FEYKOM fragt Parteien nach ihrer Position zu Kurdistan

Der kurdische Dachverband FEYKOM hat im Vorfeld der österreichischen Nationalratswahlen am Sonntag die antretenden Parteien zu ihrer Haltung zum Thema Kurdistan befragt. In Österreich leben rund 150.000 Kurdinnen und Kurden.

Nationalratswahlen in Österreich

Im Vorfeld der österreichischen Nationalratswahlen am 29. September richtete der Rat der kurdischen Gesellschaft in Österreich (FEYKOM) einen Fragenkatalog an österreichische Parteien, um deren Position zu Anliegen kurdischstämmiger Österreicher:innen zu eruieren. In einer Stellungnahme erklärte FEYKOM, dass ein Großteil der befragten Parteien diese Fragen beantwortet hätte.

Mit dieser Initiative möchte FEYKOM erreichen, dass kurdenbezogene Themen im Wahlkampf mehr Beachtung finden. Erhaltene Antworten sollen genutzt werden, um die Öffentlichkeit noch vor den Wahlen zu informieren und Positionen transparenter zu machen, um die österreichisch-kurdische Wählerschaft bei der Wahlentscheidung zu unterstützen. Laut FEYKOM antworteten die Kommunistische Partei Österreichs (KPÖ), Sozialdemokratische Partei Österreichs (SPÖ), Die Grünen, sowie die NEOS (Das Neue Österreich und Liberales Forum) auf die gestellten Fragen, während die konservative Österreichische Volkspartei (ÖVP) und die Freiheitliche Partei Österreichs (FPÖ) keinerlei Rückmeldung gegeben hätten.

Abdullah Öcalan und die Frage der Isolationshaft

In Bezug auf die Haftbedingungen des seit 1999 in der Türkei inhaftierten PKK-Gründers Abdullah Öcalan herrschte unter den antwortenden Parteien weitgehender Konsens darüber, dass seine Isolation rechtswidrig sei und aufgehoben werden müsse. Die SPÖ betonte, dass die Haftbedingungen Öcalans, wie die aller politischen Gefangenen, internationalen Rechtsstandards entsprechen müssen. Die Grünen wiesen darauf hin, dass sie sich für die Anwendung der sogenannten Nelson-Mandela-Regeln für Gefangene einsetzen und eine menschenwürdige Behandlung fordern. Auch unterstützen sie die Forderung nach einem Besuch des Europäischen Komitees zur Verhütung von Folter (CPT) auf der Gefängnisinsel Imrali. Die NEOS wiederum verwiesen auf die aktuelle internationale Kampagne zur Freilassung Öcalans, die von 69 Nobelpreisträger:innen unterstützt wird; darüber hinaus kündigten sie an, das Thema sowohl in Wien als auch in Brüssel auf die Agenda zu setzen. In der Antwort der KPÖ wurde betont, dass die Isolation eine Menschenrechtsverletzung darstelle und Öcalan eine Schlüsselrolle bei der Friedens- und Demokratisierungsbewegung in der Türkei spielen könne. Die KPÖ fordert überdies Öcalans Freilassung und erwähnte, dass sie sich als Partei und ihr Spitzenkandidat Tobias Schweiger als Unterzeichner in einem offenen Brief an das CPT kritisch zu den herrschenden Haftbedingungen geäußert habe.

Position der Parteien zur Kurdistan-Frage

Die befragten Fraktionen verfolgen unterschiedliche Ansätze in Bezug auf die Rechte der Bevölkerung Kurdistans. Die SPÖ kritisierte die Menschenrechtsverletzungen in der Türkei und im Iran scharf und forderte die Aufhebung der drakonischen Urteile gegen HDP-Politiker:innen. Die NEOS unterstützen das Selbstbestimmungsrecht der Völker und befürworten Projekte, die zu Frieden und Stabilität in der Region beitragen sollen. Die Grünen setzen sich für kulturelle und politische Autonomie der Kurd:innen ein und betonen die Notwendigkeit einer Stärkung demokratischer Strukturen im Nahen Osten. Die KPÖ verurteilte die militärischen Interventionen der Türkei in kurdischen Gebieten und schlug vor, dass Österreich als Vermittler auftreten könne.

