Karayilan: Zerschlagungsplan ist nicht aufgegangen – 3

Murat Karayilan (PKK) blickt auf das Jahr 2018 zurück und sieht Risse in der Front gegen die kurdische Befreiungsbewegung.

Im dritten Teil der ANF-Reportage mit Murat Karayilan vom Exekutivrat der Arbeiterpartei Kurdistan (PKK) zu den Entwicklungen im Jahr 2018 geht es um die US-Fahndung nach führenden PKK-Mitgliedern, die Neuauflage des internationalen Komplotts gegen die kurdische Befreiungsbewegung und die türkischen Besatzungspläne für Südkurdistan:

„Das türkische Regime biedert sich sowohl bei Russland als auch bei den USA an und gibt offen zu verstehen, dass es bereit ist, sich benutzen zu lassen. Mit diplomatischen Machenschaften bemüht es sich, seine Stellungen gegen das kurdische Volk auszubauen. In diesem Rahmen ist als Ergebnis eines Deals, bei dem sich das AKP/MHP-Regime mit widerlichen Methoden den Kreisen des internationalen Kapitals aufgedrängt hat, am 6. November 2018 eine Entscheidung in den USA gefallen. Der US-Beschluss zur Fahndung nach drei PKK-Mitgliedern ist das Ergebnis der Bemühungen, das internationale Komplott gegen die kurdische Befreiungsbewegung zu erneuern. Die USA sind auf die Forderung der Türkei eingegangen, weil sie sich davon versprechen, die Türkei in der Region für die eigenen Interessen zu benutzen und bei der Intervention gegen den Iran auf die eigene Seite zu ziehen. Auf dieser Grundlage ist der Türkei grünes Licht beim Vorgehen gegen die kurdische Befreiungsbewegung gegeben worden.

Der türkische Staat bemüht sich seit drei Jahren, das internationale Komplott neu zu beleben. Alle beteiligten Kräfte sollen erneut Stellung gegen unsere Bewegung beziehen. Aber auch hier hat der türkische Staat nicht das gewünschte Resultat erzielt. Bisher haben sich die USA aus eigenen politischen Interessen und um einer Ausbreitung der freiheitlichen kurdischen Ideen einen Riegel vorzuschieben, an der Wiederbelebung des Komplotts beteiligt.

Nicht mehr die PKK von vor zwanzig Jahren

Diese Initiative ist zwar eine Fortsetzung des Komplotts gegen Abdullah Öcalan vom 9. Oktober 1998, aber sie verfügt nicht über die Argumente, der PKK genauso große Schwierigkeiten zu machen. Unsere Bewegung hat sich weiterentwickelt und große Fortschritte gemacht. Die PKK von heute ist nicht mehr die PKK von vor zwanzig Jahren. Auf ideologischem, organisatorischem, militärischem, politischem und gesellschaftlichem Gebiet sind wichtige Erfahrungen gesammelt worden. Viele Schwächen, die vor zwanzig Jahren bestanden haben, sind überwunden worden. Die Bemühungen der Türkei haben dazu geführt, dass sich die USA diesem Chor angeschlossen und positiv auf die Erneuerung des Komplotts reagiert haben. Die Voraussetzungen dafür, das Komplott auf internationaler Ebene umzusetzen, sind jedoch in großem Ausmaß überwunden.

Risse in der antikurdischen Front

Die Staaten, die ausschlaggebend an dem internationalen Komplott vor zwanzig Jahren beteiligt waren, sehen nicht so aus, als ob sie wie in der Vergangenheit in diesen Chor einstimmen werden. Trotz der Scheinheiligkeit und der profitorientierten Haltung Europas verweist das Urteil des Europäischen Gerichtshofs zur Unrechtmäßigkeit des PKK-Verbots auf diesen Umstand. Der Beschluss zeugt davon, dass nicht ganz Europa bereit ist, wie früher die Linie des türkischen Staates und der USA zu verfolgen. Auch Russland, das andere Standbein des internationalen Komplotts, verhält sich zwar sehr pragmatisch, aber man kann nicht sagen, dass es die Realität des kurdischen Volkes und seine revolutionäre Kraft gänzlich ignoriert und die Linie des Genozids in allen Dimensionen unterstützt. Selbstverständlich verfolgt Russland eigene Interessen, aber es gibt gleichzeitig auch Beziehungen zu kurdischen Kreisen. Die Front des internationalen Komplotts vor zwanzig Jahren weist Risse auf. Diese Risse gänzlich zu kitten und unsere Bewegung von allen Seiten einzukreisen, ist heute sehr schwierig.

Weder geringschätzen noch übertreiben

Zweifellos müssen wir überall und jederzeit die notwendigen Vorkehrungen treffen und eine Position halten, in der auf jede Form von Angriff adäquat reagiert werden kann. Auch für die eigene Erneuerung müssen alle bestehenden Reserven in einen funktionsfähigen Zustand versetzt werden, um den Kampf weiterzuentwickeln. Das ist eine ständige Aufgabe. Die Bemühungen um eine Neuauflage des internationalen Komplotts dürfen weder gering geschätzt noch übertrieben werden. Die richtige Antwort darauf ist die Weiterentwicklung des Kampfes. Dafür müssen die Ideen Abdullah Öcalans weiter vertieft und überall und zu jeder Zeit an Einfluss gewinnen.

Besatzungsplan für Südkurdistan

Eines der wichtigsten Ziele des türkischen Staates im Jahr 2018 war Başûrê Kurdistan (Südkurdistan). Wenn es so gekommen wäre, wie vom türkischen Staat angekündigt, wäre innerhalb einer Woche Efrîn eingenommen worden und dann wäre es weiter nach Kobanê gegangen. So war es jedoch nicht. Der Widerstand von Efrîn hat den Feldzug aufgehalten. Daraufhin begannen Anfang März die Angriffe auf Kaniya Reş in Südkurdistan, aber man hat ja gesehen, was daraus geworden ist. In Xakûrkê stieß der türkische Staat auf den Widerstand der Guerilla, unter anderem auf so wertvolle Kommandanten wie Agirê. Bis zum 6. April schaffte der Feind es nur bis zum Tepê Lêlikan, und das auch nur auf Umwegen. Der Lêlikan war jedoch nicht das einzige Ziel, bereits zu Beginn der Angriffswelle war als eigentliches Ziel die Qendîl-Region genannt worden. Alle Orte in Südkurdistan, an denen sich Kräfte der PKK befinden, sollten besetzt werden. Wenn der türkische Staat von Qendîl spricht, meint er eigentlich die gesamten Medya-Verteidigungsgebiete. Aber auch an der Einnahme dieser Gebiete ist er gescheitert.

Türkei sucht nach Verbündeten

Um weiter vorzurücken, suchte der türkische Staat nach Unterstützern in Südkurdistan. Dass die PDK darauf eingegangen ist, ist bekannt. Allein die PDK reichte als Unterstützung jedoch nicht aus. Daher wurden sowohl dem Iran als auch dem Irak Angebote gemacht. Außerdem ist uns bekannt, welch starker Druck auf die YNK und die Gorran-Bewegung ausgeübt wurde. Um die Ziele in Südkurdistan durchzusetzen, wurden intensive Bemühungen in militärischer und diplomatischer Hinsicht angestrengt. Trotzdem erreichte der türkische Staat nicht, was er erreichen wollte. Sowohl die Willensstärke des Guerillakampfes als auch die Sympathie für diesen Kampf innerhalb der südkurdischen Bevölkerung trugen zum Misserfolg des türkischen Staates bei.