Die am vergangenen Dienstag in der Kreisstadt Licê in der nordkurdischen Provinz Amed (Diyarbakir) eingeleitete Militäroperation hält weiter an. An der luftunterstützten Offensive nehmen neben Dutzenden Hundertschaften auch verdeckte paramilitärische Einheiten teil. Seit Mittwochmorgen gilt im Rahmen der Operation zudem eine Ausgangssperre in insgesamt 73 Ortschaften der Region. In dem vom Staatsterror betroffenen Gebiet sind auch am Himmel intensive Militärbewegungen zu beobachten. So kreisen seit vier Tagen neben unbemannten Aufklärungsdrohnen auch Kampfdrohnen über Licê. Mittlerweile wurden auf den Zufahrtswegen in mehreren von dem Verbot betroffenen Dörfern neue Kontrollpunkte errichtet. Die in Nordkurdistan ansässige Nachrichtenagentur Mezopotamya Ajansı (MA) berichtet von Fahrzeugkontrollen in den Ortschaften Cum, Til, Zirext, Melê, Kormik, Bawerd, Comelaş, Xana Kelê und Hêdik. Personen, die die Kontrollpunkte passieren, werden durch die Soldaten der türkischen Armee einer GBT-Kontrolle unterzogen, bei der alle polizeilich gespeicherten persönlichen Daten abgerufen werden. Zudem werden auch die eingekauften Lebensmittel der Bewohner*innen kontrolliert.
Im September hatte Innenminister Süleyman Soylu eine verschärfte Lebensmittelkontrolle angeordnet. Personen, die im Verdacht stünden, „Lebensmittel für die Organisation [PKK] zu transportieren, werden detailliert nach ihrer Route, ihrem Wohnort und nach der Anzahl der Personen, für die sie Lebensmittel transportieren, befragt“, hieß es in der Anordnung.
Zuletzt war Licê ab dem 1. Oktober über einen längeren Zeitraum belagert worden. Zehn Tage lang wurden ganze Bezirke vom Militär abgeriegelt und die Einwohner*innen bedroht und eingeschüchtert. Viele klagten, dass es selbst Kranken nicht gestattet wurde, Krankenhäuser aufzusuchen. Im Dorf Çemê Elika (Birlik) gingen die Operationseinheiten jedoch besonders repressiv gegen die Bevölkerung vor. Die Dorfmoschee, eine Schule und das Trauerhaus wurden zu Stützpunkten umfunktioniert. Aus Lautsprechern von Panzerwagen ertönten rassistische Lieder, außerdem wurden an allen Häusern und anderen Gebäuden türkische Fahnen angebracht. Mehrere Bewohner*innen, die vorübergehend festgenommen worden waren, berichteten von Folter und durch Soldaten, die auch das Waldgebiet im ländlichen Teil des Viertels angezündet hätten.