Allzweckwaffe „Terror“-Karte: Drei Verhaftungen in Colemêrg

Besonders in Wahlkreisen, die bei der Parlamentswahl von Kandidierenden der Grünen Linkspartei gewonnen wurden, läuft der antikurdische Unterdrückungsapparat auf Hochtouren.

Die antikurdische Repressionsmaschine des türkischen Regimes bleibt im Vorfeld der Stichwahl um das Präsidentenamt in der Türkei weiter in Fahrt. Besonders in Wahlkreisen, die bei der Parlamentswahl am 14. Mai von den Kandidierenden der Grünen Linkspartei (YSP) gewonnen wurden, läuft der Unterdrückungsapparat auf Hochtouren. In der Provinz Colemêrg (tr. Hakkari), wo die YSP auf 62,45 Prozent der Stimmen kam und damit alle drei Mandate holte, sind am Donnerstag drei Kurden unter „Terror“-Vorwürfen verhaftet worden. Bei einem der Betroffenen, Naif Beyter, handelt es sich um einen Mitarbeiter der YSP. Ihm sowie Serhat Kurt und İzzet Akdoğan wird zur Last gelegt, mit Beiträgen in Online-Netzwerken „Propaganda für eine terroristische Organisation“ betrieben zu haben. Sie wurden bereits in ein Hochsicherheitsgefängnis im benachbarten Wan überstellt.

Die drei Männer waren am Morgen im Zuge einer von der Generalstaatsanwaltschaft Hakkari koordinierten „Anti-Terror-Operation“ festgenommen worden. Insgesamt wurden bei dem Vorgehen 24 Personen in Gewahrsam genommen, nach mindestens sechs weiteren wird gefahndet (zunächst war von 30 Festnahmen die Rede). Knapp sechzig Wohnungen und Häuser in der gesamten Provinz wurden von der türkischen Polizei überfallen und durchsucht, die Festgenommenen zur Vernehmung auf verschiedene Wachen verteilt. Am späten Nachmittag folgte der Transport zum Gericht. Zwanzig der Festgenommenen wurden von der Staatsanwaltschaft auf freien Fuß gesetzt, und zwar ohne von einem Untersuchungsrichter vernommen worden zu sein. Im Fall von Musa Yiğit, Vorstandsmitglied des YSP-Provinzverbands in Colemêrg, wurde bei Gericht zwar ebenfalls ein Antrag zum Erlass eines Haftbefehls gestellt. Die zuständige Kammer kam dem Gesuch des Staatsanwalts aber nicht nach, verhängte jedoch Meldeauflagen.

Terror-Karte Allzweckwaffe der Justiz

Seit Anfang der Woche wurden in verschiedenen Provinzen des Landes mehr als 120 Menschen aus dem Umfeld der YSP und der HDP festgenommen. Unter ihnen befinden sich Politiker:innen, Aktivist:innen, Journalist:innen und Musiker:innen. In allen Fällen steht der Vorwurf im Raum, Verbindungen zu vermeintlichen Terrororganisationen zu haben, sich mitgliedschaftlich zu betätigen oder Propaganda für als terroristisch gelistete Vereinigungen zu verbreiten. Die antikurdische Terror-Karte dient der türkischen Justiz als Allzweckwaffe. Im Vorfeld der ersten Runde zur Parlaments- und Präsidentenwahl vor knapp zwei Wochen war es in der Türkei ebenfalls zu Massenfestnahmen und Verhaftungen gekommen.