Verschärfte Isolation und globalisierter Widerstand – Teil II

Im Jahr 2021 fanden weltweit Aktionen, Demonstrationen und Veranstaltungen gegen die verschärfte Isolation des kurdischen Repräsentanten Abdullah Öcalan statt. Der Widerstand verbreitete sich in nie dagewesener Weise.

Der Widerstand für eine Ende der Isolation und die Freiheit des seit 22 Jahren auf der Gefängnisinsel Imrali inhaftierten kurdischen Repräsentanten Abdullah Öcalan breitete sich im Jahr 2021 in globalem Maßstab aus. Die Hungerstreikketten von Gefangenen aus der PKK und PAJK spielten dabei eine wichtige Rolle.

Der Hungerstreik in Fünftagesschichten begann am 27. November 2020 und endete nach 290 Tagen 12. September 2021. Deniz Kaya erklärte im Namen der Gefangenen aus PKK und PAJK, dass die bewusste und organisierte Beteiligung an allen Formen von Aktionen die Grundlage für die Kampagne „Dem dema to Azadiyê“ [Zeit für Freiheit] bilde. Um die unbefristete Hungerstreikkette zu unterstützen, an der über 2.000 Gefangene in 107 Gefängnissen teilnahmen, traten Bewohner:innen des Camps Mexmûr in Südkurdistan und des Camps Lavrio in Griechenland in einen Solidaritätshungerstreik.

Der Widerstand der Kurd:innen und ihrer Freund:innen wurde im Jahr 2021 in Europa, Asien, Australien und Amerikas effektiver, organisierter und nachhaltiger. Die Demonstrationen gegen das Schweigen angesichts der Isolation auf Imrali und für die Freiheit Öcalans wurden das ganze Jahr hindurch auf internationaler Ebene fortgesetzt. Kurd:innen und andere Menschen forderten die Vereinten Nationen (UN), den Europarat, das Komitee zur Verhütung von Folter (CPT), den Internationalen Gerichtshof in Den Haag und Staaten wie Deutschland, Großbritannien und Frankreich zum Handeln auf.

Mahnwache vor dem UN-Sitz in Genf

Zehntausende von Briefen mit der Forderung nach Freiheit von Abdullah Öcalan wurden aus Europa und der ganzen Welt an UN-Generalsekretär António Guterres geschrieben. Zusätzlich zu den Briefen, in denen Guterres zum sofortigen Handeln aufgefordert wurde, begannen Kurd:innen und solidarische Aktivist:innen am 25. Januar 2021 eine Mahnwache vor dem UN-Sitz in Genf. Es wurde ein Zelt auf dem Vorplatz des UN-Hauptquartiers errichtet und der Protest jeden Mittwoch fortgesetzt.

Zehn Jahre Freiheitsmahnwache

Die wohl kontinuierlichste Aktion für die Freiheit Öcalans ist die Mahnwache vor dem CPT und dem Europarat in Straßburg. Sie findet seit dem 25. Juni 2012 praktisch ununterbrochen statt. Nur im November 2020 wurde die Mahnwache kurz wegen der Pandemie unterbrochen, jedoch am 19. Januar 2021 mit Aufhebung des Versammlungsverbots fortgesetzt.

Die Aktion findet an sieben Tagen in der Woche zwischen 8.30 und 17.00 Uhr statt. Jedes Woche lösen sich Delegationen von Kurd:innen und solidarischen Aktivist:innen aus ganz Europa ab. Am zehnten Jahrestag der Freiheitsmahnwache fand eine große Demonstration in Straßburg statt. Im Rahmen der Kampagne gegen die Isolation von Abdullah Öcalan und für seine Freiheit wurden Broschüren und Hefte in vielen Sprachen verteilt, in denen das Leben, der Kampf und die befreiende und basisdemokratische Ideologie Öcalans erklärt wird.

Proteste in Straßburg

Neben der Freiheitsmahnwache fanden in Straßburg 2021 weitere wochenlange Demonstrationen statt. Am 12. Mai begann auf Aufruf der Kurdischen Frauenbewegung in Europa (TJK-E) und des kurdischen Europadachverbands KCDK-E ein Sit-In in Straßburg. Die vierwöchige Aktion richtete sich gegen absolute Isolation von Abdullah Öcalan, die türkische Invasion in Südkurdistan und die Entscheidung des US-Außenministeriums in Bezug auf die fortgesetzte Fahndung nach drei führenden kurdischen Revolutionären.

Am 1. Dezember 2021 begann in Straßburg eine weitere langandauernde Aktion. Kurd:innen aus verschiedenen europäischen Städten und ihre Unterstützer:innen trafen sich täglich während der Sitzungen des Ministerkomitees des Europarates vor dessen Gebäude, um eine Öffentlichkeit für die Umsetzung der EGMR-Urteile zur Isolation Öcalans herzustellen. Die Sitzung fand sieben Jahre nach dem Urteil statt.

Intoleranz gegenüber Aktionen des zivilen Ungehorsams

Der Widerstand und der Kampf in Straßburg haben das ganze Jahr über die französische Regierung und den türkischen Staat alarmiert. Vor dem Jahrestag des Komplotts vom 9. Oktober 1998 gegen Abdullah Öcalan und die kurdische Bewegung griff die französische Polizei Aktivist:innen an, die vor der Straßburger St.Maurice-Kirche Zelte aufgeschlagen hatten, um die Freilassung von Öcalan zu fordern. Das Zeltlager war nach einer Demonstration vor dem Gebäude des Europarats errichtet worden.

