Vor 35 Jahren, am 16. März 1988, bombardierten irakische Flugzeuge die kurdische Stadt Helebce (Halabdscha, auch Halabja) mit Giftgas. Rund fünftausend Menschen erstickten qualvoll, etwa 10.000 wurden schwer verletzt und Tausende weitere starben nach dem Angriff oder erlitten dauerhafte Gesundheitsschäden. Es war der massivste Einsatz von Giftgas seit dem Ersten Weltkrieg. Viele Bewohnerinnen und Bewohner der Stadt an der Grenze zu Iran leiden bis heute an den Folgen des Giftgaseinsatzes. Die Initiative „Defend Kurdistan“ ruft zum Jahrestag des Massakers zu internationalen Aktionstagen auf. Die Proteste setzen den Fokus auf die Kontinuität des Genozids an den Kurd:innen:
Angriffe gegen die Revolution in Kurdistan
Anhaltende Giftgasangriffe in Südkurdistan, gezielte Drohnenschläge auf die Selbstverwaltung von Nord- und Ostsyrien, die bevorstehenden Wahlen in der Türkei und das katastrophale Erdbeben, das wegen systematischer Vernachlässigung und Unterbindung von ziviler Selbsthilfe durch den türkischen Staat zehntausenden Menschen das Leben kostete. Bereits die ersten Wochen des neuen Jahres verkünden, wie es nicht anders zu erwarten war, dass die Angriffe gegen die Revolution in Kurdistan in aller Härte weitergehen und sich in den kommenden Wochen und Monaten weiter zuspitzen werden. Schon heute plant das AKP/MHP-Regime samt seinen politischen Unterstützern die kommenden Schritte zur Zerschlagung der Selbstverwaltung in Kurdistan. Denn ohne das Heraufbeschwören eines Feindbildes und ohne die Aufrechterhaltung eines permanenten Kriegszustandes könnte sich der türkische Präsident Erdoğan nicht an der Macht halten. So sollen Kriege über die Krise des türkischen Staates hinwegtäuschen und demokratische Kräfte zerschlagen werden, die eine Alternative zu dem vorherrschenden Zustand des Chaos darstellen. Um Eigeninteressen zu wahren, kann der türkische Staat mit seiner mörderischen Politik auf die Rückendeckung internationaler Mächte hoffen, welche das Kriegsgerät liefern, durch das täglich brutale Verbrechen verübt werden.
Traurige Tradition: Einsatz von Giftgas in Kurdistan
Dass die heutigen Angriffe eine Fortsetzung der genozidalen Politik gegenüber der kurdischen Gesellschaft sind, zeigt ein Blick in die jüngere Geschichte. So hat der Einsatz von Giftgas insbesondere in Kurdistan eine traurige Tradition. In diesem Sinne stehen die Staatsmänner Atatürk, Saddam Hussein und Erdoğan in einer historischen Linie, die es zu verstehen gilt. Schon beim Völkermord von Dersim 1937-38 wurden durch Atatürk von Nazideutschland gekauftes Giftgas und Flugzeuge eingesetzt. Saddam Hussein massakrierte am 16. März 1988 tausende Menschen im südkurdischen Halabja mit Giftgas aus deutscher Produktion und Erdoğan begeht heute mit chemischen Waffen in den Bergen Kurdistans ebenfalls größte Kriegsverbrechen. Immer wieder greifen die Herrschenden im Kampf gegen die Freiheitsbestrebungen der Völker im Mittleren Osten auf grausamste Mittel zurück, wie auch heute das brutale Vorgehen gegen die Revolution im Iran unter Beweis stellt.
Staaten sehen Herrschaft durch Revolutionen gefährdet
Neben dem Jahrestag des Massakers in Halabja ist der Monat März über die Geschichte hinweg nicht nur gespickt mit Tagen, die Anlass für Trauer und Wut sein sollten, sondern ebenso mit zahlreichen Momenten, die Ausdruck der Hoffnung und des Aufstands gegen Unterdrückung sind. Am 18. März vor fast 152 Jahren wurde die Pariser Kommune ausgerufen. Nach fast zwei Jahren des Krieges zweier Nationalstaaten, der Hunderttausenden das Leben kostete, probte die Gesellschaft den Aufstand. Die Menschen in Paris richteten die Waffen gegen ihre Peiniger und kämpften für eine Selbstverwaltung, die uns ein wichtiges Beispiel gibt und aus der wir Lehren ziehen können. Wie nämlich damals eine Koalition aus internationalen Mächten versuchte, den Wunsch der Menschen auf Selbstbestimmung zu brechen und im Blut Tausender zu ertränken, so schließen sich immer wieder staatlichen Mächte unter dem Banner des Kampfes gegen die Revolution zusammen. Nachdem Kobanê in Nord- und Ostsyrien gegen den Islamischen Staat verteidigt wurde und sich mit der Befreiung Raqqas und Deir ez-Zors die Revolution in den folgenden Jahren in arabischen Städten verbreitete, sehen sowohl Ankara und Damaskus als auch Moskau und Washington ihre Herrschaft durch diese multiethnische Revolution gefährdet. In dem Moment, in dem sich die Selbstverwaltung trotz größter Widrigkeiten behauptete, startete das türkische Militär im Januar 2018 eine grenzüberschreitende und völkerrechtswidrige Militäroperation. Unter dem Namen „Operation Olivenzweig“ startete damals der Krieg gegen Afrin, dem westlichsten Kanton der Selbstverwaltung. Wie ein Jahr später die USA über Serêkaniyê und Girê Spî den Luftraum für eine weitere Invasion öffneten, so gab 2018 Russland dem türkischen Staat die Möglichkeit, mit Dschihadisten und Leopard-2-Panzern aus deutscher Produktion die Selbstverwaltung anzugreifen. Nach zwei Monaten unbeschreiblichen Widerstandes wurde Afrin am 18. März vor fünf Jahren besetzt und Hunderttausende wurden in die Flucht getrieben.
Angriffe mit vereintem Willen brechen
Wir werden nicht über die Mittäterschaft unserer Regierungen hinwegsehen. Lasst uns heute Kurdistan mit dem Geist der Pariser Kommune und des Widerstandes in Afrin verteidigen! Beginnend mit dem Jahrestag des Massakers in Halabja am 16. März bis zu dem Tag der politischen Gefangenen am 18. März, der gleichzeitig den Jahrestag der Pariser Kommune und der Besatzung Afrins markiert, rufen wir dazu auf, in Aktion zu treten! Wenn internationale Staaten sich im Kampf gegen die Revolution vereinigen, so müssen wir umso bestimmter für diese streiten. Der Krieg in Kurdistan, das internationale Schweigen gegenüber der Isolation des Repräsentanten der Freiheitsbewegung, Abdullah Öcalans, die Angriffe auf die kurdische Frauenbewegung können nur gemeinsam und mit vereintem Willen gebrochen werden.
P.S: Bitte schickt Bilder und Videos von euren Aktionen und eine kleine Erklärung, wer, wann, wo, warum welche Aktion gemacht hat, an [email protected]. Wir werden sie dann für unsere Medienarbeit verwenden.