Aleviten erhalten Körperschaftsstatus in NRW

Die Alevitische Gemeinde erhält in NRW bundesweit erstmals den Status einer Körperschaft des öffentlichen Rechts. Damit wird die Gemeinschaft den beiden großen christlichen Kirchen gleichgestellt.

Die Alevitische Gemeinde erhält in Nordrhein-Westfalen bundesweit erstmals den Status einer Körperschaft des öffentlichen Rechts. Die Anhörung einer entsprechenden Verordnung im Hauptausschuss des Düsseldorfer Landtags fand bereits am Donnerstag statt. Mit der Zuerkennung dieses Status wird die Gemeinschaft den beiden großen christlichen Kirchen gleichgestellt.

Die Alevitische Gemeinde Deutschland e.V. (AABF) wurde 1989 gegründet. Dem Dachverband gehören in Nordrhein-Westfalen nach eigenen Angaben rund 24.000 förmliche Mitglieder in 50 Gemeinden an. „Mit dem Engagement unserer 160 Gemeinden leisten wir bundesweit seit über 30 Jahren einen wertvollen Beitrag als Mittlerin zwischen unterschiedlichen Kulturen und Traditionen und verkörpern die Vielfalt, das Recht auf Meinungsfreiheit und der Religionsfreiheit. Als Körperschaft in der Form eines Vereins hat unser Engagement und unsere Arbeit Sichtbarkeit und Wertschätzung erfahren“, heißt es in einer Stellungnahme der Gemeinschaft.

Der Status der Körperschaft des öffentlichen Rechts bringt besondere Rechte mit sich, wie etwa das Recht zum Steuereinzug bei den Mitgliedern. Zudem erhalten Religionsgemeinschaften mit der Verleihung Vergünstigungen bei Steuern, Abgaben und Gebühren sowie Mitspracherechte in Gremien.

Die Alevitische Gemeinde biete durch ihre Verfassung und die Zahl ihrer Mitglieder die Gewähr der Dauer, heißt es in der Verordnung der Landesregierung. Auch bestehe an ihrer Rechtstreue kein Zweifel. Die Religionsgemeinschaft errichte Gebetshäuser und Bibliotheken mit spezieller Literatur über ihre Glaubenslehre, führt die NRW-Landesregierung aus. Sie koordiniere seit dem Schuljahr 2011/12 den an nordrhein-westfälischen Schulen angebotenen Religionsunterricht nach den Grundsätzen der Alevitischen Gemeinde.

„In dem Bewusstsein, dass die hierzulande lebenden Menschen alevitischen Glaubens dauerhaft einen Teil der Bevölkerung der Region bilden und ihr gelebter Glaube zu einem festen Bestandteil des religiösen Lebens im Land geworden ist, erleben wir nun ein historisches Ereignis“, erklärte die AABF. Die Verleihung der Rechte einer Körperschaft des öffentlichen Rechts an die Gemeinde sei ein großer Ansporn und noch mehr: „Sie ist uns eine Verpflichtung. Die Verpflichtung, auch zukünftig unser ganzes Tun und Engagement dafür einzusetzen, dass wir die Vielfalt der Gesellschaft gegen die Einfalt des Denkens schützen und noch intensiver dafür einsetzen, dass unsere Gesellschaft frei und offen bleibt.“

Das Alevitentum

Das kurdische Alevitentum unterscheidet sich sehr stark vom türkischen oder arabischen Alevitentum, da das Selbstverständnis der Alevitinnen und Aleviten sehr unterschiedlich ist. Es gibt Alevit*innen, die ihre Religion als eine Glaubensrichtung im Islam definieren und andere wiederum, die im Alevitentum eine eigene Religionsgemeinschaft sehen. In der Türkei sowie in Nordkurdistan hat der alevitische Glaube verschiedene Aspekte beziehungsweise religiöse Strömungen. Dazu schreibt die Gesellschaft für bedrohte Völker (GfbV):

Der Mazdaismus beispielsweise ist die des alt-iranischen Priesters Zarathustra gestiftete Religion. Seine Lehre betont den Dualismus zwischen Gut und Böse, wobei der endgültige Sieg des Guten über das Böse jedoch nie in Frage gestellt wird. Dem Schöpfer Ahura Mazda als Verkörperung des Guten steht der verlogene und zerstörerische Ahriman gegenüber. Der Mensch ist in der Lage, das Böse zu überwinden und sich dem Guten, Wahren und Schönen zu widmen.

Der Schamanismus dagegen ist ein vorislamischer Volksglaube der Türken, der sich dem Gott des Himmels und der Macht der Natur widmet. Die Priester waren die religiösen Oberhäupter, Zauberer, Heilpraktiker und Verbreiter einer reichen Volksliteratur. Von Zeit zu Zeit spielten sie auch eine politische Rolle, so z.B. im 13. Jahrhundert bei der Babai-Revolte (1239-1240), einer religiös-politisch motivierten Revolte.

Im 8. und 9. Jahrhundert entwickelte sich eine neue Frömmigkeit, die islamische Mystik. Sie war dadurch charakterisiert, dass die Gläubigen durch mystische Praktiken und vorbildliches Leben den unmittelbaren Weg zu Gott suchten. Die bekannten islamischen Mystiker wie Hasan al-Basri (†728), Rabia von Basra (†801), Bayezid Bistami (†874), al-Dschunaid (†910) und al-Halladsch (†922) entwickelten die islamische Mystik, durch die das Alevitentum stark beeinflusst wurde.

Haci Bektas Veli (1209-1295) gilt als Begründer des anatolischen Alevitentums. Er stammt aus Nischabur bei Chorasan, das im heutigen Iran liegt. Dort kam er in seiner Jugend mit der islamischen Mystik in Berührung. Haci Bektas war am Babai- Aufstand beteiligt und entkam dem Massaker nach der Niederlage in Amasya (1240). Er floh nach Karacahöyük, dem heutigen Wallfahrtsort Hacibektas. Dort fand er Anhänger und baute seine Lehre systematisch auf. Ein Kloster wurde gebaut und zahlreiche Schüler kamen zu ihm, um bei ihm zu lernen. Wanderderwische (Wandermönche) und wandernde Prediger trugen seine Lehre in viele Dörfer und Städte weiter.

Die Herausbildung des heutigen Alevitentums wurde auch durch die Lehren des sufistischen Ordens der Safaviden im persischen Ardabil am Kaspischen Meer stark beeinflusst, die bis zum Anfang des 15. Jahrhunderts zurückreichen. Der Gründer dieses Sufi-Ordens, Safiy ad-Din, führte seine Abstammung auf den 7. Imam Musa Kazim und somit auf Ali zurück.