Neue Lebensmittelembargos in Nordkurdistan
Der türkische Innenminister Süleyman Soylu hat Lebensmittelembargos gegen kurdische Wohngebiete in mehreren Provinzen angeordnet.
Der türkische Innenminister Süleyman Soylu hat Lebensmittelembargos gegen kurdische Wohngebiete in mehreren Provinzen angeordnet.
Der türkische Innenminister Süleyman Soylu hat eine Anweisung an die Generalkommandantur der Jandarma und die Polizeidirektionen geschickt, durch die die in den 90er Jahren verbreiteten Lebensmittelembargos gegen kurdische Regionen wieder in Kraft gesetzt werden. Die Anordnung betrifft bisher 32 Landkreise in Agirî (Ağrı), Êlih (Batman), Çewlîg (Bingöl), Bedlîs (Bitlis), Amed (Diyarbakir), Xarpêt (Elazığ), Ezirgan (Erzincan) Erzîrom (Erzurum), Wan und in den Schwarzmeer-Provinzen Trabzon, Giresun und Gümüşhane.
In der Anordnung heißt es: „Die Sicherheitskräfte werden die Orte, an denen Großhandel betrieben wird und die großen Märkte beobachten und einen Schwerpunkt auf das Sammeln von Informationen zum Einkauf größerer Mengen von Lebensmitteln wie Mehl, Zucker, Konserven, Helva und Marmelade legen. In Straßenkontrollen werden verdächtige Fahrzeuge wie Lastwägen, Pritschenwägen und Kleinbusse genau durchsucht. Personen, bei denen der Verdacht besteht, dass sie wahrscheinlich für die Organisation bestimmte Lebensmittel transportieren, werden detailliert nach ihrer Route, ihrem Wohnort und nach der Anzahl der Personen, für die sie Lebensmittel transportieren, befragt.“
„Jeder gilt als potentiell verdächtig“
Der Jurist Cemal Demir bewertet die Situation als schlimmer als in den 90er Jahren und erklärt: „In den 90er Jahren wurden nur die Verbraucher kontrolliert. Jetzt werden sogar Fabriken, die Lebensmittel produzieren unter Beobachtung gestellt. Dabei handelt es sich definitiv um ein Embargo. Auf welcher Grundlage werden welche Bürger kontrolliert? Das wird unsere Bevölkerung beeinträchtigen und sie in die Lage potentiell Verdächtiger bringen. Stattdessen sollte es Zeit sein, die Situation der Menschen endlich angemessener zu berücksichtigen. In unseren Dörfern bereiten sich die Menschen auf den Winter vor. Weil dann der Weg ins Stadtzentrum schwieriger wird, kaufen sie 20-30 Säcke Mehl, Zucker und andere Lebensmittel auf einmal. Sollen jetzt diese Menschen, die Großeinkäufe tätigen, festgenommen und verhört werden? Das ist eine Praxis aus dem Kriegsrecht. Werden die Behörden denn auch die Tonnen Lebensmittel der IHH [‚Stiftung für Menschenrechte, Freiheiten und Humanitäre Hilfe‘ mit Verbindungen zu diversen islamistischen Organisationen] beobachten? Wenn es ihnen erlaubt ist, wie kann es dann den Bürger*innen verboten sein?“
Der Jurist Feyzi Çelik kommentiert die Maßnahmen wie folgt: „Nach der Verfassung zählt es zur ökonomischen Freiheit der Menschen, ihren Bedarf zu decken. Es gibt keine gesetzliche Hürde dafür, wieviel jemand einkaufen darf. Sollten diese Personen in der Vergangenheit festgenommen worden sein, dann wird der Lebensmittelbezug dieser Menschen eingeschränkt. Eine solche Praxis gibt es nicht einmal im Kriegsrecht. Das ist reine Willkürherrschaft. Auch im Ausnahme- und Kriegszustand darf der Bezug von Lebensmitteln nicht eingeschränkt werden. Das bedeutet, dass wir heute unter einer vollkommenen Willkürherrschaft leben.“