Ferzad Can: Freiheit und Revolution werden siegen

Seit vier Jahren tritt die linke Guerillabewegung HBDH mit spektakulären antikapitalistischen und antimilitaristischen Stadtguerillaaktionen in Erscheinung. Wir haben mit Ferzad Can vom Exekutivrat der Organisation gesprochen.

Am 12. März 2016 wurde das linke Guerillabündnis Vereinigte Revolutionsbewegung der Völker (Halkların Birleşik Devrim Hareketi, HBDH) gegründet. Seitdem tritt es mit spektakulären antikapitalistischen und antimilitaristischen Stadtguerillaaktionen in Erscheinung. Anlässlich des Gründungsjubiläums hat ANF mit Ferzad Can aus dem Exekutivrat der Organisation gesprochen.

Die Frage, ob die Bewegung den 12. März als Gründungstag bewusst ausgewählt hat, bejaht Can und erklärt, dass dieses Datum den Jahrestag der Massaker von Gazi (1995) und Qamişlo (2004) sowie des Militärputschs von 1971 markiert. Die HBDH vereine die revolutionäre Tradition von richtungsweisenden Persönlichkeiten wie Mahir Çayan, Deniz Gezmiş und İbrahim Kaypakkaya, betont Can. Eine zentrale Aufgabe der Bewegung sei es, Vergeltung für die Massaker an den Völkern der Türkei und Kurdistans zu üben.

Dem Kampf gegen jegliche Rückständigkeit verschrieben

Can fährt fort: „Die HBDH hat sich bei ihrer Gründung dem Kampf gegen den Imperialismus, gegen den Faschismus und jede Form von Rückständigkeit verschrieben und wurde zum Ausdruck des Willens der Arbeiter*innen, der Frauen und der Jugend gegen diese Kräfte. Sie rief zum gemeinsamen Kampf der Arbeiter*innen und der Völker auf. Der Faschistenführer Erdoğan und seine Partei haben insbesondere nach dem Putsch von 2015 [gemeint ist die Annullierung der Wahlen und Durchsetzung von Neuwahlen durch das Erdoğan-Regime], einen totalen Angriff auf die kurdische Freiheitsbewegung und alle revolutionären und sozialistischen Kräfte gestartet. Sie versuchten die ganze Gesellschaft einzukerkern und zur Kapitulation zu zwingen. Dafür mussten die führenden revolutionären Parteien vernichtet werden.

Gemeinsame Revolution notwendig für den Erfolg

In Kurdistan findet seit langen Jahren eine Revolution statt. Es handelte sich um eine nationale Revolution, hinter der aber eine noch eine viel größere Revolution steht. Für einen Erfolg der Revolution war es notwendig, sich in einer gemeinsamen, vereinten Revolution zu organisieren. In diesem Kontext entstand die HBDH. In den vier Jahren seit der Gründung der HBDH wurden viele Opfer gebracht, aber auch dem Faschismus schwere Niederlagen bereitet. Wir haben unsere Gründungsmitglieder Delal Amed, Atakan, Baran Serhat, Ulaş Bayraktaroğlu, Ulaş Adalı, Aynur, Ceren, Taylan und viele andere Genoss*innen im Kampf verloren.

Die Revolution von Rojava wurde zur Quelle unserer Kraft

Die Entwicklungen zwischen 2016 und 2017 waren aus revolutionärer Perspektive äußerst bedeutungsvoll. Die HBDH war eine neue Organisation, sie befand sich in ihrem Gründungsprozess und da ist es nur natürlich, dass eine Menge Probleme und Schwierigkeiten auftauchen. Wir können aber rückblickend sagen, dass wir große Fortschritte gemacht haben und unsere Organisation sehr stark geworden ist. In einer solchen Phase der imperialistischen Kriege und der Beteiligung der regionalen Kolonialmächte wurde die Bedeutung einer vereinigten revolutionären Bewegung der Völker noch deutlicher.

