Zum Todestag von Eberhard Koebel: Noten von „Unglück vor mir“

Anlässlich des Todestages von Eberhard Koebel veröffentlicht die Geschichtswerkstatt Matilda J. Gage die Noten des Liedes „Unglück vor mir“ aus der Feder von Eberhard Koebel und Kurt Kremers.

Eberhard Koebel, unter seinem Fahrtennamen tusk („der Deutsche“) bekannt (* 22. Juni 1907 in Stuttgart; † 31. August 1955 in Berlin), war seit seiner Jugend in der deutschen Jugendbewegung aktiv. Anfangs war er bei den Wandervögeln und gründete später den autonomen Jungenschaftsbund „dj.1.11“ – benannt nach dem Gründungsdatum – als Aufstand der Jungen gegen das „Lebensbundprinzip“ der bündischen Jugend.

Die dj.1.11 wurde daraufhin von der Deutschen Freischar, einem unabhängigen Pfadfinderverband, ausgeschlossen. Sie bekam in den folgenden Jahren starken Zulauf und hatte zuletzt mehrere tausend Mitglieder in mehreren hundert Gruppen. Die dj.1.11 entwickelte eine eigene Kultur, welche die Jugendbewegung maßgeblich prägte. Als die nationalsozialistische Bedrohung zunehmend größer wurde, bereitete sich die dj.1.11 gezielt auf den Widerstand im Faschismus vor, da sie mit großer Genauigkeit die weiteren politischen Entwicklungen voraussah. Dabei legte sie einen Schwerpunkt auf die mentale Selbstverteidigung – die Philosophie des Zen-Buddhismus hatte einen großen Einfluss auf ihre Praxis. Sie entwickelte eine derartige Schlagkraft, dass der „Sicherheitsdienst des Reichsführers SS“ (abgekürzt SD; 1931 als Geheimdienst der zur NSDAP gehörigen SS gegründet) sie als eine der stärksten Bedrohungen für den Nationalsozialismus einstufte.

„Man kann den Staat mit einem Einsiedlerkrebs vergleichen: vorn die Waffen, hinten im Schneckenhaus. Eines Tages wird ihm dieses zu klein; ein kluger Feind wird ihn in dem Augenblick angreifen, wo er das Haus wechselt.“ - Eberhard Koebel

Das Erscheinungsbild der „Deutschen Jungenschaft vom 1. November 1929“ war unverwechselbar. Zur Bekleidung der Gruppen gehörten die „Jujas“, also Jungenschaftsjacken, und eine Fahne, die einen Falken über drei Wellen zeigt. Sie vernetzten und organisierten sich in Jungenschaftslagern, den „Kothen-Lagern“ – Zelten nach finnisch-samischem Vorbild, die ebenso wie die Jujas von Eberhard Koebel eingeführt wurden. Foto 1: dj.1.11. Schwaben: Burgenland-Großfahrt, 1932, unbekannter Fotograf; Bildquelle: Fotoarchiv des Mindener Kreises e.V. | Foto 2: Das Logo der Jungenschaft | Foto 3: Mitglied der dj.1.11. in einer Juja, 1932, unbekannter Fotograf; Bildquelle: Fotoarchiv des Mindener Kreises e.V.


Die Strategie der dj.1.11 bestand darin, die Jugendgruppen der Hitlerjugend zu unterwandern und so eine breite antifaschistische Jugendbewegung aufzubauen. Zahlreiche Mitglieder sind dabei enttarnt und verhaftet worden. Auch Koebel wurde 1934 mehrmals von der Gestapo verhaftet. Er beging während der Haftzeit zwei Selbstmordversuche. Nachdem er aus der Haft entlassen worden war, ging Koebel ins Exil nach England, wo er weiterhin Kontakt zu deutschen Jugendgruppen im Untergrund hielt sowie Jugendliche im Exil organisierte. Ab 1944 engagierte er sich zunehmend in der Bewegung Freies Deutschland, in der sich zahlreiche Exil-Gruppieren organisierten, welche das Ziel hatten, ein freies Deutschland aufzubauen und den Faschismus zu bekämpfen. Sie war stark von kommunistischen und sozialistischen Ideen geprägt, weshalb sie nach Kriegsende aufgelöst wurde, da ihr politischer Einfluss unerwünscht war.

Kothen-Lager der dj.1.11. (Ort und Datum unbekannt) Quelle: Archiv der deutschen Jugendbewegung (Burg Ludwigstein)


Nach Kriegsende versuchte Koebel wieder nach Deutschland zu gelangen, was jedoch von antikommunistischen Politikern in England verhindert wurde, da sein Einfluss auf die Jugend gefürchtet war. Schließlich zog er im Jahre 1948 in DDR, wo er bis zum seinem frühen Tode 1955 lebte. Doch auch die Sozialistische Einheitspartei Deutschlands fürchtete seinen Einfluss, und schloss ihn wegen angeblicher Agententätigkeit aus der Partei aus. Erst im Jahre 1990 wurde er rehabilitiert. Nach seinem Tod wurde eine stark gekürzte Version seiner Recherche über Kriegsverbrechen des Konzerns AEG veröffentlicht.

Eberhard Koebels Einfluss auf die Jugendbewegung erstreckt sich bis auf die Gegenwart. Um diese Kultur lebendig zu halten, hat die Geschichtswerkstatt Matilda J. Gage die Noten eines seiner Lieder veröffentlicht.

„Der gespannte Bogen ist eins der Sinnbilder, die wir immer zur Hand haben sollten. Er ist Verhaltenheit, ungestillte Sehnsucht, dauernder Wunsch. Das Holz möchte, solange es ein Bogen ist, gerade sein, und kann nie. Daraus kommt die Kraft, immer wieder einen Pfeil absenden zu können.“ - Eberhard Koebel

Über die Geschichtswerkstatt Matilda J. Gage

Die Geschichtswerkstatt Matilda J. Gage hat es sich zur Aufgabe gemacht, aus der Perspektive von Frauen und Menschen weiterer Geschlechter die widerständige Geschichte Mitteleuropas zu erforschen. Die Namensgeberin Matilda Joslyn Gage war eine feministische Kämpferin aus den USA, die auch in der Bewegung gegen Sklaverei aktiv war. Die nach ihr benannte Geschichtswerkstatt gehört auch zur „Initiative Geschichte & Widerstand“.

Sollten die Noten hier trotz Aktualisierens der Seite nicht angezeigt werden, können sie als PDF-Datei unter folgendem Link heruntergeladen werden:  http://anfabone.com/anfdeutsch/Unglück_vor_mir.pdf

Titelbild: Eberhard Koebel aus dem Archiv der deutschen Jugendbewegung (Burg Ludwigstein)