Karayılan: Die Komplott-Kräfte müssen ihre Politik ändern

Murat Karayılan (PKK) macht internationale Mächte wie die USA und Europa für das internationale Komplott gegen die kurdische Bewegung und die Verschleppung von Abdullah Öcalan vor 24 Jahren verantwortlich.

Im zweiten Teil eines bei Stêrk TV ausgestrahlten Interviews spricht Murat Karayılan, Mitglied im Exekutivkomitee der Arbeiterpartei Kurdistans (PKK), über den bevorstehenden Jahrestag der Verschleppung Abdullah Öcalans am 15. Februar 1999 und über die Gespräche zwischen Russland, der Türkei und Damaskus.

Der Jahrestag des internationalen Komplotts gegen Abdullah Öcalan steht bevor. Wie bewerten Sie das Komplott?

Zuallererst möchte ich anlässlich des 24. Jahrestags des internationalen Komplotts alle daran beteiligten Kräfte aufs Schärfste verurteilen. In der Person von Halit Oral und Rojbîn Arap gedenke ich all unserer Freundinnen und Freunde, die ihre Körper unter der Parole „Ihr könnt unsere Sonne nicht verdunkeln“ in Brand setzten, und ich verneige mich respektvoll vor ihrem Andenken. Mit ihrer Haltung haben sie uns gezeigt, wie man gegen das internationale Komplott Stellung bezieht. Zu Beginn des Komplotts verwandelten sie ihr Leben in einen Feuerball und stellten sich ihm auf diese Weise entgegen. Sie sind mit großer Entschlossenheit für Rêber Apo eingetreten. In den Gefängnissen, in den Bergen, auf den Straßen und in den Städten brachten nicht nur die Kader, sondern auch Patrioten solche Opfer. Es handelte sich um einen nationalen Reflex gegen das Komplott. Natürlich war das Komplott durch den Angriff auf Rêber Apo ein Angriff auf unser Volk, auf seine Existenz, seine Zukunft und seine Freiheit. Deshalb ging unser Volk überall, insbesondere in Rojhilat, mit großem Mut auf die Straßen und trat für Rêber Apo ein. Bis heute sind die Menschen auf den Straßen. In den vier Teilen Kurdistans und in Europa wurden zahlreiche Proteste organisiert. Damals gab der US-Außenminister, der hinter dem Komplott stand, eine Erklärung ab, in der er sagte: „Wir haben nicht so viel erwartet.“ Unser Volk hat sich massiv gegen das Komplott gestellt und trat für Rêber Apo ein, weil es erkannt hat, dass dieser Angriff auf seinen Repräsentanten gegen es selbst gerichtet war.


Im Folterzentrum von Imrali widersetzte sich Rêber Apo mit großer Entschlossenheit den harten Bedingungen. Er hat die schwierigsten Tage durchlebt. Es ging uns allen sehr schlecht, wir wollten etwas unternehmen, aber Rêber Apo sagte: „Nein, das alleine ist keine Lösung. Auch das ist nur eine Methode, aber es gibt nicht nur diese. Wir müssen das Komplott besiegen.“ Und er vereitelte das Komplott mit seiner Politik auf Imrali. Rêber Apo entwickelte ein ökologisches und frauenbefreiendes Paradigma. Der Feind wollte diese Linie vollständig liquidieren. Dazu wurde das Komplott angezettelt. Aber mit dem Aufbruch von Rêber Apo und dem Aufstand unseres Volkes, der kurdischen Frauen, der kurdischen Jugend und aller Patrioten wurde das Komplott zunichte gemacht. Entgegen der Absicht des Feindes ist die apoistische Bewegung noch stärker geworden. Früher gab es diese Bewegung nur im Norden, aber jetzt hat sie sich auf alle vier Teile Kurdistans ausgebreitet. Später, mit der Entwicklung des Paradigmas der demokratischen Moderne gegenüber der kapitalistischen Moderne, wurde Rêber Apo nicht nur zum Wegweiser für die Kurdinnen und Kurden, sondern für alle Völker. Heute ist seine Linie viel stärker als noch vor 24 Jahren. Er hat der Öffentlichkeit die Lösung der Probleme der Welt mit dem Paradigma der demokratischen Moderne präsentiert.

