Verantwortung liegt bei Türkei
Muhsin Osman ist ein ehemaliges Mitglied des irakischen Parlaments. Im Interview mit ANF hat er betont, dass die Türkei die kurdische Frage nicht länger mit Terrorrhetorik verschleiern könne. Der jüngste Aufruf des kurdischen Vordenkers Abdullah Öcalan stelle einen Wendepunkt dar – nicht nur für die Lösung der kurdischen Frage, sondern auch für die Demokratisierung der Türkei.
Ein Aufruf zu nationaler Einheit und strategischer Führung
Osman würdigte Öcalans Aufruf für Frieden und eine demokratische Gesellschaft als eine politische Reife und als Ausdruck des Willens des kurdischen Volkes. „Dieser Aufruf ist nicht nur eine Botschaft der Entwaffnung oder des Waffenstillstands, sondern auch eine strategische Anleitung, die den Geist der nationalen Einheit wiederbelebt“, sagte Osman. Laut ihm spiegelt der Aufruf den Wunsch der Kurd:innen nach Frieden, gleichen bürgerlichen Rechten und einer demokratischen Gesellschaft wider. Der Politiker erklärte weiter, dass der bewaffnete Widerstand, der in der Vergangenheit notwendig war, nun durch politische Maßnahmen ersetzt werden könne. „Das kurdische Volk wurde nie aus freien Stücken in den bewaffneten Kampf getrieben, sondern aus historischer Notwendigkeit. Heute zeigt der Aufruf von Herrn Öcalan, dass die wahren Absichten der Kurd:innen Frieden und Demokratisierung sind“, so Osman.
Der Aufruf und die Verantwortung der Türkei
Muhsin Osman betonte, dass der Aufruf von Abdullah Öcalan auch eine klare Verantwortung an die türkische Regierung adressiere: „Es ist nun an der Türkei, auf diesen Prozess zu reagieren. Die Verantwortung, die richtigen Schritte in Richtung Frieden und Demokratisierung zu unternehmen, liegt bei der türkischen Regierung. Dieser Prozess könnte nicht nur die kurdische Frage lösen, sondern auch die Türkei als Ganzes voranbringen.“ Er wies darauf hin, dass die Türkei die kurdische Frage nicht länger mit der altbewährten Terrorrhetorik abtun könne. „Mit diesem Aufruf haben diese Argumente ihre Gültigkeit verloren“, so Osman weiter. Er betonte, dass das kurdische Volk nicht mehr der Propaganda seiner Gegner ausgeliefert sei.
Ein historischer Wendepunkt
Der Politiker bezeichnete den Aufruf von Abdullah Öcalan als „historischen Wendepunkt“ in der kurdischen Bewegung. „Dieser Aufruf eröffnet eine neue Phase, die dem kurdischen Volk historische Möglichkeiten bietet“, sagte Osman. Die Zivilgesellschaft, die Politik und die internationale Gemeinschaft müssten diesen Prozess aktiv unterstützen, um einen dauerhaften Frieden in der Region zu gewährleisten. Er hob hervor, dass dieser Aufruf nicht nur für die Türkei, sondern auch für alle Völker im Nahen Osten eine Chance auf Frieden und Demokratie darstelle.
Der Geist der nationalen Einheit
Ein weiteres zentrales Thema, das Osman ansprach, war die Wiederbelebung des Geistes der nationalen Einheit unter den Kurd:innen. „Dieser Aufruf ist mehr als nur eine Aufforderung zur Entwaffnung oder zum Ende des Konflikts. Es handelt sich um eine Form strategischer Führung, die den Geist der nationalen Einheit in allen vier Teilen Kurdistans wiederbelebt“, erklärte er. Muhsin Osman unterstrich, dass der Schutz der Rechte der kurdischen Bevölkerung im Geiste der nationalen Einheit erfolgen müsse. Dieser Aufruf lege seiner Ansicht nach den Grundstein für eine langfristige, vereinte politische Bewegung.
Beteiligung der Kurd:innen an einem globalen Prozess
Abschließend erklärte Osman, dass die Kurd:innen sich nicht nur in der Türkei, sondern in allen Teilen Kurdistans und auch in Europa aktiv an diesem Prozess beteiligen müssten. „Der Aufruf von Herrn Öcalan berücksichtigt alle vier Teile Kurdistans sowie die kurdische Diaspora in Europa. Dies zeigt, dass er keine vorübergehende Taktik ist, sondern Teil einer langfristigen Strategie. Die Kurd:innen müssen diesen Prozess nicht nur politisch, sondern auch wirtschaftlich, kulturell und diplomatisch unterstützen“, so Osman.