Chomani: Die Wahlergebnisse zementieren den Status quo

Die Ergebnisse der Parlamentswahlen in der Region Kurdistan im Irak zementieren den Status quo, sagt der politische Analyst Kamal Chomani im ANF-Interview: „Die PDK und die YNK setzen ihre Monopolisierung der Macht fort."

Parlamentswahlen in Südkurdistan

Kamal Chomani ist ein politischer Analyst und Doktorand an der Universität Leipzig. Im ANF-Interview hat er Fragen zu den sechsten Parlamentswahlen in der Kurdistan-Region des Irak (KRI) beantwortet.

Am Sonntag fanden in Region Kurdistan Parlamentswahlen statt; die letzten Wahlen wurden 2018 durchgeführt. Warum wurden die Wahlen nicht nach vier Jahren abgehalten, wie es in der Verfassung vorgesehen ist?

Die Verzögerung der Wahlen in der Region Kurdistan im Irak ist ein klares Zeichen dafür, dass das politische System völlig dysfunktional und autoritär geworden ist. Die regierenden Parteien, insbesondere die Demokratische Partei Kurdistans (PDK) und die Patriotische Union Kurdistans (YNK), haben den demokratischen Prozess ständig manipuliert, um ihre eigenen Interessen durchzusetzen. Diese Verzögerungen waren beabsichtigt und nicht nur administrativer Natur. Sie entsprangen der tiefen Furcht, dass die Wahlen ihre schwächelnde Legitimität weiter aufdecken würden.

Die beiden regierenden Familien Barzanî und Talabanî bemühen sich nicht einmal mehr um die Aufrechterhaltung der demokratischen Fassade. Unter dem Druck der internationalen Gemeinschaft war die PDK jedoch gezwungen, Wahlen abzuhalten. Neçirvan Barzanî, der das Amt des KRI-Präsidenten innehat, war für die Festlegung des Wahltermins verantwortlich. Obwohl er den Termin zweimal ankündigte, wurden beide Termine annulliert.

Die YNK und andere Oppositionsparteien weigerten sich, an den Wahlen teilzunehmen, solange nicht zwei zentrale Forderungen erfüllt waren. Erstens bestanden sie darauf, dass der Anteil der Minderheiten von elf auf fünf Sitze reduziert und diese Sitze auf die Provinzen verteilt werden sollten. Die YNK drängte auf diese Forderung, da die PDK die Minderheitenquote ausgenutzt hatte. Die elf Sitze, vor allem in den von der PDK kontrollierten Gebieten, wurden durchweg von der PDK nahestehenden Persönlichkeiten gewonnen, was durch die besondere Stimmabgabe der von der PDK kontrollierten Peschmerga-Truppen garantiert wurde. Durch dieses System wurden nicht nur Minderheiten ihrer politischen Handlungsfähigkeit beraubt und ihre Rechte unterdrückt, sondern die PDK konnte diese Sitze auch als Instrument gegen die YNK und andere Oppositionsgruppen einsetzen.

Letztendlich entschied der Oberste Gerichtshof des Irak zugunsten der YNK und stellte damit sicher, dass die Minderheiten sich selbst vertreten konnten. Die Quote wurde auf fünf Sitze gesenkt, und die Gesamtzahl der Sitze im Parlament der KRI wurde von 111 auf 100 reduziert. Zu ihrer Enttäuschung wandte die YNK jedoch dieselbe Taktik wie die PDK an und nutzte spezielle Peschmerga-Stimmen, um die beiden Minderheitensitze in Silêmanî für YNK-nahe Kandidierende zu sichern.

Die zweite Forderung war, dass die irakische Oberste Wahlkommission die Wahlen mit Unterstützung der Vereinten Nationen durchführen sollte, und auch dieser Forderung wurde entsprochen.

Diese Missachtung verfassungsrechtlicher Normen zeigt, wie sehr sie sich in einem Arrangement zur Teilung der Macht verschanzt haben, das ihrer Kontrolle über die Region, ihre Ressourcen und ihre Bevölkerung Vorrang vor einem echten demokratischen Prozess einräumt.

