Landshut: Gedenken zum 35. Jahrestag des Giftgasangriffs auf Helebce

Am 16. März jährt sich der Giftgasangriff auf Helebce. Dort und in Landshut finden zeitgleich Veranstaltungen statt, die via Videostream miteinander verbunden sind. Redner:innen an beiden Orten werden über das Thema „Gedenken“ sprechen.

Am 16. März 1988 wurde die kurdische Stadt Helebce (Halabja) durch eine Giftgasattacke getroffen. Etwa 5.000 Menschen, unter ihnen viele Frauen und Kinder, starben innerhalb weniger Minuten einen qualvollen Erstickungstod. Die Attacke erfolgte im Rahmen der „Anfal-Operation“ des Baath-Regimes, das in Bagdad regierte. Die Bilder der Opfer des Angriffs auf Helebce sind fester Bestandteil des kollektiven Gedächtnisses der kurdischen Bevölkerung. Es war der massivste Einsatz von Giftgas seit dem Ersten Weltkrieg und hat zu einer dauerhaften Verunreinigung des Bodens und Wassers geführt.

Etwa 10.000 Menschen erlitten beim Angriff auf Helebce schwere Verletzungen und langfristige gesundheitliche Schäden wie Hautverbrennungen, Verbrennungen an den Augen und der Lunge. Die entstandenen Genschäden verursachten einen Anstieg der Krebserkrankungen und Missbildungen bei Neugeborenen. Nach einem Jahrzehnt hatte sich die Zahl der Menschen mit Down-Syndrom verdoppelt und die Leukämierate verdreifacht. Auch heutzutage berichten die Überlebenden oder deren Nachfahren von Spätfolgen, wie zum Beispiel Hautkrebs, Augenkrankheiten, Atemproblemen, Unfruchtbarkeit, Missbildungen, Nervenschäden und psychische Probleme, darunter Depressionen und posttraumatische Belastungsstörungen.

Die Giftgasfabrik, aus der die tödlichen Bomben kamen, wurde in den 1980er Jahren mit Hilfe deutscher Technologie erbaut und von deutschen Firmen beliefert. Nur durch diese Beihilfe und illegale Waffengeschäfte deutscher Unternehmen mit dem irakischen Baath-Regime konnten Chemiewaffen in diesem Ausmaß hergestellt und ihr Einsatz ermöglicht werden. Damit trägt Deutschland eine Verantwortung für die Opfer von Helebce, verweigert sich jedoch seit Jahrzehnten, seiner Schuld bewusst zu sein.

Anlässlich des 35. Jahrestags des Giftgasangriffs auf Helebce sind weltweit Gedenkveranstaltungen geplant. Auch im niederbayerischen Landshut soll diesem Ereignis gedacht werden. Dazu lädt der Internationale kurdische Freundschaftsverein in den Rocketclub ein. Zeitgleich zum dortigen Gedenken wird auch in Helebce eine Veranstaltung beginnen, die sich mit Landshut per Liveschalte verbinden wird. Dabei werden die 3800 Kilometer, die Landshut von Helebce trennen, für eine knappe Stunde überwunden. Nach ein paar kurzen einführenden Worten des kurdischen Freundschaftsvereines werden abwechselnd aus beiden Städten Reden übertragen, die in die jeweilige Sprache übersetzt werden, erklärte eine Vereinssprecherin zum Ablauf des Programms.

Die Veranstaltung wird im Gedenken der Opfer und ihrer Angehörigen stehen. Gleichzeitig soll es sich nicht ausschließlich um einen Blick in die Vergangenheit handeln, sondern auch eine Ermahnung im Jetzt. Beginnend wird in Helebce von dem Ereignistag und den anhaltenden Folgen für die Bevölkerung berichtet, aber auch von den Bemühungen nach einer strafrechtlichen Aufarbeitung. In den folgenden Beiträgen kommen Expert:innen, Vertreter:innen von verschiedenen NGOs und Politiker:innen auf beiden Seiten abwechselnd zu Wort. In einem gemeinsamen Podium wird die Frage gestellt, wie eine nachhaltige Erinnerungsarbeit aussehen sollte und welche Aufgabe eine deutsche Gesellschaft diesbezüglich hat. Was haben wir daraus gelernt? Können solche grausamen Massaker in unserer Zukunft verhindert werden?

Nach den vielseitigen Beiträgen schließt eine gemeinsame Schweigeminute die Übertragung. Im weiteren Verlauf der Veranstaltung wird eine zehnminütige Reportage über Helebce gezeigt, die von zwei Landshuter:innen im vergangenen Jahr zum 34. Jahrestag des Giftgasangriffs gedreht wurde. Nach abschließenden Worten der Organisator:innen um 18 Uhr ist es den Teilnehmenden möglich, weitere Informationen über die Geschehnisse des 16. März 1988 und deren Zusammenhänge auf Infotafeln einer Ausstellung durchzulesen.


Wann: 16. März 2023

Wo: Rocketclub, Ladehofplatz 5, Landshut

Uhrzeit: 16.00 Uhr | Einlass: 15.30 Uhr