Zweifelsohne ist das Komplott gescheitert. Das war das Ergebnis des Widerstands, der Opfer, sowie der genialen Impulse von Rêber Apo und seines entschlossenen Kampfes gegen die psychologische Folter. Ebenso führten die Entwicklung der Linie der Frauenbefreiung, des Willens der kurdischen Frauen, das Wachstum der Frauenbefreiungsbewegung und die Auswirkungen, die dies auf die Region und die Welt hatte, zum Entstehen von „Jin Jiyan Azadî“. Ich möchte jedoch betonen, dass das Komplott nicht vorbei ist. Es gibt großen Protest, Massenaktionen und einen politischen Kampf gegen das Komplott. Heute führen die apoistischen Militanten in Zap, Avaşîn und Metîna einen gewaltigen Kampf und setzen damit der Welt ein Beispiel. Die kurdische Politik leistet Widerstand gegen alle Arten von Unterdrückung und Repression. Die Haltung von Rêber Apo auf Imrali ist an sich schon ein einzigartiger und sehr bedeutsamer Widerstand. Das gilt auch für die Haltung unseres Volkes. Damit zeigt sich, dass das Komplott nicht erfolgreich war. Doch es dauert an. Unser Volk fordert mit seinen Aktionen Rechenschaft von den Kräften des Komplotts. Die Menschen warten auf eine Erklärung. Warum wurde dieses Komplott durchgeführt? Was hat das kurdische Volk den am Komplott beteiligten Mächten angetan? Warum haben sie dieses Volk derartig angegriffen? Was ist der Grund dafür? Sie sollen das erklären. Sie können sicher einen Grund nennen, aber wir kennen ihn nicht. Das müssen diese Kräfte selbst erklären. Das ist der eine Punkt.

„Das CPT legitimiert die Folter auf Imrali“

Zweitens stellt sich die Frage: Warum wird das Komplott immer noch fortgesetzt? Die Blockade unserer Bewegung, die Tatsache, dass sie immer noch auf der „Terrorliste“ steht, und die Haltung des Europäischen Komitees zur Verhinderung von Folter (CPT) sind der beste Beweis dafür, dass das Komplott andauert. Das CPT ist eine internationale Organisation des Europarats zur Verhütung von Folter. Sein Verhalten in Bezug auf Imrali ist jedoch zweifelhaft. Erfüllt es wirklich seine Aufgabe, Folter zu verhindern, oder ist es ein Hindernis auf dem Weg zur Verhinderung von Folter? Das ist eine Frage, die diskutiert werden muss. Die Aussagen des CPT sind verdächtig. Es berücksichtigt den Willen des kurdischen Volkes nicht, es verbreitet Unwahrheiten. Das CPT tut dies nicht von sich aus, es vertritt eine allgemeine Linie. Es ist offensichtlich, dass das CPT auch als Institution am Komplott beteiligt ist. Es normalisiert und legitimiert die Folter während seiner Besuche auf Imrali. Das Komitee mag zwar Gegenteiliges behaupten, aber in der Praxis spielt es diese Rolle.

Unser Volk weiß, dass die USA, England, Deutschland und Israel das Komplott entwickelt haben, aber es gibt auch andere Kräfte, die daran beteiligt sind. Das Volk will Antworten: warum wurde dieser Coup inszeniert und weshalb hält er an? Eine Organisation wie Daish [arabisches Akronym für „Islamischer Staat“ - IS] ist aus dem Dogmatismus entstanden, der in der Dunkelheit des Nahen Ostens existierte. Diese Bewegung war eine Bedrohung für die ganze Welt. Weder der syrische Staat noch der Irak konnten sich Daish widersetzen. Wie wurde Daish aufgehalten und vor allem wer tat dies zu Beginn? Rêber Apo hielt Daish auf. Er hatte eine Perspektive für Şengal aufgezeigt und eine Mobilisierung für Kobanê angekündigt. Die Kämpferinnen und Kämpfer von Rêber Apo haben sich aufopferungsvoll eingesetzt. Sie haben in Şengal und Mexmûr interveniert und Daish daran gehindert, nach Hewlêr vorzudringen. Sie griffen in Kêrkûk ein, um die Peschmerga zu unterstützen. Später intervenierten sie auch in Kobanê zur Unterstützung der YPG und YPJ.

