Der Kommandant der Verteidigungseinheiten Ostkurdistans (YRK – Yekîneyên Parastina Rojhilatê Kurdistan), Rezan Cavit, erklärt im ANF-Interview, dass die USA darum bemüht sind, all ihre Verbündeten in die Embargopolitik gegen Iran mit einzubeziehen und dass sie es nicht akzeptieren werden, wenn die Türkei – wie bereits schon früher – dieses Embargo zu unterlaufen und die Machtblöcke gegeneinander auszuspielen versucht. Cavit betont, dass die von der PJAK vorgeschlagene Roadmap die angemessenste Lösung für den Iran darstelle und die iranische Regierung diese schon um ihres eigenen Vorteils willens beachten müsse.
Was ist das Ziel des US-Embargos gegen den Iran und die Türkei?
Die kapitalistische Moderne ist dazu gezwungen, sich zu stärken, indem sie die von ihr geschaffenen Krisen auf die ganze Welt ausweitet. Die Intervention im Mittleren Osten findet auf dieser Grundlage statt. Staaten wie der Iran oder Syrien werden entweder zur Aufgabe gezwungen oder unter Kontrolle gebracht und verkleinert. Andernfalls kann eine Intervention im Mittleren Osten kein Ergebnis erzielen. Die strategischen Verbündeten der Westmächte – und die Türkei ist für sie ein wichtiger Staat – müssen in dieser Krise eine Rolle übernehmen. Aufgrund dieser Situation möchte die Türkei die Intervention der USA im Iran für ihren eigenen Vorteil nutzen. So hat sie zum Beispiel in der Vergangenheit die im Mittleren Osten organisierten islamischen Organisationen an ihre Seite gezogen und den neo-osmanischen Gedanken auf ihre Tagesordnung gesetzt. Die Türkei ist sich bewusst, dass die USA dabei ein Hindernis darstellen. Aber sie weiß auch, dass sie im Falle einer Intervention gegen den Iran als nächstes an die Reihe kommt. Die Türkei ist der Auffassung, dass je mehr sie die Intervention in den Iran in die Länge zieht, sie so ihr eigenes Leben verlängert. Darum bemüht sie sich im Moment.
Was hat sie bisher dafür getan?
Das vorherige Embargo war für die USA erfolglos, denn die Türkei hatte dieses Embargo gebrochen. Mit dem Fall Zarraf und Zencani wurde das staatliche Netzwerk dazu aufgedeckt. Ein weiteres Ereignis in diesem Sinne war die Anerkennung Jerusalems als Hauptstadt Israels. Mit diesem Schritt, obwohl er sich auch etwas gegen den Iran richtete, versuchte sich die Türkei zwischen Israel und die USA stellen.
Heute wollen die USA ein weiteres Embargo gegen den Iran umsetzen und sie versuchen, alle Verbündeten zur Mitwirkung zu bewegen. Im Gegensatz zu früheren Zeiten sind die USA entschlossen, die Unterstützung für den Iran zu stoppen, denn sie wollen ihn zur Aufgabe zwingen. Erdoğan verkündet jeden Tag: „Ich habe damit nichts zu tun.“ Er spielt mit der iranisch-russischen Allianz. Die Türkei nutzt beide Machtblöcke, doch das werden die USA nicht hinnehmen.
Die Türkei ist Teil der NATO, ist es möglich, dass sie austritt?
Die Türkei kann sich unter den aktuellen Bedingungen keinen Austritt aus der NATO leisten. Ihr ganzes System ist um die NATO organisiert. Wenn sie sich von der NATO trennt, kann sie sich über Jahre nicht stabilisieren. Ihre Ökonomie stützt sich auf den westlichen Block. Sie kann sich nicht gegen die USA stellen und möchte Russland und den Iran benutzen. Die USA und der Westen sind sich dessen bewusst. Die Wirtschaft der Türkei steht vor dem Zusammenbruch. Durchhalteparolen helfen da nicht weiter.
