Mehmet Yıldırım wurde Opfer einer extralegalen Hinrichtung
Rund ein Jahr nach dem Tod des 45-jährigen Mehmet Yıldırım bei einer Militäroperation in der kurdischen Provinz Amed (tr. Diyarbakır) sieht sich dessen Familie mit einer Entschädigungsforderung der Behörden konfrontiert. Obwohl der Kurde Zivilist war und Opfer einer extralegalen Hinrichtung durch die türkische Armee wurde, verlangt der Staat nun rund 48.000 Türkische Lira – zur Deckung der Verletzungen eines an der Operation beteiligten Offiziers. Angehörige des Getöteten sprechen von einem Skandal und werfen den Behörden eine Verdrehung der Täter-Opfer-Verhältnisse vor.
Yıldırım war am 24. Mai 2024 in der ländlichen Ortschaft Nenyas, die zum Kreis Licê im Nordosten der Provinz gehört, erschossen worden. Die Tötung erfolgte in einer Nacht-und-Nebel-Aktion: Nenyas wurde belagert und das Haus der Familie Yıldırım, die bereits häufig von Polizei und Armee schikaniert worden war, gestürmt. Laut Nachbarn versuchte Mehmet Yıldırım, der erst kurz zuvor in seinem Haus eingetroffen war, noch zu fliehen, doch vergeblich. Soldaten, die sich gebirgigen Gelände oberhalb der Siedlung in Stellung gebracht hatten, nahmen ihn ohne vorherige Warnung mit Salven aus ihren automatischen Gewehren unter Beschuss.
Sevim Balta ist die Schwester von Mehmet Yıldırım © MA
Das türkische Innenministerium denunzierte Yıldırım nach seiner Tötung zum „Terroristen“. Angeblich sei der vierfache Vater in Anschläge gegen staatliche Kräfte verwickelt gewesen, hieß es damals zur Rechtfertigung der extralegalen Hinrichtung. Kurz nach dem Mord a meldete ein beteiligter Offizier, der bei der Militäroperation verletzt worden sein soll, einen Entschädigungsanspruch an. Die Zentrale Entschädigungskommission der Gendarmerie bewilligte vergangenen Mai eine Zahlung von insgesamt 48.096 TL – mit der Auflage, den Betrag von der Familie Yıldırım rückwirkend einzufordern.
Wenige Wochen später erhielt die Familie – konkret die Ehefrau Sevim Yıldırım sowie die Eltern des Getöteten – eine Zahlungsaufforderung mit einer Frist von 30 Tagen. Andernfalls drohe ein gerichtliches Vollstreckungsverfahren. Auch Verzugszinsen wurden in Aussicht gestellt.
Angehörige kündigen rechtliche Schritte an
Die Familie zeigt sich über das Vorgehen empört. Kudret Balta, die Schwester des Verstorbenen, sagte gegenüber der Nachrichtenagentur Mezopotamya: „Mein Bruder wurde praktisch vor den Augen seiner Kinder erschossen. Wir sind die Opfer – und nun sollen wir auch noch zahlen? Das ist unvorstellbar. Eigentlich müssten wir den Staat verklagen, nicht umgekehrt. Wir werden uns rechtlich dagegen wehren“, so Balta.