Dortmund: Tanzprotest gegen Angriffe auf kurdische Kultur

Mit einer öffentlichen Tanzveranstaltung haben Menschen in Dortmund gegen staatliche Angriffe auf kurdische Lebensweisen protestiert. In der Türkei sitzen Dutzende Menschen im Gefängnis, weil sie zu kurdischen Liedern den Govend getanzt haben.

Mit Govend zum Aufstand

In der Türkei sind in den letzten Wochen Dutzende junge Menschen festgenommen, misshandelt und verhaftet worden, weil sie gesungen und den Govend getanzt haben – zu kurdischen Liedern, die als „Propaganda für eine Terrororganisation“ ausgelegt werden. Aus Protest dagegen luden Kurdinnen und Kurden in Dortmund zu einem Open-Air-Tanz ein. Einige Dutzend hauptsächlich junge Menschen kamen dazu am Bahnhofsvorplatz zusammen und tanzten zu kurdischer Live-Musik den Govend.

Govend heißt der traditionelle Folkloretanz Kurdistans, der ein tragendes Element kurdischer Kultur ist. Eine lange Kette aus Menschen, die sich an den Händen oder Schultern haltend rhythmisch zu Musik bewegen, tanzen ein Wir und damit buchstäblich Gemeinschaftlichkeit vor. Der Tanz verbindet Individuen miteinander und wird zu einem kollektiven Erlebnis. Es gibt unzählige Varianten und Interpretationen dieses Volkstanzes, der auf Festen, Hochzeiten und sonstigen Veranstaltungen getanzt wird.


Die repressiven Behörden in der Türkei scheinen mit der Kriminalisierung des Govend einen neuen Weg gefunden zu haben, ihren als „Kampf gegen den Terror“ ausgegebenen antikurdischen Rassismus zu verpacken. Die gegenwärtige Verfolgungswelle kann praktisch jede Person erfassen, die irgendwann mal auf einer Feier, einem Konzert oder Kulturfestival zu vermeintlich „terroristischen Liedern“ getanzt hat. Die DEM-Partei wies kürzlich darauf hin, dass türkische Sicherheitsbehörden soziale Netzwerke wie TikTok oder Instagram nach Videos von kurdischen Veranstaltungen durchforsten würden, um vermeintliche „Propagandisten der Terrororganisation“ – gemeint ist die Arbeiterpartei Kurdistans (PKK) – ausfindig zu machen. Haben sie Erfolg, können die Handschellen bereits mitten in der Nacht klicken.

Govend als Ausdruck von „Terrorismus“?

In der Türkei begegnen kurdische Menschen den Angriffen auf ihre Kultur seit Tagen mit öffentlichen Tanzveranstaltungen. Auch fernab ihrer Heimat protestieren Kurdinnen und Kurden auf diese Weise gegen die Unterdrückung ihrer Lebensweisen, so wie in Dortmund. Die Veranstalter:innen der Govend-Runde verurteilten, dass kurdische Musik und Tänze vom Staat zu Terrorismus stilisiert und niedergewalzt werde. In einem Statement, das verlesen wurde, betonten sie: „Die Kurdinnen und Kurden sind ein Volk mit einer Jahrtausende alten Geschichte und Kultur, die wir als gemeinsames Erbe der Menschheit verstehen. Doch leider sind diese Werte heute Unterdrückung und Verboten ausgesetzt. Der türkische Staat versucht, dieses wertvolle Erbe zu zerstören, indem er die Sprache, Kultur und Musik des kurdischen Volkes verbietet. Diese Repressionen stehen im Widerspruch zu den universellen Menschenrechten sowie dem Schutz der Vielfalt kultureller Ausdrucksformen. Jedes Volk hat das Recht, seine Kultur am Leben zu erhalten und sie an künftige Generationen weiterzugeben. Den Kurdinnen und Kurden werden diese Rechte in der Türkei vorenthalten.

Weitere öffentliche Tanzrunden sollen folgen

Kurdische Musik ist nicht nur ein Mittel zur Unterhaltung, sondern auch ein Ausdruck der Geschichte, des Schmerzes, der Freude und der Hoffnung des Volkes. Ein Verbot dessen bedeutet, die Stimme eines Volkes zum Schweigen zu bringen und seine Existenz zu leugnen. Wir erheben unsere Stimme gegen diese Unterdrückung und protestieren gegen das Unrecht, das der kurdischen Kultur und Musik angetan wird. Der Zweck unserer Versammlung hier ist der Schutz des kulturellen Reichtums nicht nur des kurdischen Volkes, sondern der gesamten Menschheit. Wir werden uns weiterhin Gehör verschaffen und unseren Kampf fortsetzen, bis die kulturelle Unterdrückung beendet ist.“ Zudem betonten die Organisator:innen, weitere öffentliche Tanzrunden veranstalten zu wollen.