Das Dorf Osmandede im Kreis Markaz (tr. Pazarcik) ist durch das Erdbeben vor zweieinhalb Wochen stark zerstört worden. Es gibt fast kein intaktes Haus mehr und die Menschen versuchen mit eigenen Mitteln weiterzuleben. In dem Dorf in der Provinz Gurgum (Maraş), dem Epizentrum der beiden schweren Erdbeben vom 6. Februar, lebt die Familie Uzatmaz. Für die Familie ist das Erdbeben die zweite große Katastrophe. Die erste Katastrophe war der Anschlag in Ankara am 10. Oktober 2015, bei dem Ali Deniz Uzatmaz getötet wurde.
Damals hatten sich zwei Selbstmordattentäter einer polizeibekannten IS-Terrorzelle inmitten einer Friedenskundgebung, zu der die HDP zusammen mit dem Gewerkschaftsverband KESK und anderen linksdemokratischen Organisationen gegen den Krieg des türkischen Staates gegen die kurdische Bevölkerung aufgerufen hatte, in die Luft gesprengt. Über hundert Menschen starben, mehr als 500 weitere wurden zum Teil schwer verletzt.
Ali Deniz hatte nur drei Wochen vor dem Anschlag mit seinem Studium begonnen. Sein Onkel Yilmaz Uzatmaz sagt, dass sein früher Tod einen unbeschreiblichen Schmerz für die Familie bedeutet. „Unser Kampf ging auch danach weiter. Ich bin sicher, er wäre stolz auf uns. Wir alle waren auch immer stolz auf ihn. Der Schmerz hat uns jedoch nie losgelassen. Jetzt erleben wir neuen Schmerz. Unser Dorf ist bei dem Erdbeben zerstört worden, kein Stein liegt mehr auf dem anderen. Wir haben Menschen verloren. Dass die Hilfe der Regierung so spät kam, hat die Situation für uns noch schwieriger gemacht. Eine Woche nach dem Erdbeben gab es immer noch Menschen ohne Zelt und Brennstoff“, erzählt Yilmaz Uzatmaz.
Uzatmaz ist davon überzeugt, dass Hilfslieferungen von der Katastrophenschutzbehörde AFAD und ähnlichen Einrichtungen ausblieb, weil die Dorfbevölkerung alevitisch ist und als revolutionär gilt: „Es kamen vor allem zivile Menschen aus der Türkei hierher. Wir sind allen dankbar, die uns die Hand gereicht haben. Sie haben uns mit Essen und Zelten versorgt. Auch das Zelt hier hinter mir wurde von hilfsbereiten Menschen gebracht. Die Hand des Staates hat nicht bis hier gereicht. Meiner Meinung nach liegt es daran, dass alle Dörfer hier alevitisch sind. Es heißt, dass es Koordinierungsschwierigkeiten gab, aber das glaube ich nicht. Es war Absicht. Wir sind alevitische Turkmenen, aber die umliegenden Dörfer sind alle kurdisch.“
Zwischen den turkmenischen und kurdischen Aleviten gebe es keine Probleme, betont Uzatmaz: „Wer die Aleviten kennt, weiß, dass ein Mensch bei uns ein Mensch ist. Wir achten nicht darauf, welche Sprache, Religion, Herkunft oder Farbe ein Mensch hat. Unsere Kaaba ist der Mensch, so werden wir erzogen. Es ist unser Naturell. Nachdem wir unseren eigenen Bedarf bekommen hatten, hat mein Vater Hilfsgüter in anderen Dörfer verteilt. In einer Zeit wie dieser darf es keine Unterschiede zwischen den Menschen geben. Leider tut es die derzeitige Regierung trotzdem. In dem angrenzenden Dorf haben wir die Menschen, die unter den Trümmern ihr Leben verloren haben, mit eigenen Händen herausgeholt. Es kamen überhaupt keine Rettungsteams.“