Umgang mit türkisch-rechtsextremen und nationalistischen Bewegungen in Österreich

In Bezug auf die Aktivitäten türkisch-nationalistischer Gruppen, insbesondere der rechtsextremen „Ülkü Ocakları“ (Graue Wölfe), zeigen die Parteien klare Positionierung. Die SPÖ fordert eine strikte Anwendung des Verbots der Symbole dieser Gruppierung und rechtliche Maßnahmen gegen deren Aktivitäten. NEOS plädieren für eine Null-Toleranz-Politik und fordern den Entzug jeglicher Unterstützung. Die Grünen unterstreichen, dass die „Ülkü Ocakları“ eine Bedrohung für Feministinnen und Minderheiten darstellen, und betonen die Notwendigkeit präventiver Maßnahmen. Die KPÖ sieht in den „Ülkü Ocakları“ ein gesellschaftliches Problem und vertritt die Auffassung, dass eine bessere Integration von Migrant:innen in die österreichische Gesellschaft die effektivste Lösung gegen solche Ideologien darstellt.

Asylpolitik insbesondere im Hinblick auf kurdische Geflüchtete

Auch bei der Asylpolitik gibt es sowohl Unterschiede als auch Parallelen. Die NEOS fordern eine Beschleunigung von Asylverfahren. Die SPÖ erklärt, dass sie die legitimen Rechte aller rechtmäßig in Österreich befindlichen Personen verteidige und sich gegen die Verlagerung von Auslandskonflikten nach Österreich stelle. Die Grünen betonen, dass Menschenrechte nicht verhandelbar seien und Asylanträge von kurdischen Flüchtlingen fair und zügig bearbeitet werden müssten. Die KPÖ setzt sich für den Schutz aller politisch Verfolgten ein und spricht sich klar gegen Abschiebungen in die Türkei aus.

Zusammenarbeit mit kurdischen Organisationen

Sämtliche Parteien betonen die Bedeutung der Kooperation. Die KPÖ hebt ihre langjährige Zusammenarbeit hervor und betrachtet kurdische Organisationen als strategische Partner im Kampf für Demokratie und soziale Rechte. Die Grünen erklären, dass sie die Bedürfnisse und Forderungen der kurdischen Gemeinschaft ernst nehmen und Bewusstsein für ihre Themen schaffen wollen. Die NEOS verweisen auf den aktiven Dialog mit kurdischen Verbänden und deren Anliegen im Bereich der Menschenrechte, die sowohl in Österreich als auch auf EU-Ebene thematisiert würden.

Dieser Dialog verdeutlicht die unterschiedlichen Haltungen und politischen Programme der Parteien in Österreich hinsichtlich der kurdischen Frage, der Menschenrechte und der integrationspolitischen Herausforderungen.

Fazit

FEYKOM zieht folgendes Fazit:

  • Kurd:innen leben seit fast 100 Jahren in Österreich, heute sind es ca. 150.000 Kurd:innen aus allen vier Teilen Kurdistans.

  • Festzuhalten bleibt, dass die meisten Parteien ein Bewusstsein für die kurdischstämmige Wählerschaft entwickelt haben und die Anliegen der Kurd:innen in Österreich ernst nehmen.

  • Die kurdische Frage muss außen- wie innenpolitisch behandelt werden. Deshalb freuen wir uns darüber, dass KPÖ, SPÖ, Grüne, und NEOS die Belange der Kurd:innen ernst nehmen und sie aktiv mit ihren Antworten ansprechen. ÖVP, FPÖ und die Bier-Partei haben jedoch nicht geantwortet. Das zeigt, dass diese Parteien noch nicht bereit sind, sich aktiv mit Interessen der Kurd:innen auseinanderzusetzen.

  • Wir hoffen nicht nur, dass diese Wahlprüfsteine Interessierten Aufschluss darüber geben können, wie die Vertreter:innen der hiesigen Parteienlandschaft zur kurdischen Frage stehen, sondern auch auf rege Beteiligung kurdischstämmiger Österreicher:innen an den Nationalratswahlen 2024.