Mêrdîn: Raubgräber verwüsten historisches Mausoleum

In Mêrdîn ist ein 700 Jahre altes Mausoleum von Raubgräbern verwüstet worden. Die Anwohner sind empört und fordern Engagement von der staatlichen Stiftungsverwaltung. Nicht das erste Mal komme es in der Gegend zu Raubgrabungen.

In Mêrdîn ist das 700 Jahre alte Mausoleum der Tuba Hatun von Raubgräbern verwüstet worden. Die Bewohnerinnen und Bewohner des Medrese-Viertels in der Altstadt von Mêrdîn, wo im späten 14. Jahrhundert das Grabmal für die Schwester des letzten Sultans von Artuq, Melik Necmeddin Isa, errichtet wurde, sind empört. Die Kritik richtet sich im Besonderen gegen die staatliche Stiftungsverwaltung.

Das Viertel Medrese mit seinen etlichen Abbara, also Durchgängen unter den Wohnhäusern, die die Gassen miteinander verbinden und das Charakteristikum der Stadt darstellen, wird nicht das erste Mal von Raubgräbern heimgesucht. Aber ausgerechnet die Gegend, wo der Legende nach Tuba Hatun beerdigt worden sein soll, gibt es keine Schutzmaßnahmen. Melik Necmeddin Isa ließ 1385 auch die nach ihm benannte Medrese von Mêrdîn erbauen.

Ein typischer Abbara in Mêrdîns Altstadtviertel

„Das Mausoleum der Tuba Hatun wurde in einem Abbara angelegt. Den einzigen Schutz bietet eine Eisentür, auf deren Scharniere vermutlich mit dem Hammer eingeschlagen wurde. Das Rauminnere ist größtenteils verwüstet worden. Vor allem das Namensschild sowie das Grabtuch weisen schwere Schäden auf“, erklärt Mehmet Kılıç, ein Bewohner des Viertels. Kılıç weist darauf hin, dass erst kürzlich Restaurierungsarbeiten an dem Mausoleum stattgefunden haben. Er findet es schade, dass der Umgang der Behörden mit dem Kulturgut der Stadt so „leichtsinnig” sei. Als Bewohner von Mêrdîn wünsche er sich mehr Respekt vor der Vergangenheit.

Kurze Geschichte von Mêrdîn

Gut dreißig Kilometer von der syrischen und 200 Kilometer von der irakischen Grenze entfernt, liegt die Stadt Mêrdîn (tr. Mardin). Das ist aramäisch und bedeutet Festung. Auf etwa 1300 Meter Höhe zieht sich die Altstadt einen Bergrücken hinauf. Er ist ein Ausläufer des Kalksteingebirges Tur Abdin, dem „Berg der Knechte“. Von diesem Berg aus hat man eine gute Sicht über die mesopotamische Tiefebene. Mêrdîn ist zugleich Hauptstadt der gleichnamigen Provinz. Die Geschichte der Stadt reicht 7.000 Jahre zurück. Seit ihrer Entstehung mischen sich hier die verschiedenen Kulturen und Religionen.

Bis zum 19. Jahrhundert war Mêrdîn ein Knotenpunkt der Handelsstraßen, die vom Mittelmeer nach Mesopotamien oder vom Schwarzen Meer nach Syrien führten. Auch die historische Seidenstraße führte hier lang. Vom 12. bis 15. Jahrhundert residierte in Mêrdîn die islamisch-oghusische Dynastie der Ortoqiden oder Artukiden (auch Artuqiden). Das Herrscherhaus ließ Koranschulen, Medresen, Hamams (Badehäuser) und die große Moschee errichten. 1507 wurde Mêrdîn von den Osmanen erobert.

Der Durchgang zum Mausoleum der Tuba Hatun

1915 begann der armenische Völkermord. Bis 1918 wurden im Verlauf des Genozids unter Verantwortung der jungtürkischen Regierung mindestens 1,5 Millionen Armenierinnen und Armenier, etwa eine halbe Million Suryoye (Chaldäer, Aramäer, Assyrer), mehrere hunderttausend Pontosgriechen und Angehörige anderer nicht-muslimischer Bevölkerungsgruppen wie der Eziden und Nestorianer ermordet. Die Armenier bezeichnen dieses dunkle Kapitel ihrer Vergangenheit Aghet, die Katastrophe, die Suryoye Seyfo oder Sayfo, Schwert. Durch den 1923 unterzeichneten Vertrag von Lausanne wurde Mêrdîn zur Grenzstadt und von einem großen Teil seines Hinterlandes abgeschnitten.