Den Film „Mein Paradies“, organisiert von der Solidaritätsgruppe „Schwerin für Rojava“ und dem „Kirchlichen Dienst in der Arbeitswelt“ (KDA) am Freitagabend in der Aula der VHS Schwerin, wollten sich rund 70 Menschen nicht entgehen lassen. Der Film des ezidischen Filmemachers Ekrem Heydo zeigte ein beeindruckendes und berührendes Bild der Entwicklung der Lebensumstände der Bevölkerung von Serêkaniyê (Ras al-Ain) in den letzten zehn Jahren - insbesondere der Schicksale einiger seiner ehemaligen, auf einem Klassenfoto verewigten Klassenkameraden und ihrer verschiedenen Ethnien angehörigen Familien. Deren trotz der autoritären Strukturen des syrischen Nationalismus gewachsener Zusammenhalt und ihre Freundschaften haben durch Flucht und Leid im syrischen Bürgerkrieg und durch die Terrorherrschaft des sogenannten „Islamischen Staates“, sehr gelitten. Einer der Klassenkameraden sprach davon, dass „ein Paradies nichts sei ohne seine Menschen“. Erst die Rückeroberung des Gebiets durch die (kurdisch geführten) Demokratischen Kräfte Syriens (QSD) im Jahre 2015 ermöglichten Hoffnung und Neuanfang.
Ekrem Heydo wies darauf hin, dass tragischerweise im Oktober 2019 die Türkei in Absprache mit den USA und Russland ein 120 mal 30 Kilometer großes Gebiet Rojavas (Nord- und Ostsyrien) besetzen konnte, darunter auch Serêkaniyê. Ihre Truppen vertrieben hunderttausende Menschen aus dieser Region und machten die Stadt, zu deren Bewohnern auch die im Film gezeigten Personen gehörten, zu einer Geisterstadt.
In der anschließenden Diskussion, an der mehr als die Hälfte der Besucher*innen noch teilnahm, wurde die tiefe Menschlichkeit dieses Films hervorgehoben, ebenso wie die Notwendigkeit, dem weitgehenden Schweigen der Medien entgegenzuwirken und sich mit Situation und Entwicklung der nordostsyrischen Region und ihrer Form der Verwirklichung eines solidarischen Zusammenlebens ethnisch verschiedener Bevölkerungsteile auseinandersetzen zu können.
Macht der Kreativität ist stärker ist als die der Zerstörung
Ekrem Heydo, der 1995 aus politischen Gründen nach Deutschland kam, ist mit seinem Film „Mein Paradies“ nicht nur in der Bundesrepublik unterwegs, sondern damit auch quer durch Rojava gereist. Für ihn ist Film in Rojava als Ausdruck von Kultur und Kunst ein Mittel um zu zeigen, dass das Leben trotz des Krieges weitergeht. Es ist ein Beispiel dafür, dass die Macht der Kreativität stärker ist als die der Zerstörung.
Der Filmemacher Ekrem Heydo kämpfte nach seiner Ankunft in der Bundesrepublik vier Jahre lang um seine politische Anerkennung als Flüchtling. Nach seiner Ausbildung im Bereich Kamera und Schnitt in Hannover schloss er sein Regiestudium an der Ruhrakademie für Künste in Dortmund ab. Mit seinem ersten Dokumentarfilm „Halabja ― die verlorenen Kinder“ gewann er mehrere internationale Preise.