Damit haben sie eine wichtige Rolle gespielt. Erst kürzlich wurde der Jahrestag der Befreiung von Kobanê begangen. Bei dieser Gelegenheit möchte ich voll Respekt all der tapferen Gefallenen gedenken, die für die Befreiung von Kobanê gekämpft haben. Wir wissen, wie sich dieser Widerstand entwickelt hat. Es wird so getan, als wäre Kobanê befreit worden, weil sich alle am Kampf beteiligt hätten. Die Wahrheit ist anders. Kobanê sollte in eine Ruine verwandelt und vollständig vernichtet werden.

„Die EU und USA müssen ihre Politik verändern“

In einem solchen Moment sagte US-Außenminister John Kerry: „Wir können nichts für Kobanê tun.“ Dann sagte der damalige Ministerpräsident Erdoğan in Antep: „Kobanê ist gefallen, es wird fallen.“ Aber dann trat ein Wille hervor, der klarstellte: „Nein, Kobanê wird nicht fallen.“ Wer brachte diesen Willen? Es waren apoistische Militante. Sie griffen mit einer Kraft ein, vor der niemand bestehen konnte, und stärkten den Widerstand der YPG und YPJ. Derjenige, der Daish besiegt hat, befindet sich in absoluter Isolation und Folter auf Imrali. Rêber Apo hat die Menschheit vor einer großen Geißel bewahrt. Die Entwicklung der Freiheit der Frauen und die Entwicklung der demokratischen Gesellschaft haben den Nahen Osten aufgeklärt. Warum haben diese Kräfte diese Aufklärung angegriffen? Wir möchten, dass uns dies erklärt wird. Warum wollen diese Mächte das Licht verdunkeln? Wenn sie wirklich mit dem kurdischen Volk befreundet sein wollen, muss eine Lösung gefunden werden. Das kurdische Volk muss auf diesem Land, im Land seiner Vorfahren, wie alle Völker der Region, frei leben können. Dann wird keine kurdische Organisation, die für Freiheit kämpft, auf eine „Terrorliste“ gesetzt werden. Diese Liste ist falsch. Die faschistische AKP/MHP-Regierung verwendet diese Liste als Rechtfertigung für ihre Angriffe und kriminalisiert alle Kurdinnen und Kurden, die für ihre Freiheit kämpfen, als „Terroristen“. Unter diesem Vorwand verübt der türkische Staat überall Staatsterrorismus.

„Internationale Mächte sind für die türkischen Angriffe verantwortlich“

Im Süden, in Şengal, in Rojava, im Norden gibt es seit 40 Jahren keine Angriffsform, die nicht vom türkischen Staat gegen das kurdische Volk verwendet wurde. Mit welcher Begründung geschieht das? Der türkische Staat rechtfertigt seine Aggression damit, dass die EU und die USA die PKK auf die „Terrorliste“ gesetzt haben. Alle Handlungen seien deshalb legitim. Der türkische Staat stützt sich darauf und die EU und die USA unterstützen ihn. Da gibt es keinen Zweifel. Wenn diese Kräfte die Türkei nicht unterstützen würden, wie könnte sie dann jeden Tag das Volk bombardieren? Neulich zum Beispiel bombardierte sie eine Straße in Dêrik in Rojava und tötete eine erwachsene Person und ein Kind, die sich in einem Geschäft befanden. Woher nimmt der türkische Staat den Mut dazu? Diese Kräfte sind für die Angriffe verantwortlich. Deshalb sollten sie ihre Politik ändern. Genug ist genug. Beendet das Komplott jetzt. Das ist es, was unser Volk erwartet.

„Wir wollen Frieden, aber wir werden niemals zurückweichen“

Was würde passieren, wenn diese Politik endet? Wir bekommen von Zeit zu Zeit Botschaften von ihnen. Sie sagen: „Wir wollen Frieden. Sagt ihr auch, dass ihr Frieden wollt und euch nur verteidigt.“ Das ist ohnehin das, was wir tun. Wir verteidigen uns und wollen Frieden. Hat Rêber Apo nicht gesagt: „Gebt mir eine Chance und ich werde dieses Problem innerhalb einer Woche lösen?“ Aber dieser blutrünstige Feind will sich durchsetzen, indem er Blut vergießt und Terror verbreitet. Er will sich durch Massaker am kurdischen Volk behaupten. Wir wehren uns gegen diese genozidären Angriffe. Wir leisten Widerstand für die Freiheit und gegen die Völkermordpolitik des faschistischen AKP/MHP-Regimes. Das ist die Wahrheit, das ist der Sinn unseres Widerstands. Wir haben nicht angegriffen, wir erwidern Angriffe und werden dies weiterhin tun. Das ist unser legitimes Recht. Natürlich wollen wir Frieden, aber wir werden niemals vor den Angreifern zurückweichen. Wir werden ihnen im Geist von Sara und Rûken die notwendige Antwort geben. Wir werden im Geiste der Opferbereitschaft antworten; daran sollte niemand zweifeln.

