstand für die beiden Frauen hatten sechs politische Parteien aufgerufen, darunter die PAJK und die Komala-Fraktionen. Sie betonten, dass ein Generalstreik ein ziviles Mittel sei, um Solidarität zu zeigen und die Hinrichtung politischer Gefangener zu verhindern. Zudem kritisierten die Parteien die wirtschaftlichen Missstände und die fehlenden politischen Freiheiten in Iran. Statt Lösungen für die Probleme der Bevölkerung zu finden, verurteile der Staat politische Aktivist:innen systematisch zum Tode.

Das KHRN hatte von einer erheblichen Präsenz iranischer Sicherheitskräfte während des Streiks berichtet. Zeug:innen beobachteten etwa, dass geschlossene Geschäfte amtlich versiegelt wurden. Bereits in den Tagen vor dem Protest seien in vielen Städten Betriebe von den Behörden abgeriegelt worden. Darüber hinaus habe es Drohanrufe gegeben. Die Polizei drohte den Gewerbetreibenden demnach mit Lizenzentzügen, sollten sie sich an dem Streik beteiligen.

Tradition des Widerstands in Kurdistan

Generalstreiks sind in Ostkurdistan eine bewährte Form des Protests. Diese Art von zivilem Ungehorsam ist in der Widerstandstradition des kurdischen Volkes fest verankert. Bereits während der landesweiten Proteste der „Jin Jiyan Azadî“-Bewegung (Frau, Leben, Freiheit) im Jahr 2022, die sich am polizeilichen Feminizid an der Kurdin Jina Mahsa Amini entzündet hatten, kam es in den kurdischen Städten Irans immer wieder zu breiten Arbeitsniederlegungen. Damals wurden mindestens zehn erfolgreiche Streiks organisiert.