Der türkische Staat nimmt neben Nord-, West-, und Südkurdistan auch Ostkurdistan ins Visier. Er hat die PJAK und die YRK gelistet. Warum diese Feindseligkeit?
Der türkische Staat wurde auf der Verleugnung der anderen Völker und insbesondere des kurdischen Volkes und dem Raub ihrer Rechte gegründet. Es handelt sich um einen Staat mit einem auf Faschismus begründeten System. Ein solcher Staat kann die Existenz des kurdischen Volkes nicht akzeptieren. Er sieht es als eine Frage des Überlebens an. Daher möchte er nicht, dass die Kurden irgendwo im Mittleren Osten einen Status erhalten und bekämpft sie in allen Teilen. Wenn er sie nicht bekämpfen kann, versucht er seine Verbündeten dazu zu bringen. Er zögerte nicht, Rojava anzugreifen, denn es ging nicht nur um die PKK, er ging ebenso mit aller Schärfe gegen das Referendum in Südkurdistan vor und verfolgte seine Ambitionen in Kerkûk. Er hat Luftangriffe auf die Gebiete der PJAK ausgeführt. Er sieht die Frage eines Status für die Kurden als eine Existenzfrage an. Deshalb greift er mit aller Kraft die Kurden in den vier Teilen an.
Werden die Türkei und der Iran eine Allianz gegen das kurdische Volk und seine Freiheitsbewegung schließen?
Es gibt einen historischen Widerspruch zwischen der Türkei und dem Iran. In den Jahren 2005 bis 2006 organisierte sich aber eine neue Strömung im iranischen Staat. Diese Strömung stellte den iranischen Nationalismus über das Schiitentum. Diese Gruppe verständigt sich mit der Türkei. An der Spitze dieser Strömung befinden sich Ahmadinejad und Esfandiar Rahim. Sie haben mit einigen Personen im türkischen Staat enge Beziehungen. Ahmedinejad hatte sich Dutzende Male mit Doğu Perinçek getroffen. Die Treffen wurden zwar in der Presse gezeigt, doch der Inhalt blieb geheim. Zur Zeit von Ahmedinejad erhielten Mitglieder der PJAK zum ersten Mal die Todesstrafe. Heval Egîd (Hasan Hikmet Demir) wurde in dieser Zeit hingerichtet. Ahmedinejad pflegt eine starke Kurdenfeindschaft.
Diese Allianz plante die sogenannte „Sandwich-Operation“ gegen Qendîl im Jahr 2011. Es war die erste von der Türkei geplante Operation, die gemeinsam mit dem Iran ausgeführt wurde. Ahmedinejad hatte dies vorgeschlagen. Allerdings hatten einige Kreise im Iran diesen Plan damals nicht akzeptiert, denn er sei nicht im Interesse des Iran. Jetzt wollen sie das Gleiche wieder machen. 2011 kam es zu einem Abkommen zwischen dem Iran und der PJAK, gegen das die genannten Gruppen bei jeder Gelegenheit zu provozieren versuchen. Uns sind diese Provokationen bekannt. Wir wissen auch, worum es dabei geht. Heval Ikbal und mit ihm drei weitere Freunde sind gefallen.
Diese Provokationen und Angriffe, haben sie etwas mit der Roadmap der PJAK zu tun, die gerade bekanntgegeben worden ist?
Der Tod des Genossen Ikbal war kurz vor der Verkündigung der Roadmap. Das Ziel der Provokationen der Gruppe ist, den Prozess zu stören. Mit Massakern und Assimilation kann dieses Problem nicht gelöst werden. Die Roadmap der PJAK stellt den angemessensten Lösungsweg dar. Die Lösung dieses Problems kann nur mit demokratischer Politik erreicht werden. Alles andere würde einen schwerwiegenden Fehler darstellen.