Am 5. April veranstalteten kurdische Jugendliche eine Aktion des zivilen Ungehorsams vor dem Komitee zur Verhütung von Folter (CPT) des Europarats, um auf die Isolierung von Abdullah Öcalan aufmerksam zu machen, was ebenfalls mit Polizeigewalt beantwortet wurde. Am 7. Mai nahm die Polizei zwei Personen bei einer Protestaktion vor dem europäischen Menschenrechtsgerichtshofs fest.

Kurdische Aktivist:innen haben 2021 vor den EU-Institutionen in Straßburg und dem UN-Gebäude in Genf sowie vor dem Internationalen Gerichtshof in Den Haag wiederholt die Aufhebung der Isolation auf Imrali gefordert. Die Aktivitäten blieben natürlich nicht auf diese Städte beschränkt. Während in einigen Städten im Jahr 2021 fast jede Woche Proteste stattfanden, waren Aktivist:innen an manchen Tagen in Dutzenden von Städten gleichzeitig in Aktion. Am massivsten waren die Demonstrationen am 15. Februar und 9. Oktober sowie nach der Verbreitung der Meldungen über den angeblichen Tod Öcalans am 16. März und anlässlich des weltweiten Aktionstags für die Freiheit von Abdullah Öcalan am 10. Dezember.

Lange Märsche“ in Europa

Aufgrund der Corona-Beschränkungen fand der lange Marsch, der jeden Februar von einem Ort in Deutschland aus nach Straßburg organisiert wird, in diesem Jahr anders statt als in den Vorjahren. Knapp 150 Aktivist:innen nahmen an dem Protest teil, der mit einer Kundgebung in Hanau begann und in Freiburg endete. Zeitgleich fand ein zweitägiger Marsch von Neumünster nach Kiel statt. Ein weiterer zweitägiger Marsch war in Stuttgart zum 15. Februar geplant.

Der alljährliche lange Marsch der kurdischen Jugendbewegung (TCŞ/TekoJIN) begann am 12. September in Köln. Hunderte von jungen Menschen aus Österreich, Schweden, den Niederlanden, England, Schweiz, Frankreich und Deutschland nahmen an der sechstägigen Aktion teil. Trotz Provokationen der deutschen Polizei und faschistischer AKP/MHP-Anhänger endete der Jugendmarsch am 18. September mit einer Feier.

Neben den Großdemonstrationen, die von Organisationen, Vereinen und Verbänden organisiert wurden, kam es auch zu Einzelinitiative. So lief ein in der finnischen Hauptstadt Helsinki lebender Kurde namens Idris Al Oso am Jahrestag des Komplotts vom 15. Februar 42 Kilometer in drei Stunden und vierzig Minuten, um gegen die Isolierung Öcalans zu protestieren.

Mobile Öcalan-Bibliothek tourt durch Europa

Die diesjährigen Aktivitäten standen auch im Zeichen der mobilen Öcalan-Bibliothek, die von Stadt zu Stadt tourte. Um für die Ideen Öcalans zu werben, reiste der Bus mit seinen Werken durch viele Länder und parkte auf belebten Plätzen. Die Bibliothek besuchte Oldenburg, Bielefeld, Wuppertal, Saarbrücken, Trier, Darmstadt, Aschaffenburg, Mannheim, Gießen, Rüsselsheim, Wiesbaden, Mainz, Frankfurt, Berlin, Dresden und Leipzig in Deutschland, Stockholm, Uppsala, Rebro, Jerntorget, Malmö und Göteborg in Schweden, Lausanne, Solothurn, Zürich, Bern und Luzern in der Schweiz und Rom in Italien.

Das „Freiheitsschiff“ von Griechenland nach Italien

2021 stach zum ersten Mal das „Freiheitsschiff für Abdullah Öcalan" in See. An Bord befanden sich rund 50 Personen aus Deutschland, Frankreich, der Schweiz, Brasilien, Spanien, Schweden, Italien, Griechenland und England, darunter Journalist:innen, Wissenschaftler:innen, Politiker:innen, Schriftsteller:innen, Friedensaktivist:innen sowie Vertreter:innen der Frauenbewegung und kurdischer Institutionen in Europa. Das Schiff legte am 8. November in Griechenland ab und ging am Jahrestag von Öcalans Ankunft in Rom, dem 12. November 1998, in Italien vor Anker.

Die Selbstverbrennung von Halil Şen in Dresden

Am 15. Februar zündete sich der kurdische Patriot Halil Şen in Dresden an. Er lebte seit 25 Jahren im Exil und starb wenige Stunden nach seiner Selbstverbrennung im Krankenhaus. Mit seiner Aktion protestierte er gegen die Isolation von Abdullah Öcalan und die unzureichende Reaktion darauf.

Morgen: Wie hat die Kampagne „Freiheit für Abdullah Öcalan" im Jahr 2021 weltweite Aufmerksamkeit aus verschiedenen Teilen der Gesellschaft erhalten?