Veranstaltung zur Rolle der Frauen in Nord- und Ostsyrien

Auf Initiative der Gruppe „Schwerin für Rojava“ berichtete die Hamburger Ethnologin Anja Flach in Schwerin über den „Demokratischen Konföderalismus“ in Rojava und seinen Überlebenskampf gegen die türkisch-dschihadistische Invasion.

Nord- und Ostsyrien (Rojava) steht für ein zutiefst demokratisches Experiment, das unter dem zynischen Namen „Operation Friedensquelle“ seit Oktober 2019 vor den Augen einer schweigenden Weltöffentlichkeit vom NATO-Partner Türkei zerstört zu werden droht.

Dieser Gefahr Einhalt zu bieten ist insbesondere auch Sache der kurdischen Frauen und ihrer militärischen Verteidigungseinheiten beim Aufbau eines „Demokratischen Konföderalismus“: die Gleichberechtigung von Kulturen, Religionen und Geschlechtern, die praktische Überwindung nationalstaatlichen Denkens, eine demokratische Selbstverwaltung „von unten“ und eine ökologische und nachhaltige Gesellschaft.

Seit 2014 wird diese Vision in die Tat umgesetzt - eine konkrete Utopie, in der die kurdische Frauenbewegung gemäß dem Ansatz der „Jineolojî“ (Frauenwissenschaft) eine andere Art der Politik anstrebt: gemeinschaftliche Werte zu schaffen wie Kommunalität, Diskussion im Konsens sowie ein fürsorgliches und verantwortungsvolles Miteinander.

Erwartungsvolle Spannung lag in den Gesichtern der bunt gemischten Besucher*innen, als am Freitag zur Eröffnung der Veranstaltung zur Rolle der Frauen in Nord- und Ostsyrien und Rojava kurdische Lieder erklangen. Auf Initiative der Gruppe „Schwerin für Rojava“ hatte die Rosa-Luxemburg-Stiftung (RLS) Mecklenburg-Vorpommern in die ehrwürdige Aula der Schweriner Volkshochschule eingeladen. An die 40 Personen lauschten konzentriert dem Vortrag der Hamburger Ethnologin und Aktivistin Anja Flach zu den von ihr gemachten Erfahrungen mit dem Projekt eines „Demokratischen Konföderalismus“ in dieser Region des Mittleren Ostens. Flach berichtete von der neuen, selbstbestimmten Lebensweise im Nordosten Syriens, von ihrer Gefährdung durch die türkisch-dschihadistische Besatzung, vor allem aber auch von der Gestaltungsfähigkeit und dem Widerstand der Frauen der verschiedenen Völkerkomponenten.

So greifen z.B. die in vielfältige Traditionen eingebundenen arabischen Frauen (ohne Anweisung „von oben“!) dankbar die neuen Möglichkeiten auf, sich beruflich und persönlich zu bilden ebenso wie den militärischen Fraueneinheiten beizutreten. Schwerpunkte der anschließenden, sehr angeregten Diskussion lagen darin, wie eine derartige Form von Demokratie vor Ort funktioniert und wie das beredte Schweigen der beteiligten großen und kleinen Mächte zu diesem Demokratieprojekt und seiner Gefährdung durchbrochen werden könne.  

Wer ist Anja Flach?

Anja Flach ist Ethnologin, Aktivistin der kurdischen Frauenbewegung, Mitglied des Frauenrates Rojbin Hamburg, Autorin der Bücher „Jiyaneke din, ein anderes Leben – Zwei Jahre bei der kurdischen Frauenarmee“ (2003), „Frauen in der kurdischen Guerilla“ (2007) sowie „Revolution in Rojava" (2015). Außerdem engagiert sie sich für die Kampagne „Tatort Kurdistan“.