„Wenn sie ernsthaft Frieden wollten, würden sie die Listung aufheben“

Wir sind ein Volk und ein Wille. Wir werden nicht zulassen, dass in dieser Region eine Politik des Völkermords betrieben wird. Wenn der Feind darauf beharrt, wird dieser Krieg noch Jahrzehnte andauern. Sie machen sich etwas vor, wenn sie tatsächlich glauben, mit ein paar Kollaborateuren an ihrer Seite könnten sie gewinnen. Das kurdische Volk hat seine Entscheidung getroffen, die Opfer der Gefallenen sind eindeutig. Wenn die Staaten, die das Komplott durchgeführt haben, ihre Politik ändern, wird die Türkei hilflos sein. Wenn es ihnen mit ihrem Wunsch nach Frieden ernst ist, sollten sie zuerst diese „Terrorliste“ abschaffen.

Auch die derzeitige Politik auf Imrali muss ein Ende haben. Denn Imrali wurde auf der Grundlage der Völkermordpolitik aufgebaut. Durch die physische Freiheit von Rêber Apo kann dieses Problem gelöst und Frieden in Kurdistan und im Nahen Osten geschaffen werden. Wenn der Krieg heute noch andauert, so ist dies auf die Politik der am Komplott beteiligten Mächte zurückzuführen. Sie unterstützen die Politik des türkischen Staates, und deshalb setzt dieser alle Arten von Waffen ein. Er kann keine Ergebnisse erzielen, aber er hört nicht auf, verbotene Waffen einzusetzen, weil die internationalen Mächte hinter ihm stehen.

„Viyan Soran war außergewöhnlich”

Es ist der 17. Jahrestag der Opferaktion von Viyan Soran, die sich unter der Parole „Ihr könnt unsere Sonne nicht verdunkeln“ selbst verbrannt hatte. Was drückt ihre Aktion aus?

Zuallererst möchte ich Viyan Soran, Veysi Taş und Mehmet Akar würdigen. Ich verneige mich mit Respekt vor ihrem Andenken. Sie haben ihre Körper in einem Akt Opfers gegen das Komplott verbrannt.

Hevala Viyan war eine Freundin, die in unserer Führung aktiv war. Wir waren gemeinsam im KCK-Exekutivrat tätig. Sie war eine junge Genossin; 22 Jahre alt. Sie wurde als Jugendvertreterin gewählt. Hevala Viyan kam aus Südkurdistan und gehörte zum Stamm der Caf. Sie trat in die Fußstapfen von Leyla Qasim. Bürgerlich hieß sie Leyla Wali Hisên. Sie war kein gewöhnlicher Mensch, sondern eine sehr intelligente, mutige, willensstarke, furchtlose und selbstbewusste Person. Sie kannte die Gedanken und Ideen von Rêber Apo, und hatte viel gelesen. Dass sich eine junge Freundin auf diese Weise beteiligte, gab uns Kraft und Moral. Während der Liquidierungsphase [Versuche, die PKK nach der Verschleppung von Abdullah Öcalan von innen heraus zu zerstören] wurde das aus zwölf Personen bestehende PKK-Wiederaufbaukomitee gegründet. Hevala Viyan war Teil dieses Komitees. Sie erfüllte diese Aufgabe mit großer Hingabe. Sie hatte sich sehr um die Vorbereitung des Programms, die Planung des Kongresses und sogar um den Aufbau des Saals bemüht. Danach wollte sie zu den bewaffneten Kräften. Sie hatte hartnäckig darauf bestanden. Sie wollte nicht in der Leitung tätig sein. Offenbar war es von Anfang an ihr Ziel, eine Selbstopferungsaktion durchzuführen.

