Am Morgen des 16. September ist der aus Nordkurdistan stammende Patriot Ferhat Barış Kondu am Büro seines Arbeitgebers Can Diyarbakir in Silêmanî auf eine Weise angegriffen worden, die an die Attentate in der Türkei in den 1990er Jahren erinnert. Ferhat wird aufgrund seiner politischen Arbeit in Nordkurdistan gesucht und ist deshalb nach Südkurdistan gegangen. Er überlebte den Anschlag schwer verletzt. Das Attentat war für Silêmanî eine neue Form des Angriffs und kündigte die weiteren Entwicklungen an.
Am nächsten Tag folgte der zweite Angriff. Offensichtlich hatten die Täter großes Selbstvertrauen und wurden von bestimmten Kräften ermutigt. Der PKK-Revolutionär Şükrü Serhat (Yasin Bulut), der sein gesamtes Leben dem kurdischen Befreiungskampf gewidmet hat, wurde gegen neun Uhr morgens von hinten mit vier Schüssen ermordet. Nach Angaben örtlicher Quellen hat der Angriff auf organisierte Weise stattgefunden. Neben dem Attentäter befanden sich drei Personen zur Observierung und Sicherung des Anschlags am Tatort. Der Todesschütze flüchtete nach der Tat zusammen mit diesen drei Personen in einem Pick-up der Marke Toyota vom Tatort. Aus dem Tatablauf wird deutlich, dass die Mörder sich in der Stadt gut auskennen, mit der Sicherheitslage vertraut sind und verschiedene Hilfestellungen bauen konnten. Dass Şükrü Serhat in diesem Moment unbegleitet auf die Straße treten würde, ist vorher berechnet worden. Auch der Fluchtweg war offensichtlich festgelegt.
Am 18. September teilte der YNK-Nachrichtendienst Zanyarî mit, dass ein Täter gefasst wurde und zahlreiche Hinweise sichergestellt worden seien, mit denen der Hintergrund aufgeklärt werden könne. Bei der festgenommenen Person soll es sich um den Täter handeln, der zwei Tage zuvor auf Ferhat Barış Kondu geschossen hat. Zu den Attentätern im Mordfall Şükrü Serhat liegen nach wie vor keine Hinweise vor. Es wurde auch keine Erklärung zu den Tätern und ihren Auftraggebern abgegeben. Angesichts der brisanten Situation in Kurdistan und der Bedeutung des Attentats hätte die YNK sofort eine Stellungnahme abgeben müssen. Die Ergreifung der Täter und die Aufklärung der Hintergründe sind eine Verpflichtung der YNK gegenüber dem kurdischen Volk. Bisher ist eine entsprechende Erklärung ausgeblieben. Die erfolgten Beileidsbekundungen der YNK machen jedoch Hoffnung und entsprechen einer patriotischen Haltung, die sich für die Partei und die Stadt gehört. Es gibt jedoch noch einiges, was dringend getan werden muss.
Die beiden aufeinanderfolgenden Anschläge sind die jüngsten Vorfälle innerhalb der Machenschaften, die der türkische Staat und die PDK seit langer Zeit gemeinsam in Silêmanî betreiben. Dass es im Zuge der angespannten Verhältnisse in Silêmanî zu bewusst hervorgerufenen Provokationen und versuchten Massakern kommen wird, war eine vorhersehbare Entwicklung. Diese Vorhersehbarkeit hat leider nicht dafür gereicht, einen so großen Revolutionär wie Şükrü Serhat zu schützen. Jetzt ist es vor allem wichtig, die richtigen Antworten zu finden und das Ziel und die Hintermänner des Attentats zu benennen, um weitere Angriffe zu verhindern und die Provokationen ins Leere zu führen. Wenn das ausbleibt, wird aus diesen Anschlägen ein Konzept werden, mit dem die Besatzung Kurdistans eine neue Ebene erreicht.
