Şengal: Emotionsgeladener Abschied von Mecdel Feqîr

In Şengal wurde Abschied genommen von Mecdel Feqîr, der durch einen türkischen Drohnenangriff auf das ezidische Hauptsiedlungsgebiet ermordet wurde. Viele hundert Menschen begleiteten den YBŞ-Kommandanten auf seine letzte Reise und forderten Vergeltung.

Türkischer Drohnenterror

In einer emotionsgeladenen Trauerzeremonie haben Angehörige, Weggefährtinnen und Freunde Abschied von Mecdel Feqîr genommen. Der Kommandant der Widerstandseinheiten Şengals (YBŞ) war am Samstag in einem Krankenhaus bei Mosul seinen schweren Verletzungen erlegen, die ihm tags zuvor durch einen gezielten Drohnenangriff des türkischen Staates nahe Til Êzêr zugefügt wurden. Die Killermaschine hatte den Kontrollpunkt bombardiert, an dem Feqîr im Einsatz war. Er wurde 32 Jahre alt.

An der Zeremonie zu Feqîrs Bestattung auf dem Gefallenenfriedhof im Şengal-Massiv nahmen hunderte Gäste teil. Zuvor wurde der aus Mosul nach Xanesor gebrachte Sarg mit dem Leichnam des Eziden von einer großen Menschenmenge empfangen und mit einem Konvoi in sein Elternhaus in Sinunê gebracht. Dort wurde eine religiöse Zeremonie entsprechend der ezidischen Tradition durchgeführt: nach einer Waschung wurde Feqîrs Leichnam in ein weißes Tuch gehüllt, in seine Augenhöhlen legte ein Scheich die sogenannten Barat-Kugeln, die geformt sind aus der Tonerde von Laliş, dem höchsten Heiligtum der ezidischen Gemeinschaft. Es folgten Klagelieder und Gebete.

Kämpfer der YBŞ und Kämpferinnen der autonomen Frauenverteidigungskräfte Şengals (YJŞ) hielten danach ein militärisches Zeremoniell zu Ehren Mecdel Feqîrs ab. Im Anschluss wurde der Sarg in einer langen Prozession ins Şengal-Gebirge begleitet. Viele Trauernde, unter denen sich auch ezidische Würdenträger und Handelnde des Demokratischen Autonomierats Şengal (MXDŞ) befanden, trugen die Fahnen der YBŞ und YJŞ, riefen immer wieder die Parole „Die Gefallenen sind unsterblich“. Entlang der Straße, die der Trauerzug passierte, standen Menschen und spendeten dem Gefallenen Applaus.

In verschiedenen Ansprachen wurden sodann Rufe nach Vergeltung für Mecdel Feqîr laut. Qendîl Miho von der Generalkommandantur der YBŞ sprach den Angehörigen des Gefallenen aus und verurteilte seine gezielte Tötung als Staatsterror der Türkei. Er würdigte Feqîr als einen „großen Verfechter“ der Sicherheit des ezidischen Volkes. „Wir wissen nur allzu gut, dass alle Menschen, die in den Schutz Şengals involviert sind und Angriffe auf die Region abwehren, früher oder später zur Zielscheibe des Feindes werden. Auch Hevalê Mecdel wurde einzig aus diesem Grund ins Visier genommen. Der türkische Staat glaubt, dass er unseren Willen durch die Ermordung unserer Freunde brechen kann. Doch er irrt sich. Es ist unsere Pflicht, Mecdel Feqîr zu rächen.“

Nayîf Şemo, Ko-Vorsitzender des MXDŞ, rief Menschenrechtsorganisationen und internationale Gremien dazu auf, die vom „Faschistenchef“ Recep Tayyip Erdogan orchestrierten Angriffe auf Şengal zu stoppen. „Die Tötung von Mecdel Feqîr ist eine Fortsetzung des Genozids am ezidischen Volk. Er stammte, wie wir alle wissen, aus der Familie von Dayê Zero, die bekannt ist für ihren Widerstand gegen den 74. Ferman. Er war also einer der Pioniere unserer Gemeinschaft. Menschen wie ihn ins Visier zu nehmen ist gleichbedeutend mit der Absicht, das ezidische Volk und seinen Glauben zu vernichten. Es läuft auf einen totalen Völkermord und die Entvölkerung von Şengal hinaus. Mit diesen Angriffen versuchen sie, unseren Willen zu zerschlagen. Das ist der Traum von Erdogan und seinem Partner Barzanî. Diejenigen, die sich Menschenrechtsverteidiger nennen, sollten Erdoğan so schnell wie möglich stoppen.“

Das letzte Wort ergriff Şêx Şemo, der Teil des Rates der Stämme in der Şengal-Region ist und verwandt mit dem Gefallenen war. Er verurteilte den tödlichen Angriff auf Mecdel Feqîr. Dieser sei „Ausdruck der strategischen Partnerschaft zwischen der Terrorgruppe „Jslamischer Staat“ (IS) und der Regierung in Ankara, sagte der Würdenträger. Şêx Şemo gedachte auch Çiya Feqîr, der ein Onkel Mecdel Feqîrs war. Er starb im vergangenen September, ebenfalls durch einen türkischen Luftschlag auf Şengal. Aus der Menschenmenge hallte während der Rede der Ruf nach „Tolhildan“, das kurdische Wort für Rache. Nachdem der Sarg ins Grab herabgelassen wird, wurden für Mecdel Feqîr Blumen und Erde nachgeworfen.

Wer war Mecdel Feqîr?

Mecdel Feqîr hieß mit bürgerlichem Namen Mecdel Hesen Xelef Xelîl und ist 1992 in Xirbatê Qewala bei Til Ezêr geboren. Er gehörte zum Stamm der Feqîran und hatte sich 2016 den YBŞ angeschlossen. Zuletzt war er Bataillonskommandant. Den Angaben der Widerstandseinheiten zufolge wurde der Drohnenangriff am Freitag im Gundê Sikeniyê (Reska) verübt.