Sie verzögern Wahlen, manipulieren Abstimmungen und unterdrücken, wenn nötig, die Stimmen der Opposition, um ihre Macht zu erhalten. Was wir bei diesen verzögerten Wahlen gesehen haben, war keine demokratische Übung, sondern ein kalkulierter Schachzug, um diese Dynastien weiter an der Macht zu halten. Das Parlament wurde für zwei Jahre geschlossen, da der Oberste Gerichtshof des Irak es für verfassungswidrig befand, dass das Parlament sein Mandat im Jahr 2022 verlängerte – dem Jahr, in dem die KRI ihre Wahlen hätte abhalten sollen.

Können Sie die Wahlergebnisse für unsere Leser:innen bewerten?

Die Wahlergebnisse waren vorhersehbar. Die PDK hat sich einmal mehr als die dominierende Kraft in Hewlêr (Erbil) und Duhok erwiesen, während die YNK ihre Macht in Silêmanî und Helebce behalten hat. Die Bewegung Nifşê Nû (Neue Generation) hat zwar an Boden gewonnen und ist zur drittstärksten Kraft in Kurdistan aufgestiegen, doch wird ihr Einfluss in einem System, das von den fest verankerten Netzwerken der PDK und der YNK aus Patronage, Milizen und der Kontrolle über staatliche Institutionen beherrscht wird, begrenzt sein. Die Ergebnisse zementieren den Status quo: Die PDK und die YNK setzen ihre Monopolisierung der Macht fort, gestützt auf ihre jeweiligen Milizen und Wirtschaftsimperien.

Die Oppositionsparteien, insbesondere Gorran, sind so gut wie zusammengebrochen. Die einst vielversprechende Kraft des Wandels ist aufgrund ihrer Unfähigkeit, eine kohärente Strategie zu präsentieren, bedeutungslos geworden. Der Zusammenbruch der Gorran ist auf ihre internen Konflikte und die Übernahme durch die beiden Söhne des verstorbenen Gorran-Gründers Nawshirwan Mustafa zurückzuführen. Die Neue Generation hingegen hat sich die Unzufriedenheit der Bevölkerung zunutze gemacht, aber ihre zahlenmäßige Stärke wird wohl kaum zu einem bedeutenden politischen Wandel in dem zutiefst korrupten System der KRI führen. Ganz zu schweigen davon, dass der Populismus der Neuen Generation und ihr neoliberaler Ansatz zur Lösung der Probleme sehr enttäuschend sind und sie keine demokratische Struktur hat. Die Partei und ihre Medien gehören einem Medienmogul und Geschäftsmann, Shaswar Abdulwahid. Die Partei ist auf Shaswars Ambitionen reduziert, ohne demokratische Strukturen zu haben. Sie ist die Partei eines Geschäftsmannes, mehr nicht.

Können Wahlen in einem solchen von Dynastien und Milizen geführten System überhaupt etwas ändern?

Das glaube ich nicht. Wahlen in der Region Kurdistan sind ein reines Ritual, eine Vorstellung, die die fortgesetzte Herrschaft der Familien Barzanî und Talabanî legitimiert. Dieses System ist nicht darauf ausgelegt, sinnvolle Veränderungen zu ermöglichen, sondern die Macht dieser Herrscherdynastien zu reproduzieren. Die PDK und die YNK kontrollieren die Peschmerga-Milizen, vertiefen ihren Einfluss auf alle staatlichen Institutionen und manipulieren die Wirtschaft, so dass ein echter demokratischer Wandel allein durch Wahlen unmöglich ist.

Was wir in jedem Wahlzyklus erleben, ist kein Wettbewerb um die Macht, sondern ein als Demokratie getarntes Abkommen über die Aufteilung der Macht. Die Wahlen bieten einen Anschein von Legitimität, aber die wirklichen Entscheidungen finden hinter verschlossenen Türen statt, wo diese Familien Ressourcen, Gouverneursposten und Ministerien nach ihren Interessen aufteilen, nicht nach dem Willen des Volkes. Solange der Griff dieser Milizen und der wirtschaftliche Würgegriff dieser Familien nicht gebrochen ist, werden Wahlen in der KRI ein sinnloses Ritual bleiben.

Sind die politischen Parteien in Kurdistan in der Lage, eine gemeinsame Front gegen die irakische Zentralregierung zu bilden und die Interessen der Menschen in Kurdistan zu vertreten?