„Wir fanden die Methode nicht richtig, aber die Botschaft war bedeutsam“

Damals wie heute gab es eine starke Isolation von Rêber Apo. Es gibt auch jetzt eine Isolation, aber es gibt auch Bemühungen, sie zu durchbrechen. Doch zu diesem Zeitpunkt herrschte Schweigen. Hevala Viyan zeigte ihren Widerstand gegen dieses Schweigen als Mitglied der Führung. Dadurch, dass sie ihren Körper in Brand setzte, richtete sie einen Aufruf an alle. Sie hinterließ einen langen Brief, ich glaube, alle haben ihn gelesen. Wir fanden die Methode nicht richtig und es war sehr traurig für uns, eine so wertvolle Kämpferin zu verlieren. Sie zündete ihren Körper in Heftanîn an, um auf die Situation von Rêber Apo aufmerksam zu machen. Außerdem war sie die Kommandantin dieser Region, das machte es für uns sehr schwierig. Aber ihr Handeln hatte einen Zweck: Sie wollte eine Botschaft an alle senden. Sie hat einen Funken entzündet, damit alle aufwachen. Sie vermittelte, wie man Rêber Apo beschützt, wie man eine Kämpferin für Rêber Apo sein kann und was Opferbereitschaft bedeutet. Wir fanden die Methode damals nicht richtig, aber die vermittelte Botschaft war sehr bedeutsam.

Auch Veysi Taş und Mehmet Akar führten in den letzten Tagen ähnliche Aktionen durch. Inwieweit haben solche Aktionen in dieser Zeit ihren Platz oder nicht? Wie beurteilen Sie diese Aktionen generell?

Zunächst einmal muss gesagt werden, dass die Handlungen dieser Freunde in vielerlei Hinsicht interpretiert und verstanden werden müssen. Hevalê Bubo, Veysi Taş, war 65 Jahre alt. Seit 45 Jahren war er als Freiwilliger, als Patriot tätig. Er war schon viele Male im Kerker gewesen und wieder herausgekommen. Er hat sein Land nicht verlassen. Es gibt ein Sprichwort bei uns: „Wer das Wasser der PKK trinkt, kann es nicht wieder aufgeben.“ Auch Hevalê Bubo hatte das Wasser der PKK und der Ideologie von Rêber Apo aufgenommen. Er kannte Hayri Durmuş aus dem Kerker. Er konnte sich nicht trennen von uns. Er hatte ein Haus, eine Familie und Kinder. Aber er hat den Kampf nicht aufgegeben. Schließlich nahm er ein Video auf. Er wollte seine Aktion so wie Hevala Viyan durchführen, ohne dass jemand vorher davon erfährt. Was er in seinem Video sagte, war sehr, sehr bedeutsam. „Ich verurteile die Isolation und ich protestiere mit dieser Aktion dagegen“, sagte er. Er hat sein Leben auf diese Weise geopfert. Zweifellos richtet er einen Aufruf an alle.

„Sie gehören zu den unsterblichen Gefallenen“

Der Fall von Mehmet Akar ist noch bemerkenswerter. Er war ein kurdischer Jugendlicher, der eine Zeitlang von zu Hause verschwunden war. Der Staat eskortierte seine Eltern sofort vor das Gebäude der HDP in Amed und reihte sie in die anderen Familien ein [Dabei handelt es sich um eine vom Geheimdienst koordinierte Kampagne, in der Eltern ihre erwachsenen Söhne und Töchter von der HDP „zurückfordern“]. Aber Mehmet Akar tauchte öffentlich auf und sagte: „Nein, ich bin hier.“ Der Staat betrieb also offenbar eine Spezialkriegspolitik gegen ihn und hat seine Angehörigen in seine Machenschaften einbezogen. Sie zwangen Mehmet zur Heirat, aber sie konnten sein Herz und seine Seele nicht zurückhalten. Der Geist der Opferbereitschaft in seinem Herzen entwickelte sich und wurde stärker. Er hat diesen Geist inmitten dieser psychologischen Kriegsführung entwickelt und seine kurdische Identität gestärkt. Ich möchte auch darauf hinweisen, dass der ältere Bruder von Hevalê Mehmet, Çiya Sîpan, sich ebenfalls geopfert hat. Er war bei den Hêzên Taybet [Spezialeinheiten der Guerilla]. Er war ein Genosse, der immer bereit war, sich zu opfern. Im Jahr 2016 fiel er infolge der Angriffe des türkischen Staates in Qendîl. Er fiel bei der Erfüllung einer wichtigen Aufgabe. Er war ein sehr wertvoller Freund. Es ist offensichtlich, dass Mehmet Akar wie sein Bruder Çiya Sîpan war.

