Am 2. Januar wurde der kurdische Intellektuelle und Revolutionär Menal Mêrdîn bei einem Attentat in der Şengal-Region in Südkurdistan ermordet. Die Autonomieverwaltung Şengal macht den türkischen Staat und die vom Barzanî-Clan dominierte Demokratische Partei Kurdistans (PDK) aus der Kurdistan-Region Irak (KRI) für den Mord verantwortlich. Der seit über 40 Jahren engagierte Aktivist arbeitete an einem Buch über den IS-Genozid in Şengal, als er in seinem Haus in der Ortschaft Tilezêr ermordet wurde.
Am Donnerstag wurden die sterblichen Überreste des Revolutionärs auf dem „Şehîd Dilgeş û Şehîd Berxwedan“-Friedhof beigesetzt. Sein Sarg wurde von einem Konvoi zur letzten Ruhe begleitet. An der Beisetzung nahmen hunderte Menschen aus Şengal teil, unter ihnen Stammesführer und Vertreter:innen der Selbstverwaltung.
„Wir werden seine Leistungen für das ezidische Volk niemals vergessen“
Während der Zeremonie wurde eine Videobotschaft abgespielt, in der die Familie von Menal Mêrdîn dem ezidischen und kurdischen Volk ihr Beileid aussprach: „Seit dem Tag, an dem Menal getötet wurde, ist das ezidische Volk auf den Beinen. Wir danken allen Menschen in Şengal, denn das Volk von Şengal kämpft weiter, um dieses Verbrechen aufzuklären.“
Im Namen der Vereinigung der Familien der Gefallenen sagte Hemed Bişar: „Wenn wir Menal Mêrdîn gedenken, dann gedenken wir auch der Gefallenen von Paris und aller anderen Gefallenen. Şehîd Menal hat jahrelang für das kurdische Volk gekämpft und kam nach dem Genozid vom 3. August 2014 in die Şengal-Region.“
Hisên Sadon, stellvertretender Ko-Vorsitzender der Selbstverwaltung von Şengal, erklärte: „Wir, die ezidische Gemeinde, müssen diese Last tragen. Es ist nicht möglich in Worte zu fassen, was Şehîd Menal dieser Gesellschaft mit seinem Wissen vermittelt hat. Wir werden das, was er uns gelehrt hat, in die Praxis umsetzen. Wir werden dank des Kampfes der Gefallenen ein freies und autonomes Şengal aufbauen. Keine Macht kann uns von diesem Weg abbringen.“
Wer war Menal Mêrdîn?
Menal Mêrdîn ist 1959 in Nisêbîn (tr. Nusaybin) geboren und hieß mit bürgerliche Namen Mehmet Emin Karatay. Ein Teil seiner Familie musste aus wirtschaftlichen Gründen 1970 aus dem Dorf Tinatê nach Izmir ziehen und auch Menal Mêrdîn kam 1976 zum Arbeiten in die westtürkische Metropole. Nachdem er zwei Jahre lang zum Lebensunterhalt seiner Familie beigetragen hatte, wurde er zum Militärdienst eingezogen. Sein Bruder Ramazan schloss sich 1979 der PKK an. Als Menal Mêrdîn während eines zehntägigen Wehrdiensturlaubs in Izmir davon erfuhr, trat er ebenfalls der kurdischen Befreiungsbewegung bei. Acht Jahre später wurde er in Êlih (Batman) verhaftet und verbrachte die nächsten 25 Jahre in verschiedenen türkischen Gefängnissen. Im Kerker von Amed (Diyarbakir) wurde er tagelang gefoltert, unter anderem wurden ihm die Finger gebrochen und die Fingernägel gezogen und er bekam Elektroschocks. Später wurde die Türkei vom Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte zu einer Entschädigungszahlung an Menal Mêrdîn verurteilt.
Sein Bruder Ramazan Karatay fiel 1987 in Mêrdîn, sein Neffe Kerim Karatay 2010 in Şirnex. Menal Mêrdîn wurde 2013 aus dem Gefängnis entlassen und lebte zunächst wieder in Nisêbîn. Ab 2016 hielt er sich in Şengal auf und recherchierte für ein Buchprojekt zum Genozid an der ezidischen Gemeinschaft. Er wurde in seinem Haus ermordet, bevor er seine Arbeit abschließen konnte.