In Şengal hat an diesem Samstag wieder eine Demonstration gegen die geplante Auflösung der Autonomieverwaltung und der ezidischen Sicherheitskräfte stattgefunden. Die Bevölkerung versammelte sich dazu vor der Roten Medresse und zog lautstark und kämpferisch bis zur Zentrale des Asayîşa Êzîdxanê, wo die Demonstration in eine Kundgebung mündete. In Redebeiträgen wurde die Annullierung des im Oktober auf Druck der USA und der Türkei zwischen der südkurdischen Regierungspartei PDK und der irakischen Zentralregierung geschlossenen Abkommens zur Zukunft Şengals gefordert.
Xezal Reşo als Ko-Vorsitzende des Demokratischen Autonomierates von Şengal (MXDŞ) sagte mit Blick auf die Mahnwache vor dem Büro der ezidischen Sicherheitskräfte, die inzwischen seit 25 Tagen stattfindet: „Seit Wochen versuchen wir uns Gehör für unser kollektives Anliegen zu schaffen, nämlich die Auflösung der in Eigenregie aufgebauten Selbstverwaltungsstrukturen unserer Region zu verhindern. Doch ein Entgegenkommen auf irakischer Regierungsebene ist bisher nicht erfolgt. Stattdessen lässt die Regierung in Bagdad hier neue Kräfte stationieren, um uns in Angst zu versetzen. Wir fürchten uns nicht und werden unsere Forderungen auch weiterhin laut stellen.“
Die Sprecherin der ezidischen Frauenbewegung TAJÊ, Sebîhe Sebrî, wies in ihrem Redebeitrag darauf hin, dass vor allem die ezidischen Frauen von einem erneuten Vernichtungsangriff bedroht sind. „Der gesellschaftliche Widerstand der Ezidinnen und Eziden sowie der Kampf gegen geschlechterbasierte Gewalt ist aus dieser Perspektive betrachtet von existenzieller Bedeutung“. Xalid Osman als einer der Verantwortlichen des Asayîşa Êzîdxanê bekräftigte die Absicht seiner Institution, für die Verteidigung der Region ihren Widerstand fortzusetzen. „Wer den Willen des Volkes von Şengal nicht akzeptiert, braucht keine Anerkennung unsererseits zu erwarten“, so Osman.
Eziden wollen ihren Schutz keinen Kräften von außen überlassen
Am 9. Oktober haben die südkurdische Regierungspartei PDK und die irakische Zentralregierung vereinbart, die Kontrolle über die Şengal-Region zu übernehmen und sämtliche Selbstverteidigungskräfte aufzulösen. 2014 hatten alleine die HPG-Guerilla und später die YPG und YPJ aus Rojava Şengal gegen den IS verteidigt und dabei geholfen, eigene Selbstverteidigungskräfte und eine demokratische Selbstverwaltung in der Region aufzubauen. Im Jahr 2018 zogen sich die HPG nach dem Abschluss dieser Aufgabe aus der Region zurück. Şengal schützt sich seither selbst und die Menschen dort sind angesichts von 74 Massakern in der ezidischen Geschichte nicht mehr bereit, ihre Sicherheit und ihre Verwaltung Kräften von außen zu überlassen.