Nein, die politischen Parteien in Kurdistan, insbesondere die PDK und die YNK, sind viel zu sehr damit beschäftigt, ihre eigene Macht zu konsolidieren, als dass sie die Interessen des kurdischen Volkes wirksam vertreten oder eine Einheitsfront gegen Bagdad bilden könnten. Inzwischen steht die YNK Bagdad viel näher als Hewlêr. Außerdem wollen die Menschen in Kurdistan nicht, dass diese beiden Parteien eine Einheitsfront gegen Bagdad bilden, sondern sie wollen, dass diese beiden Parteien mit Bagdad zusammenarbeiten, da dies besser für die Wirtschaft Kurdistans und die Staatsbediensteten ist.

Die PDK nutzt die Spannungen mit Bagdad als bequeme Ablenkung von ihrer eigenen Korruption und ihrem Versagen. Obwohl die YNK eine bessere Beziehung zu Bagdad anstrebt, hilft ihr die Position der irakischen Präsidentschaft, doch war sie bisher nicht sehr erfolgreich. Die PDK profitiert von dem Eindruck, dass Kurdistan ständig von der Zentralregierung bedroht wird, was es ihr ermöglicht, interne Meinungsverschiedenheiten zu unterdrücken und kritische Themen wie Korruption, Staatsführung und Misswirtschaft nicht anzusprechen. Gleichzeitig nutzt die PDK die Bedrohung durch Bagdad, um ihre exklusiven Beziehungen zur Türkei fortzusetzen und ihren Zugriff auf die natürlichen Ressourcen, vor allem Öl und Gas, zu stärken.

Darüber hinaus sind die PDK und die YNK mehr daran interessiert, Kurdistan zu ihrem eigenen Vorteil zu spalten als es zu vereinen. Die PDK kontrolliert Hewlêr und Duhok, während die YNK Silêmanî und Helebce kontrolliert. Sie agieren als zwei getrennte Verwaltungen, jede mit ihrer eigenen Agenda, und ihre Konkurrenz untereinander hindert sie daran, eine sinnvolle einheitliche Haltung gegenüber Bagdad einzunehmen. Sie vertreten nicht die kurdischen Interessen, sondern ihr eigenes politisches Überleben und benutzen die Zentralregierung als Sündenbock, um ihr internes Versagen zu vertuschen.

Die Bewegung der Neuen Generation ist zur drittstärksten Kraft in Kurdistan geworden, während Gorran viele Stimmen verloren hat. Können Sie dies kommentieren?

Der Aufstieg der Bewegung der Neuen Generation und der Zusammenbruch von Gorran sind bezeichnend, aber sie spiegeln auch die tiefe Desillusionierung des kurdischen Volkes gegenüber der traditionellen Opposition wider. Gorran verkörperte einst die Hoffnung auf eine neue, fortschrittliche Politik in Kurdistan, wurde aber von genau dem System vereinnahmt, das sie zu bekämpfen vorgab. Ihre Führung schloss Kompromisse mit der YNK, und sie verlor ihre Legitimität als echte Oppositionskraft. Die Tatsache, dass Gorran es nicht schaffte, die Machtstruktur herauszufordern, ermöglichte den Aufstieg der Bewegung der Neuen Generation.

Der Erfolg der Neuen Generation zeigt, dass es in der KRI immer noch eine Nachfrage nach Veränderungen gibt, aber es bleibt die Frage, ob sie diesen Schwung aufrechterhalten kann. Ihr Aufstieg zur drittstärksten Kraft ist zwar vielversprechend, doch steht sie vor der enormen Herausforderung, die festgefahrenen Strukturen der PDK- und YNK-Herrschaft zu durchbrechen. Ihre Fähigkeit, neben dem PDK-YNK-Duopol einen wirklichen politischen Wandel herbeizuführen, wird dadurch eingeschränkt, dass die Neue Generation von einem einzigen Mann geführt wird, der ein Geschäftsmann ohne Ideologie ist. Er ist ein Populist, der undemokratische Mittel einsetzt, um seine Gegner anzugreifen. Er ist ein neoliberaler Charakter, der Donald Trump sehr ähnlich ist, aber ein Trump ohne jede politische Ideologie dahinter. Es besteht die Möglichkeit, dass die Neue Generation dem neuen Kabinett beitritt, in dem Mesrûr Barzanî von der PDK sie wahrscheinlich kooptieren und gegen die YNK einsetzen will, ähnlich wie es die PDK 2019 politisch arrangiert hat.