Ein Gericht in Istanbul hat den kurdischen Filmemacher Veysi Altay wegen „Terrorpropaganda” zu einer Freiheitsstrafe von einem Jahr und drei Monaten verurteilt. Die Urteilserläuterung* wurde für die Dauer von zwei Jahren aufgeschoben.
Altay war angeklagt, weil er sich als „symbolischer Chefredakteur” im Rahmen der Kampagne „Bereitschaftsjournalismus“ mit der im Oktober 2016 per Notstandsdekret verbotenen prokurdischen Tageszeitung Özgür Gündem solidarisiert hatte. Wegen des Vorwurfs, „Erklärungen einer verbotenen Organisation” veröffentlicht zu haben, verurteilte ihn das Gericht zudem zu einer Freiheitsstrafe von zehn Monaten. Diese wurde in eine Geldstrafe in Höhe von 6.000 TL (umgerechnet etwa 890 Euro) umgewandelt.
Veysi Altay beschäftigt sich seit 20 Jahren mit Fotografie und Kino. Er arbeitete viele Jahre für Amnesty International, den Menschenrechtsverein IHD und berichtete auch über den Krieg in Rojava (Westkurdistan) während dem Widerstand gegen den sogenannten „Islamischen Staat“ (IS) in Serêkaniyê (Ras al-Ain) im Jahr 2013 und dem Kampf um Kobanê 2014. Seine Archivrecherchen zu Themen wie Minen, Lynchkultur, Nationalismus, Saisonarbeiter und den kurdischen Opfern staatlicher Morde veröffentlichte er in dem dreisprachigen Fotobuch Em Ên Wenda („Wir, die Verschwundenen”).
Altays Film Nujîn thematisiert den Kampf gegen totalitäre Ideologien. Der Dokumentarfilm aus der Perspektive von drei Frauen zeigt, wie vor allem Frauen ihr Leben im Widerstand gegen die Zerstörer der Stadt Kobanê einsetzen, um das Leben in dieser Stadt zukünftig wieder möglich zu machen. Wegen dem Film wurde Altay in der Türkei wegen „Terrorpropaganda” angeklagt. Die Staatsanwaltschaft Batman sah in dem Filmplakat eine Straftat, weil darauf eine YPJ-Kämpferin mit YPG-Fahne zu sehen ist. Laut Anklageschrift trage das Plakat dazu bei, die „Terrororganisation YPG positiv darzustellen“. Altay erklärte dazu: „Ich glaube nicht, dass die YPG meiner Propaganda bedürfen.“
Sein Dokumentarfilm BÎR befasst sich mit dem Fall von sieben Menschen, darunter vier Kindern, die 1995 aus der nordkurdischen Stadt Kerboran (Dargeçit) verschwunden sind, und erzählt die Geschichte der unermüdlichen Suche ihrer Familien nach ihren Knochen. In den 1990er Jahren wurden viele Menschen in Kurdistan inhaftiert und unter Folter verhört; ihre Mörder entsorgten die Leichen, indem sie sie aus Hubschraubern warfen oder in säuregefüllten Brunnen begruben. Tausende wurden von paramilitärischen Kräften – wie Jitem und Hizbul-Kontra – ermordet, die vom Staat finanziert und unterstützt wurden.
*Die „Aufschiebung der Urteilserläuterung“ ist eine Sonderregel im türkischen Recht, die sich ähnlich wie die Bewährung auswirkt.