Die Künstler*innengruppe „Compagnie bien à vous Armanc Kerborani“ hat mit einer Kunstperformance vor der türkischen Botschaft in der französischen Hauptstadt Paris gegen die Ernennung von Zwangsverwaltern anstelle der demokratisch gewählten Oberbürgermeister*innen in den Rathäusern der kurdischen Metropolen Wan (Van), Amed (Diyarbakir) und Mêrdîn (Mardin) protestiert.
Die Gruppe blockierte mit ihrer Darbietung für eine ganze Weile den Verkehr. Insbesondere die bemalten Körper der Künstler*innen erregten hohe Aufmerksamkeit. Während ihrer Performance verwies die Polizei Juan-Golan Elibeg, Veronique Rousset, Aurélie Gerardin und Thomas Lamouroux vom Platz. Ihnen sowie Yusuf Alkan, einem Korrespondenten des kurdischen Fernsehsenders Stêrk TV, droht eine Anzeige wegen „Störung der öffentlichen Ordnung”.
Die von Juan-Golan Elibeg gegründete unabhängige, multidisziplinäre und internationale Künstler*innengruppe aus Paris hatte vor einigen Wochen mit einer ähnlichen Aktion vor dem Vatikan auf die Zerstörung der über 12.000 Jahre alten Kulturstätte Heskîf (Hasankeyf) aufmerksam gemacht. Mitte Juli war dieselbe Aktion gemeinsam mit der kurdischen Journalistin Zehra Doğan im Pergamonmuseum auf der Berliner Museumsinsel dargeboten worden.
„Compagnie bien à vous Armanc Kerborani“ ist benannt nach dem aus Mêrdîn stammenden Guerillakämpfer Armanc Kerboran (Hüseyin Akdoğan), der am 27. November 2011 in der Stadt Pîran (Dicle, Provinz Amed/Diyarbakir) bei einem Gefecht mit türkischen Soldaten ums Leben gekommen ist.
Bürgermeister durch staatliche Zwangsverwalter ersetzt
Am 19. August sind die Ko-Bürgermeister*innen der kurdischen Großstädte Amed, Wan und Mêrdîn auf Betreiben des Innenministeriums abgesetzt und durch staatliche Zwangsverwalter ersetzt worden. Die AKP-Regierung rechtfertigt die Entmachtung der demokratisch gewählten Politiker*innen Adnan Selçuk Mızraklı, Bedia Özgökçe Ertan und Ahmet Türk mit vagen Terrorismus-Vorwürfen. In einer Stellungnahme des Innenministeriums sind verschiedene Verdächtigungen aufgeführt. So ist etwa davon die Rede, dass die Oberbürgermeister*innen kommunale Gelder an die Arbeiterpartei Kurdistans (PKK) weitergeleitet hätten. Zudem werden sie beschuldigt, mit dem System der genderparitätischen Doppelspitze bei der HDP, wonach jeweils ein Mann und eine Frau das Bürgermeisteramt gemeinsam ausüben, unbefugte Personen in offizielle Positionen gebracht und auf Anordnung der PKK eine nicht verfassungsmäßige politische Struktur eingeführt zu haben, die nicht mit den offiziellen politischen Regeln und Vorschriften zu vereinbaren sei.
Die HDP erklärte, dass die Begründung für die Zwangsverwaltung vollkommen erfunden sei. Die Regierung könne es nicht ertragen, dass die Korruption und Verschwendung von öffentlichen Geldern der ehemaligen Treuhänder ans Tageslicht kommt.
Bereits nach dem versuchten Militärputsch vom 15. Juli 2016 waren 98 der 102 kurdischen Kommunalverwaltungen per Notstandsdekret unter staatliche Treuhänderschaft gestellt worden. 40 der abgesetzten Bürgermeister*innen sitzen bis heute in Untersuchungshaft. Bei den Kommunalwahlen Ende März gelang es der HDP, einige der usurpierten Gemeinden zurückzugewinnen. Seitdem hat sie Einblick in die Haushaltsführung der Statthalter. Alle drei Stadtverwaltungen, denen nun Zwangsverwalter zugewiesen wurden, waren vor fünf Monaten mit Schuldenbergen in dreistelliger Millionenhöhe übernommen worden. Die Ausgaben der Treuhänder sind kaum nachzuvollziehen. So wurde in Amed beispielsweise für den Luxusumbau eines Büroraums über 330.000 Euro ausgegeben. In Mêrdîn sollen in drei Monaten 25.000 Euro für Kaffee, Trockenfrüchte und Nüsse bezahlt worden sein.