Der kurdische Politiker Ahmet Ertak ist am Freitag in der nordkurdischen Provinz Amed (Diyarbakir) verhaftet worden. Gegen Ertak, der bis 2010 Bürgermeister der Stadt Şirnex (Şırnak) war, liegt ein rechtskräftiges Urteil wegen angeblicher „Mitgliedschaft in einer terroristischen Vereinigung“ vor. Der Politiker wurde im Rahmen des Hauptverfahrens gegen den angeblichen „Türkei-Rat der KCK“ zu einer Freiheitsstrafe von sechs Jahren und drei Monaten verurteilt. Ertak saß bereits im Zuge der kafkaesken Ermittlungen fast dreieinhalb Jahre in Untersuchungshaft. Diese wurde ihm angerechnet, sodass er nur noch 15 Monate der Haftstrafe absitzen muss. Der Politiker wurde bereits an das D-Typ-Gefängnis in Amed überstellt.
Verfahren gegen „Türkei-Rat der KCK“
Nach den Kommunalwahlen im April 2009 stellte die Partei für eine Demokratische Gesellschaft (DTP) und nach deren Verbot im Dezember 2009 die Partei für Frieden und Demokratie (BDP) in den kurdischen Provinzen der Türkei in 99 Kommunen (zuvor lediglich in 58) die Stadtverwaltungen. Die DTP erreichte bei den Wahlen zwischen mehr als 65 Prozent der Stimmen in Amed (Diyarbakir) bis hin zu mehr als 90 Prozent in Colemêrg (Hakkari). Unmittelbar danach begann eine riesige Repressionswelle gegen kurdische Politiker, Menschenrechtler, Journalisten und Intellektuelle, denen die Mitgliedschaft in der KCK (Gemeinschaft der Gesellschaften Kurdistans) vorgeworfen wurde. Knapp 10.000 Menschen wurden festgenommen, rund 2.000 inhaftiert. Im acht Jahre andauernden Hauptverfahren gegen 154 Personen, von denen sich 83 über 18 Monate in Untersuchungshaft befanden, bevor sie das erste Mal vor Gericht gestellt wurden, sind allein 99 Angeklagte im März 2017 zu insgesamt 1109 Jahren Freiheitsstrafe verurteilt worden.
Klage vor EGMR
Während der Untersuchungshaft konnten die Anwälte der betroffenen Politikerinnen und Politiker 15 Monate lang aufgrund eines Geheimhaltungsbeschlusses zu den Ermittlungsakten keinen Widerspruch gegen die Haft einlegen. Dagegen hatten die Anwälte vor dem Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) geklagt. Ihrer Klage wurde im Juni 2018 stattgegeben. Das Straßburger Gericht verurteilte die Türkei auf Grundlage des Artikels fünf der Europäischen Menschenrechtskonvention, der das Recht auf Freiheit und Sicherheit regelt. In Absatz vier dieses Artikels heißt es: „Jede Person, die festgenommen oder der die Freiheit entzogen ist, hat das Recht zu beantragen, dass ein Gericht innerhalb kurzer Frist über die Rechtmäßigkeit der Freiheitsentziehung entscheidet und ihre Entlassung anordnet, wenn die Freiheitsentziehung nicht rechtmäßig ist.“
Der EGMR sah es als erwiesen an, dass die Türkei gegen diesen Absatz des Artikels im Falle des KCK-Verfahrens verstoßen hat, und verurteilte Ankara deshalb zur Zahlung von Entschädigungen in Höhe von jeweils 2.750 Euro für die Betroffenen.