Boochani: Wörter haben die Macht, uns zu befreien

Der hochdotierteste Literaturpreis Australiens ging in diesem Jahr an Behrouz Boochani. Der kurdische Flüchtling, der auf Manus Island festgehalten wird, findet es „paradox“, dass ihn das Land, das ihn einsperrte, nun ausgezeichnet hat.

Der Victorian Premier's Literary Award, der hochdotierteste Literaturpreis Australiens, wurde in diesem Jahr dem kurdischen Flüchtling Behrouz Boochani zugesprochen. Seinen Preis auf der Zeremonie in Melbourne persönlich entgegennehmen durfte der Flüchtling nicht. Seit 2013 wird er in einem Internierungslager auf der Pazifikinsel Manus Island festgehalten.

Der aus Îlam in Ostkurdistan (Rojhilat/Iran) stammende Boochani bekam den Preis für sein Buch „No Friend But the Mountains: Writing from Manus Prison” (Kein Freund außer den Bergen: Texte aus dem Gefängnis Manus), das außerdem mit dem Preis als bestes Sachbuch bedacht wurde. Der 36-jährige Boochani schrieb sein Erstlingswerk nach Angaben seines Verlags mit Handy-Nachrichten, die er von der Insel schickte. Auf Manus, einst in deutschem, später in australischem Kolonialbesitz und heute Teil von Papua-Neuguinea, werden seit Jahren Geflüchtete festgehalten, die auf dem Seeweg versuchten Australien zu erreichen. Die Zustände in den berüchtigten Lagern dort sind menschenunwürdig, immer wieder dringen schreckliche Geschichten an die Öffentlichkeit - Berichte über Missbrauch durch das Sicherheitspersonal, schockierende hygienische Zustände, Mangel an Essen und medizinischer Versorgung. Einige dieser Berichte wurden von Behrouz Boochani geschrieben.

Gegenüber der Zeitung Guardian, für die Behrouz Boochani unter anderem schreibt, sagte der Flüchtling, es sei „paradox“, dass ihm Australien als das Land, das ihn einsperrte, nun zwei Literaturpreise verliehen hat. „Mein Hauptziel war es immer, dass die Menschen in Australien und auf der ganzen Welt verstehen, wie dieses System seit fast sechs Jahren Unschuldige auf Manus und Nauru systematisch foltert. Ich hoffe, diese Auszeichnung wird mehr Aufmerksamkeit auf unsere Situation lenken, Veränderungen bewirken und diese barbarische Politik beenden“.

Der Guardian hat ebenso die Dankesrede veröffentlicht, die Boochani auf Video festgehalten hat. Im Folgenden die Abschrift der Rede:

„Als ich vor sechs Jahren auf der Weihnachtsinsel ankam, rief mich ein Beamter der Einwanderungsbehörde zu sich ins Büro und sagte mir, dass sie mich nach Manus Island, einem Ort im Pazifik, ausweisen würden. Ich sagte, dass ich Schriftsteller sei. Dieselbe Person lachte nur über mich und befahl den Wachen, mich nach Manus zu exilieren.

Ich habe dieses Bild jahrelang im Kopf behalten, selbst als ich meinen Roman schrieb - und auch jetzt, während ich diese Dankesrede schreibe. Es war ein Akt der Erniedrigung.

Als ich auf Manus ankam, schuf ich mir ein anderes Bild. Ich stellte mir einen Schriftsteller in einem abgelegenen Gefängnis vor. Manchmal arbeitete ich halbnackt neben den Gefängniszäunen und stellte mir vor, dass ein Schriftsteller genau dort eingesperrt ist. Dieses Bild war beeindruckend. Ich habe es jahrelang in Gedanken behalten. Sogar während ich gezwungen wurde, in langen Schlangen auf Nahrung zu warten oder andere demütigende Momente zu ertragen.

Dieses Bild hat mir stets geholfen, meine Würde und meine Identität als Mensch zu wahren.

In der Tat steht es im Widerspruch zu dem vom System erzeugten Bild. Nach Jahren des Kampfes gegen das System, das unsere individuellen Identitäten völlig ignoriert, bin ich froh, dass wir in diesem Moment angekommen sind.

Dies beweist, dass Wörter immer noch die Macht haben, unmenschliche Systeme und Strukturen zu hinterfragen. Ich habe immer gesagt, dass ich an das Wort und die Literatur glaube. Ich glaube, dass Literatur das Potenzial hat, Veränderungen zu bewirken und Machtstrukturen in Frage zu stellen. Literatur hat die Macht, uns Freiheit zu geben. Ja, das ist wahr.

Ich bin seit Jahren in einem Käfig, aber während dieser ganzen Zeit hat mein Geist stets Worte hervorgebracht. Diese Worte haben mich über die Grenzen hinweg in Gebiete jenseits des Meeres und an unbekannte Orte geführt. Ich glaube wirklich, dass Worte mächtiger sind als die Zäune dieses Ortes, dieses Gefängnisses.

Dies ist nicht nur ein einfacher Leitspruch. Ich bin kein Idealist. Ich spreche hier nicht die Ansichten eines Idealisten aus. Diese Worte stammen von einer Person, die seit fast sechs Jahren auf dieser Insel gefangen gehalten wird. Eine Person, die eine außergewöhnliche Tragödie miterlebt hat, entfaltet sich an diesem Ort. Diese Worte erlauben mir, heute Abend mit Ihnen dort zu sein.

Mit Demut möchte ich sagen, dass diese Auszeichnung ein Sieg ist. Es ist ein Sieg nicht nur für uns, sondern auch für die Literatur und die Kunst und vor allem für die Menschheit. Es ist ein Sieg für die Menschen und für die Menschenwürde. Es ist ein Sieg gegen ein System, das uns nie als Menschen erkannt hat. Es ist ein Sieg gegen ein System, das uns auf Zahlen reduziert hat.

Dies ist ein schöner Moment. Freuen wir uns heute Abend gemeinsam über die Kraft der Literatur.”