Der faschistische türkische Kolonialstaat versuchte die Revolution von Rojava, die Hoffnung der Völker des Mittleren Ostens, zu vernichten, sie mit all seiner Kraft zu ersticken. Aber wir können feststellen, dass das kolonialfaschistische Regime sein Ziel nicht erreichen konnte. Die Situation, in die es in Rojava geraten ist, wird auf den internationalen Treffen mehr als deutlich. Die Revolution von Rojava und ihre Errungenschaften müssen gleichzeitig als zwingende Notwendigkeit für die Türkei und Nordkurdistan benannt werden. Das faschistische Regime will, dass die Völker und Arbeiter*innen die Rechnung für die durch den Krieg hervorgerufene Krise tragen. Es geht nicht um eine staatliche Sparpolitik, darum, kürzer zu treten. Sie wollen, dass unser Volk mit allen möglichen faschistischen Gesetzen und Methoden zum Schweigen gebracht wird. Wir können sagen, dass im Moment ein faschistischer Angriff stattfindet, um die Gesellschaft als Ganzes zu unterwerfen und zu vernichten.“

Der bewaffnete Kampf ist zwingend notwendig

Can hebt hervor, dass es keinen anderen Weg als den Aufstand, den Kampf gegen den Faschismus gibt: „Ohne Widerstand, ohne Kampf, ohne Vergeltung gibt es keine Chance auf Erfolg.“ Menschen aller religiösen und ethnischen Identitäten, Frauen, Arbeiter*innen und Jugendliche seien eingeladen, gemeinsam mit den HBDH zu kämpfen.

Guerillakräfte müssen überall aufgebaut werden

Weiter appelliert Can: „Wir müssen den Guerillakampf, den bewaffneten Kampf in den Städten und auf dem Land entwickeln. Die Straßen und Plätze dürfen wir währenddessen aber auf keinen Fall verlassen. Ob es der Kampf an der Front der legitimen Selbstverteidigung ist oder auf der militärischen Ebene; wir müssen den Widerstand steigern und uns entschlossen gegen die Vernichtungspolitik des kolonialfaschistischen Regimes stellen.“

Can beschreibt die Aktionen der HBDH-Milizen und Racheeinheiten der letzten Zeit und die im Jahr 2019 begonnene Serie an Aktionen als „wegweisend“, aber nicht ausreichend. „Es wird auf einer Linie der revolutionären Opferbereitschaft vorgegangen. Wenn wir den Erfolg der Aktionen und ihre Vielfalt betrachten, dann waren sie maßgeblich und sollten die Grundlage der Perspektive darstellen, auf deren Linie wir weitermachen müssen.“

Wir haben eine historische Verantwortung

Zur Politik des AKP/MHP-Regimes erklärt Can: „Das Regime setzt auf Krieg, Rassismus, Besatzung und Kolonialismus, um sich zu retten. Neben den strukturellen Krisen erlebt es auch ökonomische Krisen. Es sieht nicht so aus, als würde es bald diese Lage überwinden. Immer wieder verbrennen sich Menschen aus Hunger, Armut, oder Arbeitslosigkeit selbst auf der Straße, doch das kolonialfaschistische Regime schickt Soldaten nach Libyen. Sie geben Milliarden aus, um die Revolution von Rojava zu ersticken und lassen ihren TFSA-Milizen Geld zukommen. Unser Volk soll genau wissen, dass die Vernichtung der Revolution von Rojava und die Entsendung von Soldaten nach Libyen den Arbeiter*innen in der Türkei nicht den geringsten Nutzen bringen. Ganz im Gegenteil, sie sorgen für eine ökonomische Verarmung. Die Arbeiter*innen in der Türkei müssen sich gegen die kolonialistische und imperialistische Haltung des türkischen Staates stellen. Sie sollen sich der HBDH anschließen oder sie unterstützen. Es gibt keine andere Möglichkeit, dieses repressive, ausbeuterische System aus den Angeln zu heben. Wir wissen, dass der Weg zu einer demokratischen Türkei und einem freien Kurdistan über den Kampf, den Widerstand und die Vergeltung läuft. Auf dieser Grundlage wird die HBDH noch entschlossener vorgehen. Sie hat es sich zur primären Aufgabe gemacht, den Kampf weiterzuentwickeln und zu verstärken.

Bewegung gegen Imperialismus, Kapitalismus, Faschismus und Patriarchat

Die HBDH ist eine Bewegung gegen den Imperialismus, den Kapitalismus, den Faschismus und das Patriarchat. Heute müssen die Opfer des Faschismus und des Kapitalismus, diejenigen die unter ihm leiden, die Völker, Arbeiter*innen, Frauen und Jugendlichen sich den HBDH anschließen und die Reihen ihrer Milizen und ihrer Guerilla in den Städten und auf dem Land stärken. Sie müssen mit dem System abrechnen. Auf dem Weg, den unsere Gefallenen gegangenen sind, und mit ihrer Opferbereitschaft werden wir in jedem Fall erfolgreich sein.“