Indem er unter solch schwierigen Bedingungen und Angriffen diesen Geist entwickelte, tat er dasselbe, was Hevala Zekiye Alkan an Newroz tat, als sie ihren Körper in Brand setzte und erklärte: „Möge das Licht des Feuers, das meinen Körper entzündet hat, Imrali erleuchten. Ich hoffe, dass diese Aktion zur physischen Freiheit von Rêber Apo führen wird.“ Mehmet Akar sagte etwas sehr Kurzes und Bedeutungsvolles. Er richtete eine wichtige Botschaft an alle Jugendlichen in Amed (tr. Diyarbakır), an die Jugend Kurdistans. Sowohl Veysi Taş als auch Mehmet Akar haben ein Opfer gebracht. Das ist sehr bedeutungsvoll. Durch ihre Taten wurden sie zu unsterblichen Gefallenen. Ihre Haltung ist sehr wichtig. Wie ich bereits sagte, sollten vor allem junge Menschen und Frauen die Bedeutung verstehen.

„Verbrennt den Feind, nicht euch selbst“

Die am Komplott beteiligten Kräfte sehen auch, dass das kurdische Volk durch Veysi Taş und Mehmet Akar zu verstehen gibt: Es reicht, bis hier und keinen Zentimeter weiter. Glauben Sie mir, wenn der Ko-Vorstand der KCK nicht am selben Tag eine Erklärung abgegeben hätte, hätten vielleicht schon Dutzende von Menschen dasselbe getan. Zum Glück sagte unser Ko-Vorstand: „Wir akzeptieren das nicht. Rêber Apo hat die Methode der Selbstverbrennung in der Vergangenheit als indiskutabel betrachtet und auch wir vertreten diese Meinung. Niemand sollte zu dieser Methode greifen. Verbrennt den Feind, nicht euch selbst.“ So wurden weitere Aktionen verhindert. Die am Komplott beteiligten Kräfte sollten das genau verstehen. Mehmet Akar gab Erdoğan, der durch die Ermordung von Kurden die Wahlen gewinnen will, die beste Antwort. Denn Erdoğan setzt vor allem auf diese Familien. Aber die kurdische Jugend hat ihm die passende Antwort gegeben. Die am Komplott beteiligten Staaten sollten daraus eine Lehre ziehen und unser Volk sollte die Bedeutung dessen verstehen. Wie unser KCK-Vorstand sagte, ist dies nicht die richtige Methode. Die aktuelle Phase ist nicht die Zeit des Protests gegen das Komplott, sondern die Zeit seiner Zerschlagung. Wenn das Komplott besiegt ist, wird Rêber Apo seine körperliche Freiheit erlangen.

„Die Guerilla ist ein Dolch im Herzen des Feindes“

Deshalb sollte man sich heute nicht selbst verbrennen, stattdessen muss der Feind verbrannt werden. Weder Sympathisanten noch Patrioten und besonders Kader sollten an Selbstverbrennungsaktionen denken. Nun steht der 15. Februar vor der Tür. In der Vergangenheit sind solche Aktionen rund um dieses Datum durchgeführt worden. Unsere Bewegung hat Kritik geübt. Ich sage, dass niemand zu dieser Methode greifen sollte. Die Guerilla muss sich weiter auf die Linie des Apoismus konzentrieren. Die jungen Menschen sollten in die Reihen der Guerilla eintreten. Die Guerilla ist heute wie ein Dolch, der in das Herz des Feindes gestoßen wird. Der Feind setzt Dutzende von Flugzeugen ein und gibt Millionen von Lira aus, um einen Guerillakämpfer zu töten, weil er eine große Angst vor dieser Kraft verspürt. Wer sich dem Feind entgegenstellen will, muss sich der Guerilla anschließen. Ich appelliere an alle jungen Menschen: Niemand sollte seinen Körper in Brand stecken.

Russland, die Türkei, der Iran und Syrien haben sich kürzlich zu Gesprächen getroffen. Offensichtlich ging es um die kurdischen Errungenschaften. Was können Sie zu diesen Gesprächen sagen?

