Erster Prozesstag gegen Antifaschisten in Lüneburg

In Lüneburg hat der Prozess gegen einen Antifaschisten begonnen, der eine Antifa-Enternasyonal-Fahne bei einem Protest gegen den Krieg auf Efrîn trug. Die Behörden sehen in dem Symbol ein verbotenes Zeichen, mit dem „PKK/KCK-Werbung“ gemacht werde.

In Lüneburg steht seit Montag ein Antifaschist vor Gericht, der eine Antifa-Enternasyonal-Fahne auf einer Demonstration gegen den Krieg auf Efrîn getragen hat. Die Behörden sehen in dem Symbol ein verbotenes Zeichen, mit dem „PKK/KCK-Werbung“ gemacht werde.

Schon vor Prozessbeginn wurde deutlich, dass der Prozess politisch geführt wird und die Öffentlichkeit ausgeschloßen ist. Die Zuschauerplätze wurden auf drei beschränkt und 15 Antifa-Enternasyonal-Fahnen von Unterstützer*innen des Angeklagten vor dem Gerichtsgebäude beschlagnahmt. Desweiteren wurde ein weiteres Ermittlungsverfahren wegen einem angeblichen Verstoß gegen das Vereinsgesetz konstruiert. Nachfolgend dokumentieren wir eine Prozesserklärung vom Antifaschistischen Informationsportal Lüneburg:

„Am Montag fand der erste Verhandlungstag im Antifa-Fahnen-Prozess in Lüneburg statt. Hier zeigte sich dann erneut der absolute Verfolgungswille gegenüber der kurdischen Freiheitsbewegung und ihrer vermeintlichen Symbole. Die Geschehnisse sind genauso skandalös, wie das gesamte Ermittlungsverfahren überhaupt.

Demonstration am 24. März 2018 in Lüneburg gegen die Besetzung von Efrîn

Zur Unterstützung des Angeklagten kamen rund 35 Menschen vor dem Lüneburger Amtsgericht zusammen, um auch deutlich zu machen, dass mensch sich nicht ein Antifa-Symbol nehmen lässt. Diese zogen gemeinsam mit 16 Antifa-Enternasyonal-Fahnen vor dem Amtsgericht auf. Viele wollten auch der Verhandlung folgen und noch ins Amtsgericht.

Die anwesende Polizei teilte den Menschen mit, das sie ‚verbotene Symbole’ mitführen würden und dies strafbar sei. Auf Anordnung eines Lüneburger Oberstaatsanwalts sollten alle Fahnen sichergestellt werden. Gegen eine Beschlagnahme ihrer Fahnen protestierten die Antifaschist*innen und wollten die Fahnen in Sicherheit bringen. Die Polizei versuchte dies zu verhindern, hielten die Antifas auf und drohte mit einer gewaltsamen Maßnahme gegen die Menschen. Einige der Beamten setzten dabei sogar ihre Helme auf. Nach einigen Diskussionen wurden 15 Fahnen an ein Polizeifahrzeug gelehnt und die Antifaschist*innen begaben sich zurück zum Eingang des Gerichts, um den dort wartenden Angeklagten ihre Solidarität auszudrücken.

Die Polizei stellte dann die 15 Fahnen sicher und leitete ein Ermittlungsverfahren. Im Beschlagnahmebeschluss wurden die Antifa-Enternasyonal-Fahnen erneut fälschlicherweise als KCK-Fahnen bezeichnet.

Polizei vor dem Amtsgericht Lüneburg | Foto: Antifaschistisches Informationsportal Lüneburg

Am Eingang zum Gericht setzte sich das irrwitzige Verhandlungsgeschehen fort. Es wurde niemand ins Gebäude gelassen, da der Verhandlungssaal angeblich voll sei. Auf Grund der Corona-Maßnahmen hat der zuständige Richter beschlossen, dass nur drei Sitzplätze für die Öffentlichkeit vorhanden sein sollen. Er begründete dies mit Infektionsschutzgründen. Allerdings hat er die Plätze auch gleich selbst besetzt. Zum einen saß dort die Pressesprecherin der Lüneburger Staatsanwaltschaft sowie zwei Referendare, die der Richter persönlich dorthin beordert hatte. Somit sollte verhindert werden, dass irgendjemand sonst dort hineinkam. So wurde Öffentlichkeit samt Presse ausgeschlossen.

Nach Interventionen des Verteidigers mussten sich die Statisten des Richters im Saal umsetzen und durch Veränderungen beim Abstand zwischen Angeklagtem und Rechtsanwalt konnte noch ein Platz für eine Pressevertreterin geschaffen werden. Nach über 40 Minuten konnten dann noch zwei Unterstützer*innen die freigewordenen Plätze im Saal einnehmen.

Bei der Verhandlung wurden dann nur zwei Zeug*innen vernommen. Zum einen eine Lüneburger Polizeibeamtin, die mit dem Ermittlungsverfahren befasst war, sich aber an nichts mehr erinnern konnte, außer das sie damit befasst war. Zum anderen eine Polizeibeamter aus Hannover, der am 24. März 2018 mit seiner Einheit in Lüneburg eingesetzt war. Dieser Polizist hat die Demo in Lüneburg videografiert. Bei der Aussage dieses Beamten offenbarte sich der Hintergrund des Verfahrens. So berichtete er, dass die eingesetzten Hannoveraner Beamten eine andere Rechtsauffassung bezüglich der Fahnenverbote hatten, als ihre Lüneburger Kolleg*innen. Sie wiesen daraufhin, dass es strittig sei, welche Symbole verboten seien und nicht gezeigt werden dürfen. Dies interessierte den Lüneburger Einsatzleiter am 24. März 2018 allerdings nicht, der dann fast alle Fahnen unterband. Die Antifa-Enternasyonal-Fahne sei für die Hannoveraner Polizei eine Antifa-Fahne und der Zeuge sah zunächst auch keinen Grund, in Lüneburg gegen die Verwendung dieser Fahne vorzugehen. Er erläuterte dann, dass das Filmen des Fahnenträgers erst auf Intervention der Lüneburger Staatsschutzabteilung begonnen wurde, die dann das Ermittlungsverfahren eingeleitet habe.

Hier offenbarte sich, dass die Fahne nur aufgrund einer Einzelmeinung des FK 4 kriminalisiert werden soll.

Der Verhandlungstag wurde mit Anträgen der Verteidigung beendet, die der Richter allerdings gleich ablehnte. So sollten weitere Polizeibeamte gehört werden und Expert*innen hinzugezogen werden, die die Fahne erläutern und etwas zu Wahrnehmung in der Öffentlichkeit Auskunft geben sollten.

Am Ende wurde ein weitere Verhandlungstag festgesetzt. Dieser findet am kommenden Dienstag (7. Juli 2020) um 13 Uhr statt.

Erfreulich war die große Unterstützung für den Angeklagten und das solidarische Agieren vor dem Amtsgericht. Auch wenn 15 Fahnen beschlagnahmt wurden und die Lüneburger Polizei ein weiteres Ermittlungsverfahren wegen einem angeblichen Verstoß gegen das Vereinsgesetz konstruiert hat, konnte deutlich gemacht werden, dass sich die Menschen ihre Symbole nicht einfach verbieten lassen.”