Theaterverbot: Geht es um Inhalte oder die kurdische Sprache?

Die kurdische Adaption des Theaterstücks „Hohn der Angst“ von Dario Fo ist in Istanbul verboten worden, obwohl die türkische Version jahrelang aufgeführt werden konnte. Die Theaterregisseurin Ayşe Emel Mesci hinterfragt das Verbot.

Die Aufführung des Theaterstücks „Bêrû“ (Ohne Gesicht) von der Theatergruppe Jiyana Nû (Neues Leben) ist in Istanbul mit Hinweis auf die „öffentliche Ordnung“ von den türkischen Behörden verboten worden. Die kurdischsprachige Komödie basiert auf einem Werk des italienischen Nobelpreisträgers Dario Fo. Jiyana Nû ist die 1992 gegründete Theatergruppe des Kulturzentrums Mesopotamien (Navenda Çanda Mezopotamya).

Die Theaterregisseurin und Schauspielerin Ayşe Emel Mesci hat Dario Fo und seine Lebensgefährtin Franca Rame, die ebenfalls Schauspielerin, Theaterautorin und Dramaturgin war, in ihrer Zeit im Exil kennengelernt und ihre Stücke aufgeführt. Gegenüber ANF hat sie sich zu dem Verbot in Istanbul geäußert und darauf hingewiesen, dass die türkische Version des Stückes bereits etliche Male in staatlichen und städtischen Theater gezeigt worden ist. „Die Stücke von Dairo Fo sind in zahlreiche Sprachen übersetzt worden und werden weiterhin gezeigt. Ist es ein Problem, wenn es auf Kurdisch gespielt wird? Das zu verstehen, ist unmöglich“, erklärt sie empört.

Das kurdische Stück, das bereits drei Jahre in städtischen Theatern in Istanbul aufgeführt worden ist, wurde während der Generalprobe kurz vor der Aufführung verboten. „Das wirft die Frage auf, ob es sich um eine erneute politische Offensive handelt“, sagt Mesci. Die Kriminalisierung eines Theaterstücks von Dario Fo, in dem es um den Zusammenhang zwischen Politik, Wirtschaft und Terrorismus geht, trägt ihrer Auffassung nur dazu bei, dass sich die Überzeugung von fehlender Demokratie in der Türkei verfestigt. Sie weist darauf hin, dass das Verbot in internationalen Medien aufgegriffen worden ist.

Hunderte Jahre später immer noch die gleiche Verbotsmentalität

Dario Fo hat 1997 den Literaturnobelpreis erhalten. 2013 schrieb er einen Text zum Welttheatertag, der in viele Sprachen übersetzt wurde. „Den türkischen Text habe ich auf Wunsch von Dario Fo verlesen. Es ging darin um die Beziehung zwischen Theater und Repression“, erzählt Ayşe Emel Mesci.

In der Botschaft von Dario Fo hieß es: „Bekanntlich fand der große Exodus der Commedia dell’Arte-Schauspieler im Jahrhundert der Gegenreformation statt. Diese ordnete die die Schließung sämtlicher Theater an, insbesondere in Rom, wo sie wegen Schmähung der Heiligen Stadt angeklagt waren. Unter dem hartnäckigen Druck des reaktionärsten Teils der Bourgeoisie und der höchsten Vertreter des Klerus hatte Papst Innozenz XII. 1697 die Schließung des Teatro di Tordinona befohlen, auf dessen Bühne es nach Ansicht der Moralisten die höchste Anzahl obszöner Aufführungen gegeben hatte.“

Fo zitiert aus dem Gedächtnis Kardinal Carlo Borromeo mit den Worten: „Im Bemühen, das Unkraut auszurotten, haben wir das Erdenkliche getan, um alle infamen Schriften auf den Scheiterhaufen zu bringen, sie aus dem Gedächtnis der Menschen zu löschen und gleichzeitig diejenigen zu verfolgen, die diese Texte in gedruckter Form verbreitet haben. Offensichtlich aber hat sich, während wir schliefen, der Dämon neue Schliche ausgedacht. So viel tiefer dringt in die Seele, was die Augen sehen als was sie in Büchern lesen! So viel tiefer verwundet das von der Stimme und der dazugehörigen Geste diktierte Wort den Geist der jungen Männer und Frauen als das tote Wort in den Büchern. Es ist also dringend notwendig, die Komödianten aus unseren Städten zu vertreiben, wie man das mit unerwünschten Seelen zu tun pflegt.“

Mit dem ihm eigenen Humor schlägt Dario Fo vor: „Die einzige Lösung für die Krise ist deshalb die Hoffnung, dass auf uns, vor allem aber auf die Jungen, die die Kunst des Theaters erst noch erlernen wollen, eine große Jagd eröffnet wird: eine neue Diaspora der Komödianten, die aus dieser Zwangslage ganz sicher unvorstellbaren Nutzen für ein neues Theater ziehen wird.“

Im Exil wie zu Hause gefühlt

Ayşe Emel Mesci hat Franca Rame und Dario Fo in einer solchen „Diaspora“ kennengelernt. Sie musste die Türkei nach dem Militärputsch vom 12. September 1980 verlassen und traf Franca Rame 1981 auf deren Tournee in London. Dario Fo begegnete sie 1984 in Finnland. Von dieser Zeit erzählt sie: „Dario ist auf die Bühne getreten und hat vor Beginn des Stücks auf die Theaterleute aus der Türkei hingewiesen, die aus dem Land fliehen mussten und im Publikum saßen. Es gab großen Beifall. Später traten wir 1986 auf der Theater-Biennale in nebeneinanderliegenden Zelten auf. Die beiden waren Menschen, durch die wir uns im Exil wie zu Hause fühlen konnten. Unsere Probleme waren auch ihre Probleme.“