Niemand kann heute mehr vor dem wahren Gesicht der Herrschaft, das weder Recht noch Gesetz, Verfassung oder Moral kennt, die Augen verschließen. Vorgestern Morgen wurde ein weiteres Mal der freie Wille des Volkes geraubt. Diese Tyrannei ist natürlich inakzeptabel.
Der Staat sagt: „Ihr könnt wählen, aber ich regiere hier“. Er raubt, stürmt die Rathäuser mit Waffen in der Hand, prügelt und bezeichnet alle, die sich ihm entgegenstellen, als „Terroristen.“ Das war es, was vorgestern die Banden der AKP und MHP in Amed, Mêrdîn und Wan gezeigt haben. Ich bezeichne sie bewusst so, denn sie sind keine Polizisten, die das Gesetz wahren. Sie trampelten über das Gesetz, raubten das aktive und passive Wahlrecht und griffen die an, die widersprachen und deshalb festgenommen wurden. Selbst das Bürgerrecht wird nicht anerkannt. Bewusst und geplant wird die demokratische Politik ermordet.
Kein Staat, sondern ein undefinierbares Gebilde
Das AKP/MHP-Regime sah seine Basis wegbrechen und begann mit all seiner Kraft einen Krieg gegen die Demokratie. Ihm ist jedes Mittel recht, sich an der Macht zu halten, es kennt keine Norm. Es gibt keinen Staat mehr. Was bleibt, ist eine undefinierbare Organisation, eine Mafia-Bande, eine Handvoll Diebe, alle möglichen Formen der Konterguerilla oder alles zusammen? Wie man es auch nennen darf, von dieser Struktur ist mit Sicherheit kein Recht, Gesetz, keine Verfassungstreue, Moral oder Demokratie zu erwarten.
Ein System des kontinuierlichen Putsches
Als die AKP die Wahlniederlage am 7. Juni 2015 nicht verkraftete, brach der Staat, so wie wir ihn kennen, zusammen. In Pirsûs (Suruç), Ankara und Amed, überall ließen die „Spezialkriegskräfte“ Bomben explodieren und entfachten den Krieg von neuem. Seit den Wahlen vom 1. November 2015 leben wir in einer Zeit des ununterbrochenen Putsches. Die Kurden leisten genau dagegen Widerstand.
Wir sollten uns nicht selbst betrügen
Wir erleben gerade eine Wiederholung. Lasst es uns nicht vergessen, wieder wird die Gesellschaft korrumpiert. Es ist jetzt die Zeit, nicht Hilfe von irgendwo anders zu erwarten, uns nicht selbst zu betrügen, sondern für unseren Willen einzutreten. Wir müssen uns gegen die Stellen behaupten, die ihre Herrschaft über unser Blut, unseren Besitz und unsere Zukunft als Völker, Kulturen, Konfessionen und gesellschaftliche Gruppen durchzusetzen versuchen. Wenn dies nicht geschieht, werden wir die Auswirkungen des heraufziehenden Faschismus weder als Individuen noch als Gesellschaft tragen können. Auch wenn uns unsere grundsätzlichsten demokratischen Rechte genommen werden, müssen wir uns zu Hause, auf den Straßen, in den Gassen, in den Schulen, den Cafés, den Fabriken und überall organisieren. Die Faschisten dürfen nicht durchkommen.