Natürlich ist nicht nur die Ruhe in der für alle vier Teile Kurdistans wichtigen Stadt Silêmanî angegriffen worden, wie einige Kreise es ausgedrückt haben. Eine solche Bewertung wäre naiv und würde den ideologischen und politischen Zusammenhang verkennen. Kurdistan wird in jeder Minute angegriffen und steht unter Besatzung, wie kann da von Ruhe gesprochen werden? Kann es Ruhe in einer Gegend geben, in der Faschismus herrscht und die Finger dieses Systems sich überall ausstrecken? Obwohl jeden Tag Widerstandslegenden gegen die grausamen Angriffe geschrieben werden und so viele junge Menschen der Preis dafür sind, ist nirgendwo in Kurdistan Ruhe eingekehrt. Herrscht nicht vielmehr Wut statt Ruhe? Hat die patriotische Bevölkerung von Silêmanî in Ruhe schlafen können, während Dutzende junge Menschen in den Bergen gefallen sind? Es kann höchstens von der Ruhe gesprochen werden, die im Gewissen derjenigen herrscht, die Widerstand leisten. Für die Hoffnung auf Ruhe steht nur die PKK, die gleichzeitig die Hoffnung des kurdischen Volkes auf Freiheit darstellt und deshalb angegriffen wird. Nicht nur in Silêmanî, in ganz Kurdistan hängt die Ruhe von dem Widerstand der PKK gegen die türkischen Besatzer ab. Die Bevölkerung von Südkurdistan und insbesondere die Menschen in Silêmanî wissen genau, dass Freiheit die Voraussetzung für Ruhe ist.
Dieser Angriff war ein deutliches Signal an das kurdische Volk, dass die Hoffnung auf Freiheit nicht toleriert wird. Er war wie ein Nagel, mit dem Hoffnungslosigkeit in die Köpfe und Herzen der Gesellschaft geschlagen werden soll. Der wütende Aufschrei „Zeit für Freiheit“ soll mit diesem Angriff in reuiges Jammern verwandelt werden. Die Menschen sollen dazu gebracht werden, auf Freiheit zu verzichten und zu kapitulieren.
Darüber hinaus handelt es sich um einen finsteren Verrat derjenigen, die ihr Selbst, ihre Hoffnung auf Freiheit und ihre nationalen Werte seit langer Zeit verloren haben und sich einzig an Macht und Profit orientieren. Ist damit ein Ergebnis erzielt worden? Mit Sicherheit nicht!
Die Attentäter haben gleichzeitig auch auf die nationale Einheit abgezielt, für die Silêmanî schon immer ein Ort der Hoffnung gewesen ist. Der Anschlag hat sich gegen die Haltung der Menschen dieser Stadt gerichtet, die seit langer Zeit auf einer nationalen Einheit gegen die Linie der Besatzung und Kapitulation beharren und gegen einen Geschwisterkrieg und die Kollaboration mit dem türkischen Staat Widerstand leisten. Mit dem Angriff soll Silêmanî in den gleichen Zustand wie Hewlêr versetzt werden. So viele Kräfte, Organisationen, Parteien und Menschen wie möglich sollen in den Abgrund des Verrats gerissen werden.
Das Ziel dieses breit organisierten und zweifellos auf der Zusammenarbeit zwischen dem türkischen Staat und der PDK basierenden Anschlags liegt auf der Hand. Er hat das gleiche Ziel wie die Besatzung von Rojava, Metîna, Zap und Avaşîn. Dieses Ziel soll mit allen Mitteln durchgesetzt werden. Der Widerstand, die Freiheit, die Demokratie und die Einheit sollen dadurch verlieren.
Das Volk Kurdistans wird auf die Probe gestellt. Der kurdische Patriotismus steht vor der Aufgabe, sich hinter die bisher fast allein kämpfende Guerilla zu stellen und Widerstand gegen die finsteren Massaker zu leisten. Wenn das kurdische Volk, seine organisierten Kräfte und insbesondere die Bevölkerung von Silêmanî und Südkurdistan sich für den Widerstand entscheiden und an ihrer Haltung für Freiheit, Demokratie und Einheit festhalten, werden sie gewinnen. Die Freiheit wird siegen. Dann wird vielleicht auch aus Silêmanî eine Festung der nationalen Einheit und aus dem gefallenen Revolutionär Şükrü Serhat das Symbol dieser Einheit werden. Für Hoffnungslosigkeit und Pessismus gibt es dann keinen Raum, Hoffnung ist immer stärker. Wenn das eintrifft, wird auch Ruhe einkehren.