Es gibt verschiedene Pläne gegen die kurdische Freiheitsbewegung. Russland gehört ohnehin zu den Komplott-Kräften. Vielleicht war Russland nicht die führende Macht, aber es spielte eine Rolle. Ich hoffe, dass Russland nicht gegen die kurdische Freiheitsbewegung vorgehen wird. Aber alle folgen ihren eigenen Interessen. Das ist eine Realität der heutigen Politik. Es ist die Politik von Erdoğan, die Syrien in diesen Zustand gebracht hat. Er hat Syrien zerstört und alle Söldner in Syrien um sich geschart, um auf diese Weise die kurdische Politik zu besiegen. Dann sagte er: „Ich werde nach Damaskus gehen und dort beten.“ [Erdoğan kündigte damit die Eroberung von Damaskus an] Erdoğan ist der Feind der Völker Syriens.

Ursprünglich unterhielten die PYD und die YPG Beziehungen zur Türkei. Der Ko-Vorsitzende der PYD, Salih Muslim, hat die Türkei mehrmals besucht. Zu dieser Zeit herrschte zwischen uns und dem türkischen Staat ein Waffenstillstand. Es war eine Phase, die „Lösungsprozess“ genannt wurde, aber sie war kein Lösungsprozess. Die AKP bewertete diese Zeit im Kontext des Spezialkriegs. Aber es gab einen Dialog. Damals forderte der türkische Staat, dass die Kurden Damaskus ebenfalls angreifen sollten. Er hat zum Beispiel offen angekündigt, dass man den Grenzübergang bei Qamişlo einnehmen und dann alles liefern werde. Dann sagte er, wir sollten uns auf Aleppo und Şêxmeqsûd zubewegen, damit Aleppo fällt. Er wollte, dass Aleppo fällt. Auf diese Weise wäre der türkische Staat nach Damaskus vorgerückt. Die Kurdinnen und Kurden haben das nicht akzeptiert.

„Die Regierung in Damaskus sollte darauf nicht hereinfallen“

Das war einer der Gründe, warum Erdoğan seine Politik gegenüber den Kurden und Rojava geändert hat. Es war natürlich nicht der einzige Grund, aber einer davon. Die kurdische Politik beharrte auf dieser Linie und stellte sich nicht gegen Syrien. Wäre dies der Fall gewesen, wäre Syrien besiegt worden. Syrien ist jetzt auf Russland und den Iran angewiesen. Hätten sich die Kurdinnen und Kurden jedoch von Anfang an gegen Damaskus gestellt, zum Beispiel 2012, 2013, wie die Türkei sagte, wäre die Regierung gescheitert. Wenn sie heute nicht gescheitert ist, dann als Ergebnis der kurdischen Politik in Rojava und des autonomen Systems, das in Nordostsyrien aufgebaut wurde. Das Ergebnis dieser Politik war die Vereinigung von Kurden und Arabern. Die Kurden haben Daish gemeinsam mit pro-demokratischen Arabern besiegt. Nur so konnte Syrien überleben. Das ist die Realität. Deshalb darf die Regierung in Damaskus keinen Fehler machen. Baschar al-Assad darf keinen Fehler begehen. Sehen Sie sich die Geschichte an: Wie konnte Hafiz al-Assad so viele Angriffe überleben? Das geschah mit der Unterstützung der Kurden, offiziell oder inoffiziell. Und wenn Saddam Hussein auch mit den Kurden in Kontakt gestanden hätte, wenn er sich geändert hätte, wäre sein Ende vermutlich ein anderes gewesen.

Die kurdische Gesellschaft ist eine feste Größe in diesen Ländern, das sollte niemanden überraschen. Wir hoffen, dass die syrische Regierung hier keinen Fehler macht und Tayyip Erdoğan den Rücken stärkt. Tayyip Erdoğan betreibt derzeit Wahltaktik. Er steckt im Moment in einer Sackgasse. Mit seiner Syrien-Politik war er nicht erfolgreich. Der Hauptgrund für sein Scheitern ist der Widerstand in Nordostsyrien. Mit anderen Worten: Er hat mit seiner Syrien-Politik versagt. Deshalb versucht er, das Gegenteil von dem zu tun, was er in der Vergangenheit getan hat. Weil er verzweifelt ist. Erstens: Es stehen Wahlen bevor. Deshalb unternimmt er Schritte in Bezug auf Syrien. Syrien muss sich dem entgegenstellen und darf das nicht akzeptieren. Wenn sich Syrien darauf einlässt, wird dies ein großer Fehler sein und es wird seine verbliebenen Freunde und Bürger verlieren. Bei der Türkei handelt sich um ein blutrünstiges, antisyrisches, antikurdisches und antidemokratisches faschistisches Regime, das sehr verärgert über die kurdisch-arabische Allianz ist. Deshalb will es angreifen. Syrien sollte nicht auf der Seite dieses Regimes stehen, sondern sich dem entgegenstellen. Wir hoffen, dass das syrische Regime aus diesen Ereignissen lernt und sich nicht auf eine solch schmutzige Politik einlassen wird. Die Völker der Region haben ihre Entscheidung getroffen. Sie werden unter allen Umständen Widerstand leisten. Wir hoffen, dass das syrische Regime diese Realität anerkennen und Fehler vermeiden wird.

