Şengal: „Um unsere Ehre und Würde zu schützen“

Vor den selbstverwalteten Einrichtungen in Şengal halten die Menschen Wache, um sie vor äußeren Eingriffen zu schützen. Sie wollen nicht zulassen, dass ihre nach dem IS-Angriff von 2014 mühsam aufgebaute Hoffnung zunichte gemacht wird.

Die Selbstbestimmung der Bevölkerung von Şengal ist in akuter Gefahr. Vor den Zentralen der ezidischen Sicherheitskräfte in Şengal, Gohbel, Sinûne und Xanêsor halten die Menschen Wache. Sie wollen verhindern, dass der Asayîşa Êzîdxan aufgelöst wird. Darauf haben sich die irakische Zentralregierung und die südkurdische PDK in ihrem Abkommen vom 9. Oktober geeinigt.

Bagdad hat in den letzten Tagen Tausende Soldaten in die Region entsandt. Nach heftigen Protesten in Şengal hat der Irak zurückgerudert und die Schließung der Asayîş-Zentralen vorläufig abgesagt. Im Gespräch mit dem Demokratischen Autonomierat von Şengal (MXDŞ) soll das weitere Vorgehen vereinbart werden. Die irakische Regierung scheint das unter Druck der USA und der Türkei vereinbarte Abkommen jedoch nicht aufgeben zu wollen. Die Menschen in Şengal sind entschlossen, ihre nach dem IS-Massaker von 2014 mühsam aufgebauten Strukturen der Selbstverwaltung und Selbstverteidigung zu bewahren. Wir haben mit Vertretern der Selbstverwaltung darüber gesprochen.

 

Xwedêda Îlyas Kiçî ist Ko-Vorsitzender des Rates in Sinûne. Er betont als erstes, dass das Abkommen keine Akzeptanz in der Bevölkerung findet. Bei dem Abkommen handele es sich um einen „schmutzigen Plan“ der Kräfte, die das ezidische Volk beim Angriff des IS im Stich gelassen haben. Gegen diese schmutzige Politik müsse man sich wehren: „Wir werden nicht zulassen, dass unsere Hoffnungen zunichte gemacht werden. Die Menschen werden sich nicht auf die Partei verlassen, von der sie verraten worden sind. Wir sind heute auf einem ganz anderen Niveau als 2014 und wir wollen keine Verräter in Şengal.“

Xelef Qasim arbeitet ebenfalls im Rat von Sinûne und weist darauf hin, dass die Menschen aus Şengal sich als „lebende Schutzschilde“ vor die selbstverwalteten Institutionen stellen. Das in Bagdad getroffene Abkommen habe keinerlei Nutzen für die Bevölkerung und sei ohne ihre Beteiligung zustande gekommen. Das ezidische Volk werde keine Entscheidungen akzeptieren, die gegen seinen Willen getroffen werden: „Deshalb werden wir weiter Wache halten. Wir sind auf jede Form des Angriffs vorbereitet und werden niemandem erlauben, uns wie 2014 anzugreifen. Im Moment halten alle Wache. Wir erkennen niemanden an, der unseren Willen nicht anerkennt. Wir sind dazu bereit, die ezidische Gemeinschaft zu verteidigen.“

Xeyrî Berkat Îsmaîl aus dem Rat von Sinûne hält die Wache vor den selbstverwalteten Institutionen im Moment für die wichtigste Aufgabe: „Wir tun das für uns selbst, denn niemand wird ankommen und etwas für uns tun. Diese Institutionen sind unsere Institutionen, es ist unsere Angelegenheit. Wir unterhalten diese Einrichtungen seit sechs Jahren selbst. Es ist nicht die Zeit, zu Hause zu sitzen und zu schweigen. Unsere in sechs Jahren erkämpften Errungenschaften sind in Gefahr. Das ezidische Volk muss sich für seine eigenen Errungenschaften einsetzen.

Warum erkennt die irakische Regierung unsere Autonomie und unsere Sicherheitskräfte nicht an? Unsere Verteidigungskräfte sind die YBŞ, sie beschützen uns seit sechs Jahren. Diese Kräfte sind von der ezidischen Jugend gegründet worden. Wenn morgen die Peschmerga von Nêçîrvan Barzanî in die Şengal-Berge kommen, sind die Eziden von einem weiteren Ferman bedroht. Wir sind inzwischen ein organisiertes Volk, wir haben uns organisiert und eigene Strukturen aufgebaut. Wir brauchen niemanden. Ich nehme an der Wache teil, um unsere Ehre und Würde zu schützen.“