Golshifteh Farahani: Jin, Jiyan, Azadî bedeutet Hoffnung

Die kurdischen Frauen, die den IS bekämpfen, seien „die tapfersten Frauen der Welt“, sagt Golshifteh Farahani, Hauptdarstellerin des Films Girls of the Sun, der auf dem 71. Filmfestival in Cannes gezeigt wurde.

Die Schauspielerin Golshifteh Farahani ist eine der wichtigsten globalen Vertreterinnen des iranischen Kinos und spielte auch in vielen kurdischen Filmen. Die Hauptdarstellerin des Films Girls of the Sun von der Filmemacherin Eva Husson, der auf dem 71. Filmfestival von Cannes gezeigt wurde, sagt von sich selbst, immer für das gekämpft zu haben, an das sie glaubt. Seit ihrer Jugend setzt sich Farahani gegen die Diskriminierung von Frauen ein. Im Iran wurde die Schauspielerin zum Tode verurteilt, nachdem sie aus Protest gegen die repressive Politik gegen Frauen nackt posiert hatte. Im Pariser Exil sagt Farahani: „Meine Heimat habe ich zwar verloren, aber jetzt gehört mir die gesamte Welt“.

In sechs kurdischen Filmen gewirkt

Die mehrfach ausgezeichnete Schauspielerin Farahani begann mit fünf Jahren, Piano zu spielen. Als Aktivistin engagiert sie sich für den Umweltschutz und war im Iran Botschafterin für die Bekämpfung von Tuberkulose. In fast 30 Filmen war sie bisher zu sehen, bei dem internationalen Publikum wurde sie vor allem bekannt durch ihre Rolle in dem US-amerikanischen Thriller Der Mann, der niemals lebte des Regisseurs Ridley Scott an der Seite von Leonardo DiCaprio und Russel Crow. Mit ihrer Darstellung in Jim Jarmush’s Paterson erregte sie ein weiteres Mal die Aufmerksamkeit der internationalen Filmszene.

Und auch das kurdische Filmpublikum kennt Golshifteh Farahani bereits sehr gut. Neben ihrer Rolle in Bahman Ghobadis Half Moon wirkte sie unter anderem auch in zwei Produktionen des Filmemachers Hiner Saleem. Zuletzt spielte sie in Girls of the Sun, der die Geschichte vom Kampf kurdischer Frauen gegen den IS erzählt, die Guerillakommandantin Bahar. Im Gespräch mit ANF sagte die Schauspielerin über die Frauen, die den IS bekämpfen: „Sie sind die tapfersten Frauen der Welt“.

Sie spielen in Girls of the Sun eine ezidische Kämpferin. Was haben Sie dabei empfunden?

Als ich diese Rolle spielte, fühlte ich mich wirklich zutiefst geehrt und war mir der großen Verantwortung bewusst. Es geht um Frauen, die gefoltert, verkauft und vergewaltigt wurden. Aber sie spielen nicht das Opfer, sondern kämpfen. Es sind sehr starke Frauen, daher war es eine große Verantwortung. Mit dieser Rolle habe ich mich selbst ein wenig geheilt.

Wie sind Sie in die Rolle als Kämpferin eingetaucht? Wie haben Sie sich vorbereitet?

Die Geschichte der Eziden kannte ich bereits. Und auch die Peschmerga. Während der Dreharbeiten zu dem Film My sweet Pepperland von Hiner Saleem war ich in Kurdistan, wo wir eine militärische Ausbildung erhielten und lernten, wie wir mit der Waffe umzugehen haben. Die Phonetik und Aussprache der kurdischen Sprache musste ich ebenfalls lernen. Ich verstand Kurdisch bereits ein wenig, weil es dem Persischen etwas ähnelt. Aber ich habe mich explizit auf Soranî konzentriert und nicht auf Kurmancî, weil ich glaubte, dass mir Soranî leichter fallen würde. Psychologisch musste ich mich ebenfalls vorbereiten, denn es sollte eine kraftvolle Erfahrung werden.

Was denken Sie über die Frauen, die gegen den IS kämpfen?

Ich habe in meinem ganzen Leben noch nie so starke Frauen gesehen. Auch in den Dörfern sah ich, dass Frauen alles taten. Sie arbeiteten auf den Feldern, kümmerten sich um die Tiere und ihre Kinder. Während die Männer Domino spielten, waren es die Frauen, die sich um ihr Heim kümmerten. Die Frauen, die den IS bekämpfen, sind meiner Meinung nach das beste Beispiel für den Fortschritt und die Freiheit von Frauen. Sie sind wie die Lotusblume, die unter den schwierigsten Umständen wächst. Ihre Dörfer sind aus Schlamm, sie leben unter den unmöglichsten Bedingungen, doch wie eine Lotusblume wachsen sie aus dem Schlamm ins Licht. Sie sind wahrhaftig die Mädchen der Sonne. Es war ein außergewöhnliches Erlebnis, eine von ihnen zu spielen.

Der Slogan „Jin, Jiyan, Azadî“ wird im Film verwendet. Was bedeutete das für Sie?

Ich verstand sehr gut, was ich sagte. Der Slogan bedeutet Hoffnung und Freiheit für Frauen. Es geht um die Frau, die in ein Leben voller Freiheit schreitet. Das gilt nicht nur für Frauen, sondern auch für Männer und ganz Kurdistan. „Ji bo jin, ji bo azadî“… Der Vogel im Film wird auch Azadî genannt. Ich wünsche dem gesamten kurdischen Volk Frieden und Freiheit. Das wünsche ich allen kurdischen Frauen und Männer, wo auch immer sie sind, egal in welcher Region. Ich hoffe, dass sie am Ende den Frieden finden werden, den sie wirklich verdienen.

Glauben Sie, dass es genug internationale Reaktion auf die Frauen gibt, die gefangengenommen, ermordet, vergewaltigt und versklavt werden?

Genau deshalb ist dieser Film wichtig. Die Leute wissen es einfach nicht. Sogar Emmanuelle Bercot, die ebenfalls in unserem Film gespielt hat, kannte die Geschichte dieser Frauen nicht. Es war aber ein Völkermord, der dort passierte. Die Leute haben aber auch nicht wirklich Ahnung von dem Völkermord an den Armeniern. Sie haben auch keine Ahnung darüber, was die Eziden durchgemacht haben. Aus diesem Grund ist es wichtig, ihre Geschichten zu erzählen.

Während wir uns hier unterhalten, gibt es immer noch Frauen, die gefangen sind. Ich wünsche, dass sie befreit und ein freies Leben führen werden. Meine Hoffnung liegt darin, dass dieser Film die internationale Gemeinschaft dazu bewegt, ein Bewusstsein für die Frauen zu schaffen, damit etwas getan wird. Weil es wirklich entsetzlich ist, was die Frauen durchmachen.

Wie nah fühlen Sie sich der Rolle von Bahar, die Sie gespielt haben?

Zweifellos habe ich viel mit Bahar gemeinsam. Sie sieht sich selbst nicht als Opfer, ich auch nicht. Die Welt wollte mich zwar als Opfer darstellen, ich habe es aber abgelehnt. Bahar ist eine Guerillakämpferin, eine Peschmerga und Kommandantin. Sie ist die Tochter der Sonne und sie ist stark. Ich hoffe, ich kann so mutig sein, wie sie es ist. Sie ist weitaus stärker als ich, aber ich trage Hoffnung, mich ihrem Mut zu nähern.