Antikurdischer Rassismus und türkischer Ultranationalismus
Die gemeinsame Veranstaltung der Interventionistischen Linken Rhein-Neckar (IL) und des Kurdischen Gemeinschaftszentrums Mannheim-Ludwigshafen, bei der Civan Akbulut – Mitbegründer und Vorsitzender der Informationsstelle antikurdischer Rassismus (IAKR) – zu den Themen antikurdischer Rassismus und türkischer Ultranationalismus referieren sollte, war schon lange geplant gewesen. Doch nur etwas mehr als eine Woche vor dem angedachten Termin erreichte die Veranstalter:innen die Nachricht, dass die geplanten Räume im städtischen Bürgerhaus Neckarstadt entgegen einer bereits erfolgten Zusage nicht genutzt werden dürfen. Die fadenscheinige Begründung dafür: Es handele sich um ein zu „kontroverses Thema“.
Doch schnell konnte ein neuer Veranstaltungsort gefunden werden. So fand der Vortrag zum geplanten Termin am 24. September im JUZ Mannheim statt. Ungefähr 50 Zuhörer:innen waren gekommen, um dem etwa anderthalbstündigen Vortrag von Civan Akbulut zu folgen. Neben seiner Arbeit für die IAKR ist Akbulut Mitglied im Integrationsrat der Stadt Essen.
Akbulut stellte zunächst die Arbeit der 2024 gegründeten Informationsstelle vor, die Vorfälle von antikurdischem Rassismus sammelt und auswertet. Lebhaft untermalte er die Bedeutung dieser Arbeit mit anonymisierten Beispielen gemeldeter Fälle. So berichtete er von einem gemeldeten Vorfall, bei dem eine junge Kurdin auf die Frage, woher sie komme, mit „Kurdistan“ antwortete und von ihrem aggressiv reagierenden Gegenüber unvermittelt mit der Faust geschlagen wurde.
Diese Beispiele leiteten über zu einer weiter gefassten Einführung in die Formen des antikurdischen Rassismus, der sich in vielen Formen ausdrücken kann: Sei es als Verschwörungsideologie („Kurd:innen als Puppen höherer Mächte wie der USA oder der Zionist:innen“), in der Darstellung von Kurd:innen als minderwertig und unterentwickelt oder – zu sehen auch in der Kriminalisierung kurdischer Einrichtungen in Deutschland – in ihrer Darstellung als gefährliche Bedrohung.
18.000 Personen werden den Grauen Wölfen zugerechnet
Der antikurdische Rassismus ist eines der zentralen Verbindunsgselemente des türkischen Ultranationalismus. Akbulut zeichnete in diesem Sinne die Entwicklung der rechtsextremen „Grauen Wölfe“-Bewegung von ihrem führenden Ideologen Alparslan Türkeş, dem Gründer der MHP, bis heute nach. Im Fokus stand dabei auch, wie früh sich bereits in Deutschland erste Vereine dieses politischen Spektrums konstituierten. Akbulut betonte dabei, dass diese von Beginn an auf die Unterstützung konservativer deutscher Politiker zählen konnten, die den türkischen Ultranationalismus als Bollwerk gegen linke und kommunistische Bestrebungen unter den sogenannten Gastarbeitern durchaus willkommen hießen und seine Sympathien zu Hitler oder Mussolini dabei entweder ignorierten oder heimlich sogar teilten.
Auch heute sind ungefähr 18.000 Menschen in Deutschland dem Spektrum der Grauen Wölfe zuzuordnen. Sie verfügen nicht nur über eigene Vereine, sondern nehmen über die Mitgliedschaft in Parteien und Gremien auch Einfluss auf politische Entscheidungen – so stellen sie auf der Straße wie auf institutioneller Ebene eine Bedrohung für Kurd:innen dar.
Doch nicht nur von offensichtlich den Grauen Wölfen zuzurechnenden Vereinen wie der ADÜTDF geht antikurdischer Rassismus aus. Auch Erdogans AKP, islamistische Kräfte und in Teilen auch die deutsche Rechte nutzen diese Ideologie. Gerade die türkische Regierung, deren Religionsbehörde DIYANET die deutsche Moschevereinigung DITIB steuert, übt auf diesem Weg einen erheblichen Einfluss aus.
Die Grenzen des Sagbaren werden verschoben
Gerade im Zeitalter der sozialen Medien, deren Einfluss Akbulut den letzten Teil seines Vortrags widmete, setzen menschenfeindliche Gruppen bewusst auf die Strategie, die Grenzen des Sagbaren zu verschieben. Dabei entstehen mitunter auch auf den ersten Blick ungewöhnliche Allianzen: So unterstützte beispielsweise AfD-Politiker Maximilian Krah offen die Regierung Erdogans oder machen türkische Rechte auf X, vormals Twitter, Stimmung gegen Migrant:innen in Großbritannien. Doch auf den zweiten Blick wirken diese Verbindungen gleich weniger erstaunlich. So betonte Akbulut: „Ungleichwertigkeitsideologie, egal ob nun der Islamismus oder Ultranationalismus, ob nun aus Deutschland oder der Türkei, sind eine Gefahr für unsere Gesellschaft. Bei allen Unterschieden sind ihre gemeinsamen Feindbilder Linke, Andersdenkende und Minderheiten.“
In diesem Sinne beendete Akbulut seinen informationsreichen Vortrag mit einem Plädoyer für gemeinsame antifaschistische Kämpfe: „Diese Ungleichwertigkeitsideologien, ob religiös oder politisch motiviert, führen zu Spaltung, Hass und Gewalt und müssen daher gemeinsam und entschieden bekämpft werden!“