Im nordkurdischen Kreis Nisêbîn (Nusaybin) ist der rund 300 Jahre alte ezidische Friedhof „Hesen Beg“ geschändet worden. Die Gräber von Angehörigen der alten Glaubensgemeinschaft wurden verwüstet, Grabsteine sogar zertrümmert. Auch Reliefs und Skulpturen mit ezidischer Symbolik wie der blaue Pfau, der im Glauben der Eziden für den Engel Tawûsi Melek (oder Tausi Melek/Melek Taus, deut. „Engel Pfau“) steht, und die ezidische Sonne, wurden zerstört.
Der Hesen-Beg-Friedhof befindet sich im Weiler Mezre Mihoka (türk. Çilesiz) im Bagok-Massiv in der Provinz Mêrdîn (Mardin). Wer hinter der Schandtat steckt, ist noch unklar. Die Bewohner*innen der Gegend sind äußerst besorgt. Sie fordern Aufklärung, reden wollen aber die wenigsten. Der Schock sitzt noch zu tief.
Vor knapp zwei Jahren wurde unweit von Mezre Mihoka im Dorf Efşê (Kaleli) ein von der ezidischen Bevölkerung errichtetes Kultur- und Religionshaus auf Betreiben der damaligen Zwangsverwaltung in Mêrdîn mit Baggern abgerissen. Im Umland des Bagok leben seit einigen Jahren wieder Eziden. Sie waren nach ihrer Vertreibung in den 1980er Jahren zurückgekehrt und hatten einige wichtige Gebäude, unter anderem ein Empfangshaus für Trauerzeremonien, errichtet.
Ähnlicher Vorfall in Êlih
Vor einem Jahr war mit dem Friedhof „Pîrê Zîrav“ in Êlih (Batman) eine tausendjährige ezidischer Ruhestätte geschändet worden. Das Grab der Ezidin Sara Gin, die vor 17 Jahren in Deutschland verstarb, wurde vollständig zerstört. Die Grabschänder verstreuten sogar ihre Gebeine über den gesamten Friedhofgelände. Andere Gräber wurden ebenfalls geschändet.
Bagok
Das Wort „Bagok“ stammt aus dem Kurdischen und besteht aus zwei Silben: „Ba“, der Wind und „gok“ rund, wie der Ball, und bedeutet in etwa „der kreisende Wind“. Der Bagok-Gipfel ist zugleich der höchste Gipfel der Taurus-Gebirgskette im Nordwesten Kurdistans, die die Grenze zu Syrien bildet. Eine andere Namensgebung des Gebietes – Tur Abdin – deutet auf die christlichen Völker hin, deren historische Heimat diese Region bildet: Assyrer, Aramäer, Chaldäer. Tur Abidin bedeutet im Aramäischen in etwa Berg der frommen Gottesanbeter, gemeint sind damit die vielen Mönche, die in Klöstern und Großkirchen lebten. Es ist eindeutig belegt, dass vor der Zwangsislamisierung hier ausschließlich ezidische Kurden und Suryoye in guter und weitgehend friedlicher Nachbarschaft gelebt haben. Heute leben nur noch wenige Christen in der Region.