Möchten Sie abschließend noch etwas sagen?

Das 25. Jahr des internationalen Komplotts beginnt. Die Entwicklungen im Krieg, der Guerillawiderstand, der Imrali-Widerstand, unser Volk, die kurdische Politik und die Freundinnen und Freunde des kurdischen Volkes und die linke Politik in der Türkei haben die Messlatte höher gelegt. Insbesondere der derzeitige Widerstand in Zap, Avaşîn und Metîna hält an. Es hat sich ein Wille entwickelt, der zeigt, dass der türkische Staat nicht in der Lage sein wird, Ergebnisse zu erzielen. Der Widerstand hat den türkischen Staat gestoppt. Er wollte die Medya-Verteidigungsgebiete binnen zwei Wochen besetzen, aber zwei Jahre später gelingt es ihm noch immer nicht. Es herrscht immer noch Krieg im Zap. Es gibt Krieg im Westen und Osten der Zap-Region. Die Haltung von Rêber Apo, der Wille unseres Volkes und der Wille unserer Genossinnen und Genossen im Gefängnis haben das Niveau angehoben. 

„Der Kampf ist in eine neue Phase eingetreten“

Der AKP/MHP-Faschismus ist jetzt geschwächt. Hätte er gegen uns Erfolg gehabt, wäre er stärker geworden. Es gibt eine große wirtschaftliche, politische und soziale Krise und die Menschen leiden Hunger. Das System ist in vielen Bereichen in der Krise. Der kurdische Freiheitskampf ist heute auch zum Kampf für Demokratie und Freiheit in der Türkei geworden. Derzeit gibt es eine Opposition im System, die man „Sechsertisch“ nennt. Genauer gesagt bezeichnen sie sich selbst als Opposition, aber wenn das AKP/MHP-Regime einen Erfolg gegen die Guerilla erzielt hätte, wenn es 2021 in Gare und 2022 im Zap erfolgreich gewesen wäre, wäre es erfolgreich in die Wahlen gegangen. Die wahre Opposition ist heute die Freiheitsguerilla und die Freiheitsbewegung Kurdistans. Niemand sollte sich selbst täuschen. Natürlich mag es den Empfindlichkeiten der Türkei zuwiderlaufen, aber niemand sollte sich darüber wundern. Hätte die AKP/MHP uns besiegt oder Imrali einen Rückzieher gemacht, könnten sie ihr Regime aufrechterhalten. Die kurdische Freiheitsbewegung und die Demokratiebewegung der Türkei standen dem jedoch wie ein stählerner Wille entgegen. Das sollte niemand vergessen.

Im 25. Jahr des Komplotts tritt der Widerstand in eine neue Phase ein. Der Guerillakampf befindet sich in einer neuen Phase. Der Kampf für Freiheit und Demokratie ist in eine neue Phase eingetreten. Es stehen auch Wahlen an, und in diesem Zusammenhang wird es neue Entwicklungen geben. Dies ist die Zeit, in der das Komplott und das faschistische Regime besiegt und die Totalisolation durchbrochen werden wird. Deshalb müssen wir uns noch stärker am Kampf beteiligen. Machen wir dieses Jahr zu einem Jahr, das den Kampf für Freiheit, den Kampf für Demokratie, die Demokratisierung der Türkei zum Erfolg führt und die physische Freiheit von Rêber Apo und Kurdistans durchsetzt. Wir wollen uns gemeinsam auf diese Weise am Kampf beteiligen. Lasst uns zum 25. Jahrestag des Komplotts die Kräfte des Komplotts besiegen.