Anwaltskammer Amed: Erneuter Angriff auf die Verteidigung

In Amed wird gegen 18 Rechtsanwältinnen und Rechtsanwälte ermittelt, weil sie Mandate von Mitgliedern des Solidaritätsvereins MEBYA-DER übernommen haben. Die Anwaltskammer bezeichnet den Vorgang als Angriff auf die Verteidigung.

Im Verfahren gegen den Solidaritätsverein MEBYA-DER in Amed (tr. Diyarbakir) sind die Ermittlungen auf 18 Rechtsanwältinnen und Rechtsanwälte ausgeweitet worden. Weil sie Mandate für die Mitglieder des Vereins übernommen haben, gelten die Verteidiger*innen inzwischen selbst als Beschuldigte in dem Terrorverfahren. Darauf hat die örtliche Anwaltskammer am Freitag mit einem Transparent mit der Aufschrift „Die Verteidigung lässt sich nicht zum schweigen bringen“ vor dem Justizgebäude in Amed aufmerksam gemacht.

Barış Yiğit, Vorsitzender des Zentrums für Anwaltsrechte innerhalb der Kammer, bezeichnete den Vorgang als erneuten Angriff auf die juristische Verteidigung. Bei der Durchsuchung der Räumlichkeiten von MEBYA-DER seien Vollmachten von Angehörigen von Gefallenen für 18 Kolleginnen und Kollegen beschlagnahmt worden, gegen die jetzt als Verdächtige ermittelt wird. Die Ermittlungen seien rechtswidrig, ungesetzlich und willkürlich, führte der Rechtsanwalt aus.

„Anwälte werden mittlerweile dafür beschuldigt, dass sie Mandate übernehmen. Ihnen droht juristische Verfolgung. Weil sie die Rechte von festgenommenen Mandanten vertreten, juristisch gegen das Unrecht ankämpfen und rechtswidriges Vorgehen protokollieren und zu verhindern versuchen, sollen sie eingeschüchtert werden. Ihre berufliche Tätigkeit wird damit behindert“, sagte Yiğit auf der Protestkundgebung, an der zahlreiche Anwältinnen und Anwälte teilnahmen.

Die Anwaltskammer betrachtet den Vorgang als Fortsetzung des Verfahrens im November vergangenen Jahres, bei dem 34 Anwältinnen und Anwälte in ihren Wohnungen festgenommen wurden. „Mit diesen systematischen Angriffen auf die Verteidigung soll verhindert werden, dass Anwälte ihre berufliche Tätigkeit fortsetzen“, erklärte Yiğit und verwies darauf, dass seine betroffenen Kolleginnen und Kollegen ihre Mandanten im MEBYA-DER-Verfahren nicht vertreten können, weil sie selbst als Beschuldigte gelten. „Ohne Anwälte als Vertreter des Rechts auf Verteidigung gibt es keine Gerechtigkeit und keinen Rechtsstaat. Wir werden uns diesen Angriffen auf unsere berufliche Tätigkeit nicht beugen und erklären ein weiteres Mal, dass wir das Rechtssystem gegen die Instrumentalisierung der Justiz verteidigen werden.“

Terrorverfahren gegen MEBYA-DER

Im Ermittlungsverfahren gegen den Solidaritätsverein MEBYA-DER sind zwölf Personen wegen Terrorvorwürfen verhaftet worden. Unter ihnen befinden sich auch die beiden Ko-Vorsitzenden der Organisation, Yüksel Almas und Şeyhmus Karadağ. Siebzehn Betroffene, die im Zuge der Repressionswelle gegen MEBYA-DER in den vergangenen anderthalb Wochen festgenommen worden waren, wurden gegen Meldeauflagen auf freien Fuß gesetzt. Sie müssen sich wöchentlich bei der Polizei melden.

MEBYA-DER ist ein Verein, der sich um die Angehörigen von Gefallenen des kurdischen Befreiungskampfes kümmert. Bei weiteren verhafteten Mitgliedern handelt es sich etwa um die HDP-Politikerin Hanım Altındağ, den Vater der HDP-Abgeordneten Dersim Dağ, Zeki Dağ, die 79-jährige Meryem Soylu und die 71-jährige Hatun Aslan. Sie alle werden der Mitgliedschaft in einer „Terrororganisation“ beschuldigt – gemeint ist die PKK. Wie ihr Rechtsbeistand mitteilte, wurden sie im Polizeigewahrsam nach Gründen für die Vereinsgründung, Namen von Personen, die Waschungen von Gefallenen durchführten, und Aktivitäten für die Herausgabe der vom Guerillafriedhof Garzan verschleppten Leichname befragt. Das Aussageverweigerungsrecht einiger Betroffener würde von Polizei und Staatsanwaltschaft als „organisationstreues Verhalten“ gedeutet.

Die Ruhestätte Garzan im nordkurdischen Bedlîs (Bitlis) war Ende 2017 auf Betreiben der türkischen Behörden verwüstet worden. Die sterblichen Überreste von hunderter dort begrabener Kämpferinnen und Kämpfer der kurdischen Freiheitsbewegung wurden daraufhin verschleppt und auf einem Friedhof nahe Istanbul in Plastikboxen verpackt unter einem Gehweg begraben. Bisher gelang es lediglich den Angehörigen von 22 Gefallenen, die sterblichen Überreste ihrer Toten wieder einzufordern und in Würde an einen Ort der Ruhe beizusetzen. Dies war allerdings nur durch das hartnäckige Engagement von MEBYA-DER möglich.